DFB-Direktor Oliver Bierhoff spricht in seinem Vorwort für das Buch „Kicken wie die Profis“ von Kai Psotta (10,99 €, Heyne-Verlag) Klartext zum Thema Talent-Förderung. Die brisanten Bierhoff-Aussagen.
Die Fehler: Die Kinder und Jugendlichen werden rund um die Uhr betreut. Ihr Alltag ist vorgegeben, zum Teil minutiös verplant. Ihnen wird viel abverlangt, aber an anderer Stelle auch sehr viel abgenommen. Wir benötigen wieder das richtige Maß zwischen notwendiger Professionalität und größtmöglicher Persönlichkeitsentfaltung. Ab 2000 waren wir mit diesem System sehr erfolgreich. Doch anstatt immer weiter den Mut für notwendige Anpassungen zu haben, ruhten wir uns auf dieser Erfolgsserie aus. So haben wir über Jahre nach den immer gleichen Mustern sehr gleichförmige Spieler produziert, die nun im Überfluss aktiv sind.
Die geforderten Spielertypen: Wir haben heute viele Spieler, die den Ball in Perfektion zirkulieren lassen können, also diese Tiki-Taka-Typen. Aber uns fehlt es an echten Führungsspielern, die Entscheidungen treffen können. Uns fehlen die Kreativspieler und Individualisten. Wir haben zu wenige dynamische Außenverteidiger und klassische Mittelstürmer, und unsere Spieler weisen ein Manko in Sachen Torabschluss auf. Wenn man immer nur mit stark auf die Technik fokussierten Trainern trainiert und spielt, lernt man zum Beispiel nie, wie man sich gegen einen Holzfäller – also einen knallharten Verteidiger - durchsetzt.
Diese Trainer sind gefragt: Jeder Jugendtrainer kann heute – bewusst überspitzt gesagt – sechsundsechzig Varianten der Viererkette diskutieren. Und nach den Spielen wird analysiert, dass ein Fünfzehnjähriger einen halben Meter zu weit rechts gestanden hat, also nicht exakt auf der Position, wo er in der Theorie hingehört hätte. Wir alle haben es zugelassen, dass dort teilweise junge Menschen wie Computer programmiert worden sind.
Probleme des Nationalteams: Nach Kai Havertz, der Jahrgang 1999 ist, finden sich schon deutlich weniger derartige Ausnahmetalente. Die Zahlen sind ernüchternd und lassen darauf hindeuten, dass nach 2026 große Erfolge schwieriger zu erreichen sein werden.
(Manuel Bonke)