2024-06-14T14:12:32.331Z

Allgemeines

TV Crumstadt: "Zu 90 Prozent Freunde aus dem Ort"

Crumstadts Coach Ingo Hölzel über die Gründe für die Erfolge des B-Ligisten und die Aussichten im Titelkampf

Crumstadt. Mit einem Sieg am Sonntag (13 Uhr) beim SC Opel-Rüsselsheim II kann B-Ligist TV Crumstadt mit dem 35 Punkte aufweisenden Tabellenführer HSC Mörfelden gleichziehen. Trainer Ingo Hölzel spricht im Interview über die erfolgreiche Hinserie des Tabellenzweiten mit nur einer Niederlage (1:2 gegen VfB Ginsheim III), die Aussichten im Titelkampf und den Reiz, als Gemeinschaft von „Freunden aus dem Ort“ höherklassig erfahrene Spieler zu bezwingen.

Herr Hölzel, sind Sie überrascht, dass es in der Hinrunde so gut lief?

Daran haben wir zu Saisonbeginn auf keinen Fall gedacht. Wir haben zunächst gegen schwächer eingeschätzte Mannschaften gespielt. Nach der ersten Partie gegen ein Spitzenteam, nach dem 1:1 gegen den HSC Mörfelden, wo wir Chancen auf den Siegtreffer hatten, ist dann so langsam das Selbstvertrauen gewachsen.

Wie wichtig für den weiteren Saisonverlauf war der jüngste 5:4-Last-Minute-Sieg gegen das lange Zeit führende Team von Gencler Bischofsheim, mit dem Sie auf Rang zwei vorgerückt sind?

Das war ein ganz wichtiger Sieg – zumindest für diese Halbrunde. Weil es gezeigt hat, dass die Mannschaft gegen ein Topteam gewinnen kann. Das hat das Selbstbewusstsein noch einmal deutlich gehoben. Man hat in dem Spiel auch den unbändigen Siegeswillen der Jungs gemerkt, die sich nicht mit einem Unentschieden zufriedengeben wollten.

Glaubt Ihre Mannschaft jetzt an die Meisterschaft beziehungsweise den Aufstieg?

Der Glaube in der Mannschaft ist groß, dass mehr passieren kann diese Saison. Nach den Erfahrungen der Relegation vor vier Jahren, wo wir an Türk Gücü Rüsselsheim II sehr, sehr unglücklich gescheitert sind, wollen wir lieber direkt den Aufstieg schaffen, anstatt noch einmal über die unsichere Relegation zu müssen. Die Mannschaft brennt darauf, den Schritt jetzt zu gehen und den ersten Platz zu erreichen, was aber unheimlich schwer wird.

Und Sie? Glauben Sie daran?

Wenn der Kern der Mannschaft verletzungsfrei und gesund bleibt und wir den gleichen mannschaftlichen Zusammenhalt aufweisen wie in der Hinrunde, sehe ich das nicht als unmöglich an. Ich will es nicht als festes Ziel ausgeben, weil wir einen sehr schmalen Kader haben. Aber es ist drin und ich erwarte von der Mannschaft, dass sie alles rausholt.

Sie haben mit zwölf Gegentoren die beste Abwehr der Liga. Was zeichnet die Defensive aus und was sind weitere Stärken des Teams?

Die Erfahrung zeichnet die Defensive aus. Wir spielen mit Simon Lüer, Christopher Schulze und Felix Seybel eine sehr abgeklärte und fast fehlerfreie Runde. Zumal ja vier der zwölf Gegentore im Spiel gegen Gencler gefallen sind. Eine weitere Stärke ist unser Umschaltspiel, dass wir nach einem Ballgewinn schnell nach vorne kommen. Und wir haben einen tollen Zusammenhalt, weil die Jungs schon lange zusammenspielen und zu 90 Prozent Freunde aus dem Ort sind, die auch privat viel unternehmen.

Was muss noch besser werden?

Im Spielaufbau haben wir nicht die spielerische Qualität von Ginsheim III oder Gencler, um eine Mannschaft tiki-taka auszuspielen. Außerdem hapert es noch an Effektivität und Kaltschnäuzigkeit vorm Tor, auch wenn das schon deutlich besser wurde im Vergleich zur Vorsaison. Gegen den HSC hätten wir zur Pause 2:0, 3:0 führen können, standen frei vorm Tor.

Der HSC Mörfelden hat zahlreiche früher höherklassig aktive Spieler in seinen Reihen? Ärgert Sie das oder spornt sie das eher an?

Das ärgert mich nicht. Ich finde die Nachhaltigkeit bei solchen Aktionen, die es ja massenhaft bei uns im Kreis gibt, nicht gegeben. Von daher weiß ich, dass das irgendwann auch mal wieder anders wird. Es ist Ansporn für mich und die Mannschaft zu beweisen, dass man als Team besser agieren kann als gute Einzelspieler, auch wenn diese zwei, drei Klassen höher aktiv waren. Das haben wir gegen den HSC bewiesen und das war damals auch der Reiz, den wir gesetzt hatten.

Wer sind für Sie die Favoriten im Titelkampf und auf was kommt es für Ihr Team in der Rückrunde an?

Favoriten sind für mich Ginsheim III, die personell immer nachlegen können, und der HSC, da bin ich mir sicher. Bei Gencler bin ich mir nicht so sicher, weil die Mannschaft instabil gewirkt hat und mit wenig Personal angetreten ist. Da hatte ich das Gefühl, dass der Zug ein bisschen raus war, nachdem die letzten Partien nicht so gut gelaufen waren. Für uns kommt es in der Rückrunde darauf an, dass wir verletzungsfrei bleiben und an unserer Effektivität arbeiten. Die Spiele nach unten müssen wir gewinnen und dann schauen, ob wir die Teams oben wieder ärgern können. Die Konkurrenten werden auch noch Punkte verlieren.

Wo sehen Sie den TV Crumstadt mittel- und langfristig?

Aus meiner Sicht gehört der Verein eindeutig in die A-Klasse und wird dort auf Dauer keine Spitzenmannschaft sein, das ist klar. Aber mit unserem Niveau und dem, was eventuell nachkommt, werden wir die Liga halten können.

Wie wichtig sind ein Sieg am Sonntag und ein Spitzenplatz im Hinblick auf einen möglichen Saisonabbruch?

Klar ist: Auch mit einem Sieg am Sonntag werden wir den Relegationsplatz behalten, weil der HSC ein 14 Treffer besserer Torverhältnis hat und wir im direkten Vergleich unentschieden gespielt haben. Aber für die Moral wäre es extrem wichtig zu sehen: Wir sind auf Augenhöhe mit Tabellenführer HSC und wir können auf allerhöchstem Level in der B-Klasse bestehen.

Wie wahrscheinlich ist ein Saisonabbruch?

Ich befürchte ihn. Aber ich fände es schade, auch wenn uns das vielleicht zugutekommen würde. Denn auf Dauer können wir nicht so weiterleben, dass wir jede Fußball-Saison vorzeitig beenden.

Das Interview führte Heiko Weissinger.



Zur Person

Ingo Hölzel ist seit Sommer 2020 Trainer des B-Ligisten TV Crumstadt. Der 50-Jährige wohnt in Goddelau, wo er auch aufgewachsen ist. Beim dortigen TSV lernte er das Kicken, ehe er in die Jugend des SV Darmstadt 98 wechselte und dort später vier Jahre in der U23 spielte. Es folgten vier Jahre beim Landesligisten Viktoria Griesheim. Danach wechselte der IT-Abteilungsleiter einer Bank zum FC Alsbach und stieg mit dem Klub von der A-Klasse bis in Bezirksoberliga auf. Nach seiner Zeit als Spielertrainer und Trainer beim SV St. Stephan Griesheim wirkte Hölzel zweimal als Coach des TSV Goddelau und dazwischen noch einmal für St. Stephan, ehe er 2020 nach Crumstadt wechselte.

Aufrufe: 04.12.2021, 14:00 Uhr
Heiko WeissingerAutor