2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines

Fo**en Freiburg

Der Fußball und seine Doppelmoral

Anscheinend unterscheiden die verantwortlichen Gremien im Fußball gerne, wann eine Beleidigung okay ist und wann nicht.

Achtung! Im folgenden Text kommt es vermehrt zu Schimpfworten.!

Wie selbstverständlich hängt er da. Ein blauer Banner mit der Aufschrift: “Fo**en Freiburg!''

Was für eine Aussage. Eine doch recht plumpe Beleidigung, die keinen Fußballfan mehr wirklich kratzt. Eventuell echauffieren sich einige Feministinnen darüber, aber ansonsten ist diese versuchte Provokation doch eher einfalls- und wirkungslos.

Zu sehen ist sie meistens bei Spielen der TSG Hoffenheim gegen den Sportclub Freiburg. Für die Kraichgauer sind Spiele gegen Freiburg, Stuttgart oder Karlsruhe waschechte Derbys. Für die drei anderen Fanszenen ist Hoffenheim dagegen nur ein lästiger Pickel in der Gesäßfalte, aber keinesfalls ein Derbygegner. Sie nehmen den vom Mäzen Hopp hochgezüchteten Club nicht ernst. By the way, liebe Hoffenheimer, was ist denn mit dem alten Hassgegner Sandhausen?

Die Freiburger störten sich also rein gar nicht, an diesem Stück Stoff in der Kurve der Sinsheimer. Aber ich möchte an dieser Stelle einmal das Wort Doppelmoral in diesem Zusammenhang in den Ring werfen: Als die Fans des FC Bayern am 29.02.2020 im Rahmen ihres Auswärtsspiels in der „Arena direkt an der Autobahn“ Spruchbänder und Schmähgesänge gegen Dietmar Hopp vom Stapel ließen, stellten die Akteure auf dem Rasen das Fußballspielen ein. Besser gesagt, sie spielten zwar offiziell noch, schoben sich aber nur noch lustlos den Ball hin und her. Inzwischen suchten die Bayern-Bosse den Körperkontakt zum Mäzen und liefen in inniger Umarmung durch das Stadion.

Nun stelle ich mir vor, das würde immer passieren bzw. es wäre immer passiert. Gehen wir doch mal die Verknüpfung meiner Synapsen dazu durch.

Als erstes fällt mir eine Choreo ein, die ausgerechnet von den Anhängern der TSG 1899 im Dezember 2017 gezeigt wurde. Beim Spiel gegen RB Leipzig wurde ein Bild eines Boxkampfes gezeigt, bei dem Hopp Mateschitz schlägt. Nicht, dass ich so etwas wie Sympathie für Mateschitz oder seine Vorstellung des Fußballs hätte. Aber die Leipziger beendeten das Spiel nicht. Die eventuelle Selbstironie der Hoffenheimer klammere ich an dieser Stelle aus, denn das Bild zeigt so oder so einen Faustschlag.

Am 02.11.2013 gastierte Gelsenkirchen bei Hertha BSC und einige Herthafans schleusten ein Spruchband in den Gästeblock. Zwischen Ober- und Unterrang war dann plötzlich zu lesen: “Schalke ist, wenn der Furz wat wiegt.” Die Reaktion der Gelsenkirchener? Ein müdes Lächeln und der Kommentar, dass die Aktion schon ganz “nett” war, aber der Spruch vielleicht etwas plump sei.

Wie oft hat Manuel Neuer den Platz eigentlich verlassen, wenn die Südkurve München seine Aufstellung mit “koan Neuer” quittierte oder er beim Auswärtsspiel der Bayern auf Schalke von der Nordkurve Gelsenkirchen gnadenlos ausgepfiffen wurde.

Und beim Thema Torhüter: Wie oft wird alleine in der Bundesliga bei einem Abstoß, wenn der Keeper vor den gegnerischen Fans steht, skandiert: “A****loch, Wi**ser, Hu**nsohn''. Wenn die Kurve einen besonders guten Tag hat, schmettern sie noch hinterher: “Deine Mutter hatten wir schon, deine Schwestern woll‘n wir nicht, denn die hat ein Arschgesicht!” Wobei das wirklich dumm ist, weil man dadurch ja quasi zugibt, Prostituierte zu konsumieren.

Um nochmal zurück auf die Königsblauen zu kommen: In meiner Fankarriere hätte ich hunderte Spielabbrüche sehen müssen, wenn bei jedem "Tod und Hass dem S04” der Schiri die Partie abgebrochen hätte. Wie oft hätte Timo Werner die Beendigung eines Spiels fordern können, wenn seine Mutter als Fachkraft des horizontalen Gewerbes betitelt wurde? Im Gegensatz dazu fand ich die Formulierung: “Timo Werner ist ein Retouren-Sohn”, nach seiner Rückkehr aus England 2022 zu Leipzig ganz witzig und kreativ.

Im Übrigen darf ja nach dem Drei-Stufen-Plan vom DFB nur dann unterbrochen werden, wenn eine Diskriminierung aufgrund von Alter, Behinderung, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, ethnischer Herkunft oder sexueller Identität vorliegt.

Und da hätte Bibiana Steinhaus ja im Grunde jedes, von ihr gepfiffene, Spiel abbrechen müssen. Was der guten Frau teilweise um die Ohren flog, war schon unter aller Kanone. Ebenfalls in diese Kategorie fallen diese unsäglichen Affenlaute, die Worte “Jude” und “Schwul” als Schimpfwort und diverse andere Verfehlungen, die in diese Kerbe schlagen.

Davon, dass beim Classico zwischen Madrid und Barcelona im November 2002 ein echter Schweinekopf und beim Pokalspiel Dynamo Dresden gegen RB Leipzig im August 2016 ein echter Bullenkopf geworfen wurden, fangen wir lieber gar nicht erst an.

Natürlich bieten viele Beleidigungen dabei einen Ermessensspielraum und wer will, kann bei dem Ausruf “du Hu**nsohn” bestimmt eine Brücke zur sexuellen Identität schlagen. Aber wir sind immer noch auf dem Fußballplatz und nicht jedes Wort gehört auf die Goldwaage.

Es gibt sicherlich Aktionen und Beleidigungen, die einfach nicht sein müssen. Es gibt auch Dinge, bei denen es völlig legitim ist, ein Spiel abzubrechen. Aber es muss doch bitte überall mit demselben Maß gemessen werden. Egal, ob der Empfänger einer Beleidigung ein steinreicher Mäzen ist, oder ein “bedeutungsloser” Auswechselspieler.

Aufrufe: 026.9.2022, 17:43 Uhr
Jörn KutschmannAutor