2024-05-02T16:12:49.858Z

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Hölzlebrucks Trainer Tobias Urban wirft dem Bundestrainer „Mutlosigkeit“ vor.  | Foto: Wolfgang Scheu
Hölzlebrucks Trainer Tobias Urban wirft dem Bundestrainer „Mutlosigkeit“ vor. | Foto: Wolfgang Scheu

Tobias Urban: "Für Jogi Löw gebe es bestenfalls eine Vier minus"

Umfrage unter Schwarzwälder Trainern nach dem deutschen EM-Spiel gegen Ungarn

Von Euphorie keine Spur. Die EM-Vorrunde überstanden haben Deutschlands Fußballer. Mehr nicht. Das 2:2 im Münchner Heimspiel gegen die leidenschaftlich kämpfenden Ungarn war eine Partie mit Momenten ungewohnter Fassungslosigkeit. Mit Glück, Müh' und Not zogen Jogis Jungs ins EM-Achtelfinale ein. Ein Spiel, das für Diskussionen sorgt. Die BZ hat sich unter Schwarzwälder Fußballtrainern umgehört, die den Bundestrainer kritisieren: Bestenfalls eine vier minus habe Joachim Löw verdient.

Björn Schlageter, Trainer des Bezirksligisten TuS Bonndorf, bat seine Fußballer am Dienstagabend erstmals nach monatelanger Corona-Pause zum gemeinsamen Training auf den Platz. Der Ball lief, wenn auch nicht rund. Am Abend danach zeigte sich der Coach, der beim TuS in seine vierte Amtszeit geht, nach dem Nervenspiel von Löws Team gegen Ungarn fassungslos: "Das war knapp vorbei am Knockout. Dass die Ungarn 15 Sekunden nach dem deutschen Ausgleich das 2:1 erzielen, das ging gar nicht. Bei so was dreh' ich durch. Sowas dürfte bei uns in der Bezirksliga nie passieren. Und dann passiert es unserem Nationalteam. Fünf Gegentore in drei Vorrundenbegegnungen, das war einfach zu viel. Da war mehr Schatten als Licht. Löws Team kassiert zu viele einfache Tore, das macht mir Sorge. Dennoch, jetzt geht alles wieder bei Null los. Wir haben eine Turniermannschaft, in den K.o.-Spielen ist alles möglich. Wembley liegt uns."

Nurhan Ardiclik, Trainer des A-Kreisligisten SV Hinterzarten mit türkischen Wurzeln und Schwarzwälder Hartnäckigkeit, macht aus seiner Enttäuschung keinen Hehl: "Die Falschen sind weitergekommen, die Ungarn hätten es verdient gehabt. Das deutsche Team hat mich enttäuscht, keiner hat Normalform erreicht. Die Aufstellung war alles andere als berauschend, nein falsch. Löws Sturheit muss ein Ende haben, es wird Zeit, dass es bald einen neuen Bundestrainer gibt. Der Treffer zum zwischenzeitlichen 2:1 der Ungarn hat die ganze Misere im deutschen Spiel gezeigt. Sané war schwach und die Form und den Erfolg mit Thomas Müller zu verbinden, einfach schräg. Wie es jetzt weitergeht? Naja, es sieht nicht gut aus für Deutschland. Mein EM-Tipp: England wird Europameister."

Thomas Wolf, Trainer des A-Kreisligisten SG Unadingen/Dittishausen: "Woascht", sagt der zupackende Dachdeckermeister, "das Ergebnis, dieses 2:2, das ist ja aus deutscher Sicht okay. Aber das war auch schon das einzig Positive an diesem Dienstagabend. Mir hat dieses Spiel überhaupt nicht gefallen, dieses Hin- und Hergeschiebe des Balls. Das Tempo und der Biss, den wir gegen Portugal gezeigt haben, hat gefehlt. Die Ungarn haben mir imponiert. Die haben das gelebt, was Jogis Jungs gefehlt hat: Leidenschaft. Die sind gerannt, als ginge es um ihr Leben. So muss Fußball sein. Ich hätte Leon Goretzka von Anfang an gebracht und Sané draußen gelassen. Hinten hat's geklemmt. Vorne war es kaum besser. Im Angriff sind wir viel zu schwach, wir haben keine richtigen Stürmer. Jetzt braucht es eine enorme Steigerung, sonst ist am Dienstagabend in Wembley Schluss."

Florian Heitzmann, Trainer des Landesligisten FC Neustadt, atmet tief durch: "Ich bin froh, dass wir weiter sind. Erleichtert bin ich nicht. Nach dem 4:2 gegen Portugal hatte ich mir mehr Euphorie erhofft und das Selbstverständnis für einen selbstbewussten Auftritt. Aber nichts da. Ich war überrascht, wie schwer wir uns gegen einen so tief stehenden Gegner wie die Ungarn getan haben. In so einem Spiel muss man die Eins-zu-Eins-Situationen gewinnen und dann in der nächsten Ebene die Überzahl umsetzen. Man muss die wenigen Chancen nutzen, die sich bieten. Das ist nicht gelungen. Und dann dieses 1:2. Selbst in den untersten Amateurligen darf so etwas nicht passieren. Und dann passiert das unserem Nationalteam. Das war symptomatisch für das ganze Spiel. Gegen England wird es total spannend. Die Briten liegen uns. Vorne braucht es in Wembley mehr Risiko und hinten Stabilität statt Leichtsinn."

Tobias Urban, Trainer des Bezirksligisten SV Hölzlebruck: "Im Spiel gegen Ungarn sind Dinge passiert, die nicht geschehen dürfen. Dieser Treffer zum 1:2 hat mich tierisch geärgert. Das war auf internationalem Top-Niveau ein absolutes No-Go. Joachim Löw hat mit seiner zögerlichen Art viel zum Verlauf dieser Partie beigetragen. Er hat bei den Wechseln viel zu spät reagiert. Er hätte mutiger sein können, ja sein müssen. Wenn ich Lehrer wäre, gäbe es für Löw bestenfalls eine Vier minus. Gegen die Leidenschaft der Ungarn sah das, was die Deutschen boten, ein bisschen lustlos aus. Das war aus meiner Sicht einfach enttäuschend. Im Vorfeld wurde ja viel über Regenbogen diskutiert. Das war auch gut so. Aber im Kern ging es um Fußball. Die Ungarn, die auf dem Platz unglaublich um ihre Chance gekämpft haben, haben das verstanden. Dass jetzt England wartet, ist gut, vielleicht sogar ein Geschenk für unser Nationalteam. Wir haben eine gute Chance, in Wembley weiterzukommen. Denn so schlecht das Spiel gegen Ungarn auch war, Fakt ist, dass in der deutschen Nationalmannschaft keine Bratwürste kicken, sondern Champions-League-Sieger."

Aufrufe: 024.6.2021, 23:15 Uhr
Johannes Bachmann (BZ)Autor