2024-04-30T13:48:59.170Z

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Das Sportgeflüster von Dieter Priglmeir
Das Sportgeflüster von Dieter Priglmeir – Foto: hep

FC Forstern: Rettet den Verein, rettet die Vorsitzende!

DAS SPORTGEFLÜSTER

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Hier steht, warum der FCF und seine Chefin Hilfe verdienen.

Mit gesenktem Blick lief neulich ein Vorsitzender über den Platz. Dabei hatte sein Fußballteam gerade 2:0 gewonnen. „Ich suche zwei Beilagscheiben. Wäre saublöd, wenn die in den Rasenmäher geraten würden.“ Ein anderer Präsident kämpfte vergeblich gegen den Rücktritt eines beleidigten Vorstandsmitglieds, für den keine Karten für die Vorstellung der Theaterabteilung hinterlegt waren. Ein Dritter entschuldigte sich dafür, dass das Gras auf der Sportanlage das englische Standardmaß überschritten habe, fragte aber höflich nach, ob denn Mäharbeit überall Chefsache sei.

Hier geht’s um drei Vereine aus dem Kreis Erding, und keiner ist so groß wie der FC Forstern. Der hat rund 1800 Mitglieder – aber bald keine Chefin mehr. Andrea Ippisch wird aus persönlichen Gründen in der Jahreshauptversammlung am 3. Mai nicht mehr für das Amt kandidieren wird. „Mir fehlt einfach die Zeit. Das muss jemand machen, der mit Herzblut die Dinge angeht und Neues anleiert. Ich konnte immer nur auf Situationen reagieren.“

Der Club geht sehr offen damit um, schreibt auf seinen Social-Media-Kanälen, dass er eine oder einen neuen Vorsitzenden sucht. Der Verein in Not und macht das öffentlich? Ippisch hat kein Problem damit, im Gegenteil: „Wie soll man sonst die Leute ansprechen? Es wissen viel zu wenige, was los ist. Wir brauchen die breite Masse.“

Und natürlich hat sie Recht. Der FCF ist ja auch nicht der erste Club, der sich im Landkreis Sorgen machen musste. Die DJK Ottenhofen, die Taufkirchener Bogenschützen, der SC Kirchasch, der TSV Maria Thalheim, Almenrausch Berglern, Stefansschützen Zustorf, Gemütlichkeit Gaden, jüngst der FC Hörgersdorf – überall drohte die Auflösung des Vereins, weil sich kein Vereinschef finden ließ. Bei der Nachbarschaftshilfe Moosinning und dem Kulturellen Arbeitskreis in Dorfen kam es dann sogar so weit. Und beim FCF?

Andrea Ippisch hat dem Verein schon einmal aus der Bredouille geholfen. Im November 2022 hatte Björn Michael am Ende der Jahreshauptversammlung seinen Rücktritt erklärt. „Ein Paukenschlag“, schrieben wir. Ippisch sprang kommissarisch ein. „Ich habe es gern gemacht“, sagt sie. „Mein Vater war in den 1970ern schon zweiter Vorsitzender. Und ich bin einfach ein Teil dieses Vereins.“

Und sie hat es wohl auch nicht schlecht gemacht. Der Verein hat Mitglieder hinzugewonnen. Die Erfolge im Fußball – U17-Mädels in der Bundesliga, alle Jugendmannschaften ohne Spielgemeinschaft – können sich sehen lassen. Aber das sei das Verdienst der Abteilungen, sagt die 55-Jährige bescheiden. Ohnehin erledigten die Abteilungsleiter das operative Geschäft. „So viel Arbeit hast du als Vorsitzende gar nicht“, meint sie und verweist auch noch auf die vier Teilzeitkräfte in der Geschäftsstelle und das restliche Vorstandsteam, das komplett erhalten bleibe. „Alle machen weiter, aber es will halt niemand den Ersten machen“, sagt Ippisch. Der Grund: persönliche Konsequenzen, wenn was schiefläuft. „Das will sich niemand ans Bein binden.“

Ein Argument, das man aus vielen anderen Vereinen kennt. Aber ist das wirklich so? Ippisch, selbst Versicherungskauffrau, will sich noch erkundigen, ob man die Haftung bei einer Falschberatung oder unglücklichen Entscheidung nicht durch eine Versicherung abdecken kann. Und ganz abgesehen: „Wir haben mal nachrecherchiert, aber in den vergangenen 30 oder 40 Jahren ist nie etwas passiert.“ In den meisten anderen Clubs im Landkreis wohl auch nicht, aber die winzige Wahrscheinlichkeit schreckt eben ab – zumal man die Klagefreudigkeit der rechtsschutzversicherten Deutschen ja kennt.

Ippisch hat Verständnis für diese Restsorge. Auf der anderen Waagschale seien aber viele andere Dinge, „die so viel Freude machen“. Sie nennt „die netten Leute, mit denen ich zu tun habe: Kinder und Senioren, beides Randgruppen, von denen so viel Dankbarkeit zurückkommt“. Und da wären die vielen Erlebnisse, wie das Pfingstcamp, „wo Fünfjährige den ganzen Tag trainieren und hinterher noch eine Stunde weiterkicken und stolz ihren Eltern zeigen, was sie gelernt haben“. Ippisch lebt diese Gemeinschaft, ist eine Vereinsmeierin im allerbesten Sinn. Deshalb ist es keine Überraschung, wenn sie ankündigt: „Ich werde dem Verein erhalten bleiben.“ Als Übungsleiterin im Turnbereich – und womöglich auch noch ein paar Wochen als Vorsitzende. Falls sich am 3. Mai keine Nachfolge findet, bleibt sie satzungsbedingt erst mal kommissarisch im Amt. Bis zu einer zweiten Versammlung. Und dann wird’s richtig kritisch für die 1800 Mitglieder und Andrea, die es verdient hat, dass ihr die anderen 1799 helfen, für die sie bisher da war – und noch ist.

Aufrufe: 06.4.2024, 12:00 Uhr
Dieter PriglmeirAutor