2024-05-10T08:19:16.237Z

Kommentar
Schiedsrichterin Marie durfte den symbolischen Anstoss des Relegationsspiels Fola - Canach ausführen
Schiedsrichterin Marie durfte den symbolischen Anstoss des Relegationsspiels Fola - Canach ausführen – Foto: paul@lsn.sarl (Archiv)

Es reicht!

Ein Kommentar zu verbaler und physischer Gewalt auf Fußballplätzen

„Muss es erst zu Toten kommen bis etwas passiert?“ ist ein gerne geäußerter Satz, wenn es um Gefahrensituationen oder Gewalt geht. Dem 15-jährigen Paul aus Berlin nützt dies nichts mehr – auf dem Fußballplatz eines Jugendturniers in Frankfurt/Main tätlich angegriffen erlag der Junge wenige Tage später seinen Verletzungen. Und wer meint, dass dies nicht wirklich etwas mit dem Fußball in Luxemburg oder der Großregion zu tun habe, der sei daran erinnert, dass der Angreifer aus der Jugend des FC Metz kam, dem Proficlub, der am nächsten zu Luxemburg liegt, der viele Anhänger im Großherzogtum hat und auch einige luxemburgische Jugendspieler in seinen Reihen zählt.

Dass dieser Verein bei seinem letzten Ligaspiel gegen Bastia vor 26.000 Zuschauern den erwähnten Vorfall mit einem Banner mit der Aufschrift "no violence" und einer Gedenkminute symbolisierte, ist ein gutes Zeichen. Zeichen sind der Meinung des Autors dieser Zeilen nach nämlich mehr als nötig. Um solche zu setzen, bedarf es Eigeninitiative und Courage. Diese Eigenschaften zeigte Folas Sportdirektor Pascal Welter, als er kurzerhand die im Rahmen eines Jugendspiels verbal extrem angegriffene junge Vereinsschiedsrichterin Marie zum symbolischen Anstoß der Partie seines Vereins in der Relegation gegen Canach einlud. Sicherlich hatte Welter an jenen Tagen andere Sorgen, doch wenn der Fußball zusammensteht, dann kann man auch gemeinsam gegen Gewalt vorgehen.

An diese zwei Beispiele fügen sich noch zahlreiche weitere an. Sei es die Affäre Lasauvage – Luna in der 2.Division, über die wir am Montag berichteten, seien es Fangesänge im Rahmen eines Pokalendspiels von Anhängern einer dritten Mannschaft, die nicht an dem Finale beteiligt war, die über einen Baum, einen Strick und ein Genick sangen – nur wenige Tage nach dem Tod Pauls! Wenn Unparteiischen das Abhacken ihres Kopfes und das Wegwerfen der Leiche in einen Fluss gewünscht wird, dann ist dies längst keine Frage von schlechtem Geschmack mehr, sondern eine Morddrohung! Da erscheint berechtigte Schiedsrichterkritik, wie kürzlich beim Pokalfinale der Frauen in Bettemburg, in einem anderen Licht und es ist gut, wenn Trainer im Nachgang zwar auf eventuelle Probleme bei der Spielleitung eingehen, die Unparteiischen aber dennoch nicht verbal hinrichten.

Dass aber z.B. Vereinsfotografen bei der Ehrung von Schiedsrichtern nach einem solchen Finale mitten in der Pressemeute stehend die Unparteiischen aus wenigen Metern Distanz ausbuhen, dass Interviews durch Böllerwürfe unterbrochen werden, all das scheint leider zu einer Normalität geworden zu sein, die eigentlich keine sein sollte. Oder um es mit dem Kommentator des DFB-Pokalfinals zu halten: über Rauch im Stadion und in den Fanblöcken kann man diskutieren, aber die Böllerwürfe in Menschenmengen sollte man bitte sein lassen. Der Moderator verwies auf die Terroranschläge am „Stade de France“ vor acht Jahren – jeder der damals im Stadion war, zucke heute noch bei solchen Böllerexplosionen aus verständlichen Gründen zusammen, so der Speaker.

Dabei wollen wir hier nicht (Schein-) Heiligtum vorgeben. Viele von uns haben schon Schiedsrichter kritisiert, Gegner kritisiert, Ausreden für Niederlagen gesucht usw. Doch die Qualität, die aktuell sehr viel Anlass zur Sorge gibt, hat neue, erschreckende Dimensionen erreicht, die selbst hartgesottene und langjährige Fans, die vieles erlebt haben, erschrecken lässt. Und dies aus gutem Grund: der Ruf des Fußballs wird keinesfalls besser durch solche Vorkommnisse, die kürzlich zum Tod eines Jugendspielers geführt haben. Und wer dann gerne die Floskel der gesellschaftlichen Entwicklung bemüht, der liegt wahrscheinlich nicht falsch, liefert die Lösung aber gleich mit: sie kann nämlich genau in dieser Gesellschaft liegen, in der Zivilcourage um genauer zu sein, die wie im Falle der jungen Marie gezeigt diejenigen unterstützt und in den Vordergrund stellt, die Positives bewirken und die jene nur am Rande behandelt, die salopp gesagt Scheiße bauen.

Aufrufe: 06.6.2023, 17:30 Uhr
Paul KrierAutor