2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Selina Hertlein spricht offen über den unterschied zwischen Männer- und Frauenfußball, sowie ihre Karriere.
Selina Hertlein spricht offen über den unterschied zwischen Männer- und Frauenfußball, sowie ihre Karriere. – Foto: Martin Imruck

Wo ist eigentlich das Public Viewing?

Selina Hertlein von TuS Wörrstadt grollt bisweilen, wenn sie mit Männern über Frauenfußball spricht

Wörrstadt. Fußball ist klasse. Das sagt Selina Hertlein von TuS Wörrstadt, die 21 Jahre lang aktiv spielte. Dass ihr Fußball, der Frauenfußball, gegenüber dem Männerfußball in der Öffentlichkeit stiefmütterlich wahrgenommen wird, findet sie „an der Grenze der Diskriminierung“. An ihrer Begeisterung für den Sport ändert das aber nichts.

Frau Hertlein, vermissen Sie das Public viewing?

Ja, ich war bei der Männer-WM gerne in der Opel-Arena in Mainz.

Wundert es Sie nicht, dass in diesen Tagen während der Frauen-WM in Frankreich kein Public viewing angeboten wird?

Das ist eine gute Frage. In der Tat habe ich danach gegoogelt, weil mich ein Freund ansprach, ob wir nicht zusammen bei einem solchen Event ein Spiel schauen wollen. Er sieht sehr gerne Frauenfußball. Gefunden habe ich aber keine Veranstaltung in der Richtung, ehrlich gesagt.

Irritierend, oder?

Bei den Gruppenspielen der WM finde ich das nicht. Aber wenn das Finale in Kneipen übertragen würde, das wäre okay.

Sie sind nachsichtig – bei den Männern wird jedes Spiel übertragen, bei den Frauen braucht es das nicht ...

Aus der Perspektive grenzt es tatsächlich an Diskriminierung. Aber Frauenfußball interessiert halt nicht so viele Menschen wie Männerfußball. Das ist die andere Seite der Medaille: Es fehlt die Nachfrage.

Sie haben mit sieben Jahren angefangen, Fußball zu spielen. Man hört, Sie hätten sich das damals unverrückbar in den Kopf gesetzt?

Ja, es ergab sich so. Ich hatte in Stadecken-Elsheim eine Freundin, deren Papa Trainer beim örtlichen Verein war. Sie fragte, ob wir nicht mal vorbeischauen wollten. Also bin ich zweimal zum Schnuppern mitgegangen und habe mich direkt im Anschluss angemeldet.

Was bewog Sie mehr dazu? Der Fußball oder die Freundin?

Der Fußball. Denn es dauerter nicht lange und dann war ich das einzige Mädchen im Fußball-Training. Meine Freundin hörte nach einem halben Jahr auf. Später kamen dann zwei neue Mädchen dazu. Mit denen hatte ich aber nichts zu tun. Sie waren jünger.

Als Sie mit dem Fußball begannen, war das für Mädchen noch eine exotische Sportart. Was sagten Ihre Mitschüler über ihr seinerzeit ungewöhnliches Hobby?

Sie fanden das alle ganz cool, wenn ich es ihnen erzählte.

21 jahre Fußball, was waren Ihre bedeutendsten Erfolge?

Einmal die Saison in der Zweiten Liga. Das war toll. Und dann im vergangenen Jahr, als wir gegen Marnheim den Südwestpokal gewannen. Ich hatte mir einige Wochen zuvor die Nase gebrochen und war längst nicht hundertprozentig fit. Dass mich die Trainerin (Jessica Wissmann, Anm.) für die letzten zehn Minuten einwechselte, fand ich klasse. Da hatte ich den Eindruck, der gesamte Aufwand vorher hatte sich gelohnt.

Jetzt haben Sie beschlossen, Ihre Laufbahn zu beenden. Wehmütig?

Ja. Ich denke bereits immer wieder, ich würde so gerne spielen. Bei einem Spiel unserer Zweiten habe ich gesehen, man kann jetzt auch rückwechseln. Wo das möglich ist, könnte ich gut mitmachen. Das erschien mir richtig reizvoll. Aber ich muss aus gesundheitlichen Gründen vernünftig sein. Jetzt hatte ich zwei Kreuzbandrisse – einen im linken Knie, einen im rechten. Würde noch mal etwas passieren, wäre es das zweite Mal auf einer Seite. Das möchte ich vermeiden.

Was finden Frauen an der Männersportart Fußball?

Das ist eine blöde Frage. Als gäbe es da einen Unterschied. Hier wie da finde ich Fußball attraktiv, wenn ein System dahintersteckt. Bloßes Gebolze, wie das manchmal in den unteren Männerklassen zu sehen ist, finde ich nicht so prickelnd. Dass Fußball und Fußballtraining abwechslungsreich sind. Joggen alleine finde ich langweilig. Genau wie Fitness-Training. Beim Fußball ist der Ball dabei. Und die Mannschaft, das ist mir auch sehr wichtig.

Sie lernten in Ihrer langen Laufbahn Trainer und Trainerinnen kennen. Wo trainiert es sich als Frau besser?

Das ist unabhängig vom Geschlecht. Es kommt auf den Typ an. Die Trainerstile von Martin Wohlschlegel, der uns in der Zweiten Liga betreute, und der unserer heutigen Trainerin, Jessica Wissmann, ist sehr ähnlich. Allerdings gibt es hier noch mal einen Unterschied, weil sie Spielertrainerin ist.

In Anbetracht Ihrer Verletzungen, zwei Kreuzbandrisse, ein Nasenbeinbruch, hätten Sie besser eine andere Sportart gewählt?

Nein. Man kann sich in allen Sportarten verletzen. In der Schule und auch im Verein betrieb ich noch die Leichtathletik sehr intensiv, was ich später wegen des Fußballs aufgab. Wenn ich zurückblicke, kann ich nur eins sagen: Ich habe alles richtig gemacht.



Zur Person

Die Mainzerin Selina Hertlein spielte bis Ende der abgelaufenen Runde für den Südwestpokalsieger TuS Wörrstadt- Die 28-Jährige ist Vermessungsingenieurin.

Aufrufe: 022.6.2019, 11:30 Uhr
Claus RosenbergAutor