2024-04-30T13:48:59.170Z

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Mut zur Gaudi: die Eichenrieder Kurzzeit-Kapitäne (v. l.) Patrick Lommer, Max Braun und Hasan Mavi.
Mut zur Gaudi: die Eichenrieder Kurzzeit-Kapitäne (v. l.) Patrick Lommer, Max Braun und Hasan Mavi. – Foto: privat

Erdinger Spielführer: Steuermänner, Biersponsoren, leichte Opfer

Geschichten aus dem Landkreis

Wie und warum wird man Mannschaftskapitän? Uns sind da ein paar Geschichten aus dem Landkreis Erding zu Ohren gekommen.

Die Löwen laufen am Wochenende in Dresden auf. Und dieses Rudel wird wieder Stefan Lex anführen. Gratulation an den Eittinger und an den TSV 1860 München. Das ist eine gute Wahl, finden wir und fragen uns gleichzeitig: Wie ist das bei uns mit den Mannschaftskapitänen?

Früher war das einfach. Zumindest in Eitting, denn da hieß der Spielführer immer Fred, wie uns Harry Kronthaler erzählt. „Erst war es Fred Neudecker, dann Fred Brückl – jahrzehntelang.“ Die Halbwertszeiten eines Spielführers haben sich inzwischen deutlich verkürzt. Kronthaler hat selbst ein Reserveteam trainiert, „das gefühlt bei jedem zweiten Heimspiel den Kapitän gewechselt hat“. Der Grund: Der Neue musste Einstand zahlen.

Bier als Mitgift – das klappt nicht nur in Eitting. Wartenbergs Thomas Rademacher erinnert sich an „das obligatorische Zuwerfen der Kapitänsbinde an den ein oder anderen Neuling, der sich gefreut hat wie ein Schnitzel, aber nicht wusste, dass das einen Kasten Bier Einstand bedeutete. Aus dem Grund wurde in der Halbzeit gerne mal einem anderen die Binde in die Hand gedrückt.“

Beim SV Walpertskirchen ist das noch heute Praxis, zumindest bei Vorbereitungsspielen, wie uns Trainer Sepp Heilmeier verrät. „Da lassen wir beim Auswechseln gern mal ohne Vorwarnung die Binde jemandem zukommen, der noch nie Spielführer war.“ Was der Einstand kostet? „Ein Tragl Bier“, meint der WSV-Coach grinsend.

Manchmal kann es aber noch viel teurer werden. Eishackler Stefan Peipe etwa nahm sein Amt so ernst, dass er letztlich einen dreistelligen Betrag in die Mannschaftskasse löhnen musste, wie Gladiators-Teamkollege Daniel Krzizok erzählt. Bei einem Bayernliga-Spiel in Buchloe sei die Mannschaft dermaßen verpfiffen worden, dass Peipe der Kragen platzte. „Als Käptn darfst du im Eishockey etwas mehr diskutieren als der normale Spieler, aber der Schiri hat Stefan sofort eine Zehn-Minuten-Strafe gegeben.“ Als Peipe diese Entscheidung als „ziemlich peinlich“ bewertete, bekam er eine weitere Zehn-Minuten-Strafe inklusive Spieldauer. Es folgten weitere Worte und nochmal zehn plus Spieldauer. Und noch eine dritte Strafe, nachdem Peipe am Spielende vom Eis ging und seinen Schläger zertrümmert hatte. Bilanz: eine Aktion 70 Strafminuten und drei Spiele Sperre. Und das alles, weil er sich fürs Team einsetzen wollte.

Kapitän zu sein, das ist eine teure Angelegenheit. Lohnt sich das also? Aber natürlich. Es ist eine große Ehre, sein Team auf den Platz zu führen. Das wusste ich schon als Siebenjähriger, als ich bei meinem erst zweiten Spiel schon Kapitän sein durfte. Wir haben übrigens 2:6 verloren – auch weil ich 50 Minuten lang nur meine schöne gelbe Binde am Arm angesehen habe.

Bleibt noch die Frage: Wie wird man Spielführer?

„Wer das erste Tor schießt, ist Kapitän“, sagte der legendäre Jugendcoach Georg Lachenmayr.

Oder der Älteste wird Spielführer. Das hat einst Stathis Papadopolous verfügt, als er Trainer in Klettham wurde. Dummerweise war der älteste, nämlich Gerry Wirth, ein Neuzugang, „der aber seine Sache ganz gut gemacht hat“, erinnert sich Tobi Schneider (der zuvor Kapitän war). Noch dümmererweise wurde Wirth nach dem vorzeitigen Abschied des Coaches selbst Trainer und – suchen Sie sich bitte selbst eine weitere Steigerung für „noch dümmererweise“ – machte er auch noch in Personalunion den Spielführer. Er war also sein eigener verlängerter Arm. Nicht gerade überraschend ging das nicht gut. Es kam zur Amputation.

Üblich ist eine demokratische Wahl, die ja nicht immer so verzwickt sein muss, wie in den 1970ern bei Quelle Fürth, wo Hans Bruckmeier spielte. Da stand es nach der Wahl 10:10. Im zweiten Durchgang hatten zwar ein paar ihre Meinung geändert – aber jeweils gleich viele in die jeweilige andere Richtung, es blieb beim 10:10. „Also haben wir Wattkarten genommen, und wer die erste Sau gezogen hat, war Spielführer“, erzählt Bruckmeier, der hinzufügt. „Der Gewinner hat sich seines Amtes dann auch würdig erwiesen“.

Womit wir bei der Qualität wären. Wast Held schwärmt noch heute vom damaligen Kapitän der Moosinninger A-Jugend: „Alfons Deutinger, inzwischen Trainer in Unterbruck, hat die Mannschaft im Griff gehabt und jede Party und jeden Mannschaftsausflug perfekt organisiert.“, Eines habe sich der Capitano aber ausbedungen. „Er wollte alle Elfmeter schießen – als Torwart.“ Held war’s recht, denn „ich kann mich nicht erinnern, das er jemals einen verschossen hat“.

Noch ein vorbildlicher Spielführer ist der Dorfener Andi Hartl, der an Weihnachten kleine Präsente an die Mannschaft verteilt. „Vor zwei Jahren waren es Handschuhe mit der jeweiligen Nummer eingestickt. Vergangenes Jahr gab es Tassen mit unserem Mannschaftsfoto drauf“, erzählt der Sportliche Leiter des TSV, Markus Wetzel. Dass Hartl auch sportlich beim Bezirksligisten vorausmarschiert, ist unbestritten.

Seine fußballerische Ausnahmeklasse war einst auch einer der Gründe, warum Ernst Wiesmüller Kapitän der Schülermannschaft des TSV Erding wurde. Das Problem: Der Hänfling hatte so dünne Ärmchen, dass keine Spielführerbinde passt. Also nähte ihm seine Mama diese direkt an den Trikotärmel. Weil es wichtig ist, dass der Käptn auch eine Binde hat.

Gehörig unterschätzt hat das einmal Andi Heilmaier, der als Jugendtrainer eben diese einmal zuhause vergaß. „I hab koa Bandl“, rief der Käptn vorm Anpfiff vom Mittelkreis aus. „Is wurscht“, antwortete der SpVgg-Trainer – und musste zum Rapport bei Schiedsrichter Peter Mees. „Ob des wurscht ist, hast nicht du zu entscheiden.“ Nach dem Spiel konkretisierte der Referee: „Mia is a wurscht, aber des is trotzdem immer no mei Sach.“

Schließen will ich mit dem Brauch des SV Eichenried, dass ein neuer Spielführer zum Einstand in Verkleidung bei der nächsten Spielersitzung bedienen muss. Und es gab immer wieder mal einen Neuen, wie der eigentliche Stammkäptn Wolfgang Föhringer erzählt: „Ich bin bei den Freundschaftsspielen zum Ende hin ausgewechselt worden und habe die Binde ,zufällig‘ immer an einen Neuen übergeben für die restlichen Minuten.“ Deshalb gibt’s nun Fotos von Eichenrieder Kickern in Dirndln, Engels- oder sonstigen Gewändern. Aber auch hier gilt: Einen echten Anführer erkennt man in jedem Outfit. Man muss es nur in Würde tragen.

Aufrufe: 022.7.2022, 18:30 Uhr
Dieter PriglmeirAutor