2024-05-02T16:12:49.858Z

Im Nachfassen
Kevin Müller (links) von der SG RWO Alzey. Archivfoto: BK/Axel Schmitz
Kevin Müller (links) von der SG RWO Alzey. Archivfoto: BK/Axel Schmitz

Worte, die ganz tief verletzen

Wie der Rassismus von den Betroffenen erlebt wird: Marvin Commodore und Kevin Müller erzählen

ALZEY. Es ist kein einfaches Thema. Auch nicht für Betroffene wie Kevin Müller oder Marvin Commodore. Aber sie kneifen nicht, sondern sagen: „Ja, wir erleben immer wieder mal Rassismus auf dem Fußball-Platz“. Genau wie Cedric Siewe, dessen Fall in dieser Woche die Schlagzeilen prägte. Der Farbige, für Fortuna Mombach am Ball, wurde vergangenen Sonntag im Bezirksliga-Spiel gegen den TSV Zornheim von einem Zuschauer wegen seiner Hautfarbe verbal attackiert.

Rote Karte, weil er der Beleidigung widersprach

Kevin Müller, der inzwischen für RWO Alzey spielt, und Marvin Commodore, im Trikot der SG Wiesbachtal in der A-Klasse unterwegs, kennen solche Situationen. Kevin Müller erzählt: „Vor zwei Jahren war das, damals in der Gruppenliga Darmstadt. Ich spielte mit dem FCA Darmstadt bei der SG Unter-Abtsteinach (Kreis Bergstaße, Anm.)“. Ein Zuschauer habe ihn während des Spiels mit Worten wie „Ay, Du schwarzer Mann“ geschmäht.

Irgendwann ist ihm dann der Hut hochgegangen. Er habe dem Pöbler die Meinung gesagt: „Daraufhin gab mir der Schiedsrichter die Rote Karte.“

Müller erinnert sich an die Ereignisse, als seien sie gestern geschehen. Er sei wegen dieser Ungerechtigkeit in Rage gewesen. Da halfen auch keine beruhigenden Worte von den Mitspielern. „Die sind sicher gut gemeint. Aber wer das nicht selbst erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn man so beleidigt wird“.

Später erläuterte Müller dem Schiedsrichter, was aus seiner Sicht geschehen war. „Der zeigte auch Verständnis. An der Roten Karte für mich hat sich aber nichts verändert“. Der Vorfall sei vom Verband nicht weiter verfolgt worden.

Dieses Erlebnis war das verwerflichste, was Kevin Müller auf Fußballplätzen widerfuhr. Nach seinen Erfahrungen sitzen die verbalen Übeltäter auf den Zuschauerbänken. „In den Mannschaften, in denen ich spielte, gab es wegen meiner Hautfarbe noch überhaupt keine Probleme“, schildert der Mittelfeldspieler.

Marvin Commodore begegnete dieses Phänomen der Ablehnung erstmals in der „C- oder D-Jugend. In Bechtolsheim während eines Jugendspiels. Damals machte jemand im Publikum Affenlaute, wenn ich am Ball war“, schildert der 25-Jährige. Sehr nachvollziehbar beschreibt er weiter: „Das war das erste Mal, dass mir das begegnete. Als Kind macht man sich da seine Gedanken dazu. Ich fragte mich, warum das gemacht wurde. Ob ich ein schlechterer Mensch bis als Andersfarbige“.

Eine Antwort auf diese tief bewegende Frage habe er nicht gefunden. Der Rassismus begleite ihn allerdings bis heute in der Fußball-Welt. Er habe nur gelernt, anders damit umzugehen: „Ich gehe mal davon aus, dass ich heute weiß, warum das gemacht wird. Man will mich aus meinem Spielrhythmus bringen, mich zu strafbaren Handlungen provozieren. Die beste Antwort drauf ist, besonders gut zu spielen“, ergänzt der Fußballer von der SG Wiesbachtal: „Solche Menschen wissen nicht, was sie anderen mit solchen Äußerungen antun. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie verletzend das ist.“

Aggressoren sind nach seiner Erfahrung entweder die Zuschauer der gegnerischen Mannschaften oder sogar die Gegenspieler. Wobei die Häufigkeit, von der er spricht, erschreckt: In einem von zehn Fußballspielen erlebe er rassistisch begründete Beleidigungen. Jüngst erst im Punktspiel gegen TuS Biebelnheim. Da hätten es sogar Teamgefährten von ihm mitbekommen. „Das war total nett. Sie kamen und fragten mich, ob wir den Vorfall offiziell machen sollten“, skizziert er. Sie taten es nicht.

Rassismus ist nicht nur Problem des Fußballs

Grundsätzlich aber, sagt Commodore, halte er es für wichtig, dass das Thema publik gemacht wird. „Rassismus ist weit verbreitet. Nicht nur im Amateurfußball, auch bei den Profis, Beispiel Italien. Aber auch in anderen Sportarten“.

Deshalb hat er auch sehr aufmerksam die Berichterstattung über den Vorfall von Mombach verfolgt. Dass Cedric Siewe in aller Öffentlichkeit darum bat, nicht den TSV Zornheim für die grenzenlose Dummheit eines Zuschauers zur Rechenschaft zu ziehen, „fand ich ein klasse Statement von ihm. Wenn so etwas vorfällt, sollte man die Einzelperson verfolgen, nicht das Kollektiv.“

Ob er sich vom Verband und seinen Statuten ausreichend geschützt sehe, wollte Marvin Commodore nicht kommentieren. Weil es dazu aus seiner Sicht noch keinen Anlass gab. Wohl aber würde er begrüßen, wenn die Sensibilität im Südwestdeutschen Fußballverband geschärft würde: „Zum Beispiel, wenn zwei Mannschaften vor einem Spiel gemeinsam ein Transparent mit der Aufschrift ‚Wir sind gegen Rassismus‘ in Richtung der Zuschauer hochhalten würden“.



Aufrufe: 012.4.2019, 10:00 Uhr
Claus RosenbergAutor