2024-05-24T11:28:31.627Z

Halle
Edin Kacar (links) und Jörg Litz (rechts) - beide verbinden unterschiedliche Erinnerungen mit der Halle. (F.: Zink)
Edin Kacar (links) und Jörg Litz (rechts) - beide verbinden unterschiedliche Erinnerungen mit der Halle. (F.: Zink)

Von Wehmut, Freude und blindem Verständnis

Zwei Geschichten vom Berliner Platz

Die Hallen-Kreismeisterschaft im Futsal bot spannende Spiele, packende Zweikämpfe, einen Fallrückzieher und eine Rote Kar­te. Die meisten Tore schossen Udo Brehm vom Sieger TSV Buch und Sergio Rodriguez vom Zweitplatzierten, den Bayern Kickers Nürnberg. Beide Teams sind auch für die Bezirks­meisterschaft am Sonntag in Nürnberg qualifiziert. Da werden auch wieder Jörg Litz und Edin Kacar aufeinandertreffen - beide haben ihre eigenen Geschichten über den Hallensport zu erzählen.

Thomas Raßbach hat vor dem Finalturnier nicht beson­ders gut geschlafen. Ein Grund dafür war der TSV Buch. Beim Burgpokal einige Tage zuvor war es rund gegangen, Betreu­er stürmten den Platz, es hagel­te Rote Karten und Wasserfla­schen. Nicht nur Buch war beteiligt. „Ein paar von uns haben da sicher überreagiert“, sagt Jörg Litz, der den TSV Buch in der Halle anstelle von Helmut Rahner betreut. „Der Alu“, sagt Litz, „der mag das nicht so mit der Halle.“

Dass alle Bedenken von Raß­bach an diesem Samstagnach­mittag umsonst waren, weiß als erstes Ludwig Beer, der Bezirksspielleiter: „Wenn du wegen diesen Schlagzeilen kommst“, sagt er, „kannst du gleich wieder gehen.“ Raßbach hat vorgesorgt. Die Schiedsrichter sind erfahren und regelsicher, pfeifen alle­samt in der Landes- und Bay­ernliga. Äußern wollen sie sich selbst leider nicht, worauf es zum Beispiel ankommt als Schiedsrichter, was Futsal eigentlich so schwierig macht, wie man mit dem gleichberech­tigten Unparteiischen auf dem Feld kommuniziert. „Wir dür­fen leider nichts zur Presse sagen“, sagt einer, der seinen Namen auch nicht in der Zei­tung lesen will. Da habe es schon einmal Ärger gegeben, Interviews gibt es seitdem nur noch mit ausdrücklicher Geneh­migung der Vorgesetzten.

Thomas Raßbach, der Kreis­spielleiter, ist den Medien hin­gegen dankbar. „Mit den Vor­kommnissen wurde kritisch um­gegangen, da ist rübergekom­men, dass wir da nichts dul­den.“ Allein an den erfahrenen Schiedsrichtern aber liege es laut Raßbach nicht, dass sich plötzlich alle benehmen kön­nen. „Auch die Vereine leisten ihren Beitrag. Es geht sehr freundschaftlich zu.“ Darum hatte der Kreisspielleiter auch gebeten, in den E-Mails, die er gleich nach dem Burgpokal an die Mannschaften versendete, und in dem Gespräch, zu dem er alle Vereinsvertreter vor dem Turnier gebeten hatte.

So bleibt es angenehm ruhig an diesem Nachmittag, im Vor­dergrund steht diesmal allein der Futsal. Und der ist es auch, der Jörg Litz ein bisschen trau­rig macht. „Ach wissen Sie“, sagt der Trainer des TSV Buch, „wenn ich die Jungs so sehe und die Atmosphäre erlebe, da bekomm’ ich Gänsehaut. Dann tut es schon immer noch weh.“ 2011 hat er das letzte Mal selbst Hallenfußball gespielt, beim Endturnier in Herrieden. Ein langer Ball, Litz schnappt ihn sich, zieht ab — der Ball fliegt ins Tor, aber Litz zerstört sich dabei alles, was man sich im Knie zerstören kann. Und obendrein seine Zukunft als Amateurfußballer.

Jetzt ist der 31-Jährige selbst­ständiger Fliesenleger, nach dieser schweren Verletzung, als er sich Außen- und Innenmenis­kus sowie das Kreuzband geris­sen hat, ist es ihm zu riskant, regelmäßig Fußball zu spielen. Aushelfen ist alles, was er noch macht: „Wenn es wirklich nicht mehr anders geht, ein paar Minuten, den Ball annehmen und weiterspielen“, sagt Litz, das mache er noch. Mehr nicht. Trotzdem ist Litz immer mit­tendrin. Er ballt die Faust nach einem Tor, er rauft sich die Haa­re nach einer vergebenen Chan­ce. Und er stürmt aufs Feld, um seinen Torhüter zu herzen. Wie man das eben so macht, wenn man ein Sechsmeterschießen und einen Pokal gewinnt.

Blindes Verständnis

Edin Kacar wird später am Abend der unglücklichste Mensch in dieser Halle sein. Davon weiß noch niemand etwas, als sich der 29 Jahre alte Spieler der Bayern Kickers nach dem letzten Gruppenspiel auf diese Gymnastikbank hin­ter dem Tor setzt und erzählt. Die Bayern Kickers haben ihre Gruppe beherrscht, nur ein einziges Gegentor kassiert — um 16.54 Uhr war das gegen Feuchtwangen. Um 14 Uhr hat­te das Turnier begonnen.

Defen­sive, sagt Kacar, ist alles beim Futsal. So haben sie es mal nach fast ganz oben geschafft, die Bayern Kickers. 2011 war das, Deutscher Vizemeister im Futsal, als Kreisligist. „Man merkt schon, dass die anderen Mannschaften jetzt besonders motiviert sind, uns zu schlagen.“ 2011, da wusste kaum je­mand, was das eigentlich ist: Futsal. Mittlerweile weiß es je­der, der Verband hat die Varian­te des Hallenfußballs, die viel­mehr eine eigene Sportart ist, zur Pflicht gemacht.

Hallenfuß­ball gibt es offiziell gar nicht mehr, „bis 2018“, sagt Ludwig Beer, der Bezirksvorsitzende, „soll es in Deutschland eine Fut­sal-Profiliga geben“. Trotzdem ist Futsal noch ziemlich unbeliebt, Zuschauer können die Regeln nicht nach­vollziehen, auch manche Spie­ler wissen noch nicht, weshalb der Schiedsrichter beim Ein­schuss plötzlich zählt, warum man nicht grätschen darf. Das Tor ist klein, der Ball auch — und springt nicht richtig vom Boden ab.

Die Abneigung, sagt Kacar, kann er nicht verstehen. „Fut­sal sieht doch so viel schöner aus als Hallenfußball.“ Das allerdings nur, wenn man es kann. „Die meisten Spie­ler meinen, dass man da einfach rausgeht und draufloskickt. Wie früher eben.“ Dabei ist es so viel mehr: „Wir haben eintrainierte Spielzüge, die wir abrufen“, sagt Edin Kacar, sie haben sie sich selbst ausge­dacht oder aus dem Fernsehen abgeguckt. „Einmal kurz, zwei­mal lang, Doppelpass — und du stehst allein vor dem Tor.“ Das klappt eigentlich immer. Auch an diesem Nachmittag, deshalb ziehen die Bayern Kickers ohne Probleme ins Fina­le ein. „Wenn du gegen eine gute Mannschaft Futsal spielst“, sagt Kacar, „dann merkst du das daran, dass du eigentlich nie den Ball hast.“

Die Gegner der Bayern Kickers haben so gut wie nie den Ball. So war das auch 2011, als sie wochenlang durch Deutsch­land tourten, von Turnier zu Turnier fuhren. Er denkt noch oft daran, sagt Kacar. Erst im Finale war Schluss, gegen Kroa­tia Berlin. „Viele haben uns un­terschätzt, weil wir ja nur ein Kreisligist waren.“ Unterschätzt wird die Mann­schaft seitdem nirgends mehr. „Das Niveau wird immer stär­ker, auch hier in Nürnberg.

Einen Vorteil haben sie noch: Sie verstehen sich fast blind, „seit fünf, sechs Jahren spielen wir schon zusammen Futsal, das macht hier niemand sonst“. Für die Kreismeisterschaft reicht das aber nicht mehr. Lan­desligist TSV Buch schlägt die Bayern Kickers im Siebenme­terschießen. Edin Kacar hat sei­nen Strafstoß verschossen.

Aufrufe: 013.1.2015, 10:30 Uhr
Christoph Benesch (NN)Autor