2024-04-30T13:48:59.170Z

Interview
Tomas Galasek (links) im tschechischen Nationaltrikot mit seinem großen Vorbild - dem früheren Weltklassespieler Pavel Nedved.
Tomas Galasek (links) im tschechischen Nationaltrikot mit seinem großen Vorbild - dem früheren Weltklassespieler Pavel Nedved. – Foto: Adrian Dennis / Getty Images

Tomas Galasek: An Weiden die schönsten Erinnerungen

Als Profi hat der 47-jährige Vollblutfußballer in Tschechien, Holland und Deutschland Karriere gemacht. Als Trainer blickt einer der Pokalhelden des FCN von 2007 am liebsten auf seine Zeit bei der SpVgg Weiden zurück.

„Land in Sicht“ kann man bei einem Blick auf die Entwicklungen im bayerischen Amateurfußball sagen. Obwohl die Regelungen der Bayerischen Staatsregierung rund um die Corona-Pandemie immer noch keine Testspiele vor dem angepeilten Re-Start am ersten Septemberwochenende zulassen, ist zumindest ein Training mit Kontakt wieder erlaubt, ein weiterer Schritt also in Richtung Normalität. FuPa nutzt nun die spielfreie Zeit weiter, um einen Blick in die Vergangenheit zu werfen und sich dabei mit „Legenden“ zu unterhalten, für die der Fußball immer noch eine nicht unerhebliche Rolle in ihrem schon "fortgeschrittenen" Alter spielt.

Dabei präsentieren wir in der dritten Ausgabe unsere Portrait-Serie über ehemalige und noch aktive routinierte Spieler - und Trainergrößen einen äußerst interessanten Mann, der beginnend ab 1991 bis 2012 in Tschechien bei Banik Ostrau, den Niederlanden bei Willem II Tilburg und Ajax Amsterdam (wo er in sechs Jahren zwei Mal Landesmeister und Pokalsieger wurde) und in der deutschen Bundesliga (in Nürnberg und bei den Fohlen aus Mönchengladbach) als Profi tätig war und dabei vor allem den Club-Fans aus Nürnberg in bester Erinnerung geblieben ist. Tomas Galasek (47) gehörte nämlich zu den Pokalhelden des 1. FCN, die 2007 den DFB-Pokal an den Valznerweiher holten. Gerade die Anhänger des vormals ruhmreichen Traditionsvereins denken in der heutigen, schwierigen Zeit - der Club hat ja am Samstag den Absturz in die 3. Liga gerade noch verhindern können - mit Wehmut an diese erfolgreichen Tage zurück, für die eben auch der Name Tomas Galasek steht.

Sein Debüt als Nationalspieler gab Galasek am 8. März 1995, wo er beim 4:1-Testspielsieg in Brünn gegen Finnland erstmals das Trikot der tschechischen Nationalmannschaft überziehen durfte. Nach einem weiteren Einsatz im gleichen Jahr wurde er 1998 wieder für das Nationalteam nominiert. Beim 3:0-Testspielsieg gegen die Schweiz am 18. August 1999 absolvierte er dann sein vorerst letztes Länderspiel, bis er im Juni 2001 bei der 1:2-Niederlage im WM-Qualifikationsspiel gegen Dänemark wieder in der Auswahl seines Heimatlands stand.

Ab 2004 avancierte der dann schon 31 Jahre alte Mittelfeldspieler zum Stammspieler des Teams des Fotbalová asociace České republiky (tschechischer Fußballverband). So erreichte er über die Qualifikation die Endrunde der Europameisterschaft in Portugal, schied mit seiner Mannschaft dabei erst im Halbfinale durch ein „Silver Goal“ gegen Griechenland aus. Auch bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gehörte Tomáš Galásek nach acht Einsätzen in der Vorausscheidung sowie einem Einsatz in der Relegation zum tschechischen Aufgebot. Tschechien schied allerdings als Geheimfavorit nach der Gruppenphase aus. Schließlich gehörte er auch zwei Jahre später bei der Europameisterschaft 2008 in Österreich zum tschechischen Kader. Dabei stand er in allen drei Partien seiner Mannschaft auf dem Platz und schied mit ihr nach der Gruppenphase aus. Daraufhin erklärte Galásek seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft.

Schon auf der Zielgeraden seiner beeindruckenden Karriere als Spieler war es eigentlich klar, dass Galasek auch nach dem Laufbahnende dem Fußball erhalten bleibt. So fungierte er bei der letzten Station als Aktiver beim FSV Erlangen-Bruck schon als Co-Trainer bis zum Ende der Saison 2011/12. Zudem übernahm er bis 2015 den Trainerposten bei der Jugend des mittelfränkischen Vereins, in der auch sein Sohn spielte. Aber auch in seinem Heimatland wollte man natürlich von seiner Erfahrung profitieren und engagierte ihn bei der tschechischen Nationalmannschaft von 2012 bis zur verpassten Qualifikation für die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2014 als Co-Trainer. Ab 2013 wirkte er - praktisch parallel dazu - als ehrenamtlicher Co-Trainer der „Schnüdel“ vom FC Schweinfurt 05.

Nach drei Lehrjahren quasi in zweiter Reihe entschloss sich Galasek, den ersten Job als Cheftrainer anzutreten. Seine erste Station führte ihn dabei ausgerechnet in die Oberpfalz. Exakt am 19. Juni 2015 übernahm Galásek die sportliche Verantwortung beim damaligen Bayernligisten SpVgg SV Weiden als Nachfolger von Christian Stadler, der den Posten des Sportdirektors übernahm. Im Herbst 2016 sagte er dem Wasserwerk wieder „Adieu“, um nach kurzer Schaffenspause in der Saison 2017/18 erneut Chefanweiser der A-Jugend des FSV Erlangen-Bruck zu werden.

Seit 18. September 2018 bis zum heutigen Tag ist Tomas Galásek unter Cheftrainer Jaroslav Silhavy erneut Co-Trainer der tschechischen Nationalmannschaft. Mit Beginn der wegen Corona unterbrochenen Spielzeit 2019/20 übernahm er unter der Leitung von Sportdirektor Robert Palikuca beim 1. FC Nürnberg die Tätigkeit des Co-Trainers der U17. Durch die ihm gegebene Möglichkeit, beim seinem Herzensverein einen Posten einnehmen zu können, sei für ihn ein Wunsch in Erfüllung gegangen, sagt Galasek.

Unseren Fragen stellte sich der sympathische „Wahlfranke“ und berichtete dabei von interessanten Erlebnissen in den verschiedensten Arenen Europas.

Tomas, was war deiner Meinung nach das schönste Erlebnis deiner Fußballerlaufbahn?

Da fällt mir sofort das Auswärtsspiel beim SC Cambuur am 16. Mai 1999 ein, als ich für Willem II Tilburg in den Niederlanden spielte. Unser 2:0-Sieg bedeutete damals den 2.Tabellenplatz in der Eredivisie (1. Liga, Bem. d. Red.) und damit auch die direkte Qualifikation für die Champions League. Ich fühlte mich damals vor dem Spiel eigentlich nicht ganz fit, wollte aber unbedingt mitspielen. Und dann ebnete ich in der 74. Minute mit einem Flachschuss zum 0:1 den Weg zum späteren Erfolg.

Wer war wohl der beste Kicker, mit dem du in einer Mannschaft zusammen gespielt hast?

Ohne Zweifel, Pavel Nedved. Er war in der Nationalmannschaft mein Kapitän. Ich mochte ihn wegen seiner Einstellung im Training, er war einfach eine Persönlichkeit, ein echter Profi auf und außerhalb des Spielfelds. Für mich war er ein großes Vorbild.

Bei welchem Verein hattest du als Aktiver deine schönste Zeit?

Eine ganz schwierige Frage, weil ich bei jedem Verein ganz verschiedene, unvergessliche Erlebnisse hatte. Ich hatte das Glück, dass alle Vereine, bei denen ich spielen durfte, mich weitergebracht haben als Mensch und als Profifußballer. Die größte Entwicklung und damit verbinde ich auch die schönsten Erinnerungen meiner Jugendzeit, habe ich bei Banik Ostrava erfahren. Aber die wichtigsten und erfolgreichsten Jahre waren für mich sicher die sechs Jahre bei Ajax Amsterdam.

Wer war in deiner Jugendzeit dein fußballerisches Vorbild?

Als ich klein war, hatte ich Poster von Jürgen Klinsmann über meinem Bett hängen, weil ich einfach begeistert war, dass er in seiner Karriere so viele Tore geschossen hat. Damals wusste ich selber noch nicht genau, welche Position ich einmal spielen würde. Später bewunderte ich dann berühmte Mittelfeldspieler wie Zinedine Zidane oder Claude Makelele.

Was findest du am heutigen Fußballgeschäft nervig?

Am meisten nervt mich heutzutage, wie unterschiedlich und manchmal auch ungerecht über ein Handspiel entschieden wird. Es kommen immer wieder viele Diskussionen auf und ich glaube, dass in diesem Punkt auch in der Zukunft noch viele unglückliche Entscheidungen fallen werden.

Wenn du zurück schaust, hast du irgendetwas in deiner Laufbahn bereut?

Als ich damals aus Tschechien geflohen bin, um in der ersten niederländischen Liga zu spielen, gab es große Probleme mit meiner Spielberechtigung, das war für mich wirklich eine schwierige Zeit. Ansonsten habe ich bis heute viele, nicht einfache Entscheidungen treffen müssen, wobei ich keine davon bereue.

War da ein Spiel, das du nie vergessen wirst?

Es ist sicher keine Überraschung, wenn ich da sofort das Pokalfinale 2007 in Berlin mit dem Club gegen den VfB Stuttgart nenne. Das bleibt für mich unvergesslich. Ein anderes Spiel, das mir immer in Erinnerung bleiben wird, war das mit Banik Ostrava in der Europa League bei Galatasaray Istanbul in einem ausverkauften Stadion. Ich hatte in Ostrava als 18jähriger meinen ersten Profivertrag unterschrieben und wurde in einem Hexenkessel für die letzten drei Minuten eingewechselt.


Wer, so glaubst du, war der beste Trainer, den du je hattest?

Da gibt es nicht nur einen, sondern gleich zwei: Co Adriaanse und Hans Meyer. Sie setzten beide in mich großes Vertrauen als Spieler. Co Adriaanse war mein Trainer bei Willem II Tilburg. Er hat damals erkannt, auf welcher Position ich auf dem Spielfeld die beste spielerische Leistung abrufen konnte. Zudem nahm er mich 2000 mit zum großen Verein Ajax Amsterdam. Hans Meyer holte mich 2006 zum 1. FC Nürnberg. Er war nicht nur ein großartiger Trainer, sondern ist auch nach meiner Karriere eine vertrauenswürdige Person für mich geblieben.

Wenn du überlegst, was war die größte Enttäuschung deiner Fußballerlaufbahn?

Ganz klar, das war das Halbfinale während der Europameisterschaft 2004 in Portugal, wo wir mit dem tschechischen Nationalteam kurz vor Ende der ersten Halbzeit in der Verlängerung nach einer Ecke das silberne Tor (hatte das „Golden Goal“ abgelöst, Spiel war danach nicht sofort zu Ende, Bem. d. Red.) von Griechenland kassiert haben und dadurch ausgeschieden sind.

An welchen Verein denkst du als Trainer am liebsten zurück?

Am liebsten denke ich zurück an die Zeit bei SpVgg Weiden, wo ich dank des Kontakts mit Hans Pausch meine erste Cheftrainerstelle antreten durfte. Ich habe dort viele schöne Erinnerungen an die Personen, die ich in dieser Zeit kennengelernt habe, wie zum Beispiel meinen Assistenztrainer Norbert Prediger oder andere Mitarbeiter beim Verein. Nicht zu vergessen ist dabei die Mannschaft, weil sie einfach eine richtige Truppe war. Es hat viel Spaß gemacht mit ihr zu trainieren, dabei konnte ich meine ersten wertvollen Erfahrungen als hauptverantwortlicher Coach sammeln.

Von welchem Akteur warst du in deiner Trainerlaufbahn bislang am meisten beeindruckt?

Diese Frage möchte ich unbeantwortet lassen, einfach aus dem Grund, weil ich es ganz schwierig finde, jemanden aus meiner bisherigen Zeit als Trainer auszuwählen.

"Früher war alles besser" - wie ist deine Meinung über diese heute gerne aufgestellte Behauptung?

Früher war es, wie es war. Dabei kann die Vergangenheit im Fußball nicht verglichen werden mit dem Fußball heutzutage. Ich finde, man sollte von früher lernen, das Heute akzeptieren und positiv in die Zukunft schauen.

Gibt es im Profibereich einen Trainer, den du "richtig gut findest“?

Ja, natürlich. Jürgen Klopp, sein Spielstil ist deutlich sichtbar bei den Teams, die er trainiert. Und dann finde ich es außergewöhnlich schön, wie er nach einem Tor an der Seitenlinie mit seinen Spieler und den Fans mitfeiert. Als ein Beispiel fällt mir da ein, wie er nach dem Sieg Champions League-Finale zu seinem Torhüter Alisson gelaufen ist und ihn vor Freude geküsst hat. Über die Jahre hinweg hat sich immer wieder gezeigt, welch unglaublich gute Beziehung er zu seinen Spieler unterhält.

Welche Art der Mannschaftsführung bevorzugst du als Coach?

Als Coach bevorzuge ich lieber eine freundliche Art und Weise. Ich habe gelernt, dass schlechte Ergebnisse für eine schlechte Stimmung sorgen. Darum ist es wichtig, in solchen Situationen zusammen zu halten als Team. Es ist deswegen essentiell, einen Teamgeist zu formen, wo Kommunikation ein wichtiger Aspekt ist. Die Entwicklung der Spieler steht für mich ganz oben, dabei sollten jüngere Spieler auch immer wieder eine Chance bekommen, sich zu zeigen.

Immer wieder gibt es Regeländerungen. Was ist wohl die sinnloseste Regel im Fußball?

Meiner Meinung nach ist es die Regel, dass Spieler beim Elfmeterschießen den Anlauf nicht unterbrechen dürfen. Es wird oft genug nicht darauf geachtet, wenn Spieler trotzdem eine Körpertäuschung vor dem Schuss machen.


Zur Person:
Tomas Galasek wurde am 15. Januar 1973 in Frydek-Mystek (Tschechoslowakei) geboren. Er ist verheiratet und hat zwei schon erwachsene Kinder (Tom, 20 Jahre und Denisa, 25). Er lebt in Eckental im mittelfränkischen Landkreis Erlangen-Höchstadt. Fragt man nach Hobbies, die er außerhalb seiner Lieblingsbeschäftigung Fußball pflegt, nennt er mit Tennis eine weitere Sportart, die es ihm angetan hat. Auch auf Reisen geht der 47jährige gern, kann bei guten Filmen entspannen und zählt auch „Essen“ zu seinen beliebtesten Freizeitaktivitäten.

Aufrufe: 013.7.2020, 12:00 Uhr
Werner SchaupertAutor