2024-06-14T14:12:32.331Z

Interview
Radioreportagen und redaktionelle Arbeit – ab diesem Wochenende kann der Oberdinger Justin Werner wieder seiner Arbeit nachgehen. In den vergangenen Wochen hatte der Freiberufler mehr Freizeit als ihm lieb war.   privat
Radioreportagen und redaktionelle Arbeit – ab diesem Wochenende kann der Oberdinger Justin Werner wieder seiner Arbeit nachgehen. In den vergangenen Wochen hatte der Freiberufler mehr Freizeit als ihm lieb war.   privat

Sportreporter Justin Werner: Ohne Fußball reicht’s nicht mal für die Miete

Fußball zu Corona-Zeiten

Für den freiberuflichen Radio-Kommentator und Sportredakteur ist die Bundesliga existentiell. Ein Interview mit dem gebürtigen Dresdener, der seit einem Jahr selbst für den TuS Oberding kickt.

Oberding – Fußball-Radiokommentator – das war immer schon Justin Werners Traum. Auch dafür ist er im Sommer vergangenen Jahres mit seiner Freundin von Dresden nach Schwaig gezogen. Für gute freiberufliche Sportjournalisten ist die Auftragslage in Ismaning und Unterföhring, Epizentrum der Münchner Medienlandschaft, gewöhnlich nicht schlecht. Der 23-Jährige kümmert sich zum Beispiel um redaktionelle Aufgaben des Amazon-Fußballradios und steht auch als Live-Kommentator bereit, falls in der längerfristigen Planung zu wenig Personal vorhanden ist oder ein Reporter kurzfristig ausfällt.

„So kam ich dann auch zu meinem ersten Einsatz“, erzählt Werner. Nur eine halbe Stunde Vorbereitung hatte er, bevor er ans Mikro musste. Vom Ismaninger Keller aus kommentierte er den Stuttgarter Pokalsieg in der zweiten Runde beim Hamburger SV. Gern erinnert sich der Dresdener an diese Nacht im Oktober 2019 zurück. „Radio ist meine große Leidenschaft. Die Atmosphäre ist einfach Wahnsinn. Da klingt Sandhausen gegen Wiesbaden genauso aufregend wie ein Champions-Leuague-Finale.“ Aber Justin Werner denkt auch an viele andere Aufträge gern, die er zum Beispiel als Online-Journalist für Sport 1.de oder ran.de von ProSieben erledigt hat. Denn das waren alles bezahlte Jobs. Seit der Corona-Krise gibt’s deutlich weniger zu tun. Wir sprachen mit Werner, der auch in der zweiten Mannschaft von TuS Oberding spielt.

Herr Werner, auf wie viel Prozent Ihrer monatlichen Einkünfte müssen Sie derzeit verzichten?

Prozentual kann ich das gar nicht auf den Punkt beziffern, da sich auch in der Welt der Sportmedien fast täglich der Umgang mit der Krise ändert und dadurch die Anzahl der Einsätze stark variiert. Im April habe ich ungefähr nur die Hälfte meiner normalen Umsätze verbuchen können. Im Mai hätte ich – würde die Bundesliga nicht weitergehen – fast nur ein Fünftel meines normalen Einkommens verdient, was noch nicht einmal meine Miete deckt. Jetzt, da die Bundesliga allerdings wieder startet, kann ich auch im Mai – wenn auch mit Abzügen – über die Runde kommen.

Wie stehen Sie persönlich zum nun anstehenden Wiederbeginn der Fußball-Bundesliga?

Aus wirtschaftlicher Sicht bin ich natürlich heilfroh, dass es weitergeht. Bei einem Abbruch hätte ich bis September nicht mehr arbeiten können. Jetzt aber gibt’s extrem viel zu tun. Es geht quasi von 0 auf 100.

Das heißt?

Dass ich in den nächsten zwei Wochen höchstens drei freie Tage habe und ansonsten täglich zehn bis elf Stunden rund um die Bundesliga arbeiten werde. Wenn es jetzt glatt weiterläuft, dann hat sich im Grunde nur die Sommerpause verschoben, und wir hatten nur ein kleineres Loch mit viel Freizeit und wenig Geld. Aber ich sehe das Ganze auch ähnlich kritisch wie viele meiner Kollegen und Freunde. Die Weiterführung hängt an einem seidenen Faden. Sie kann ja in zwei Wochen schon wieder enden...

...falls erneut Spieler positiv getestet werden?

Genau. Als Dynamo-Fan habe ich ja da leidvolle Erfahrung. Das kann natürlich auch bei anderen Vereinen passieren.

Inwiefern konnten und können Sie die Ausfälle kompensieren?

Es bleibt mir nicht anders, als darauf zu hoffen, dass mich meine aktuellen Auftraggeber weiterhin engagieren. Der eine ist dabei zuverlässiger und dankbarer als der andere.

Wie haben Sie zusätzliche Zeit genutzt, die Ihnen Corona beschert hat?

Tatsächlich habe ich mir so gut wie kein Relive-Spiel angeschaut, dabei gab es ja unzählige. Ich habe die Zeit jetzt auch als Chance gesehen, wieder anderen Dingen im Leben Aufmerksamkeit zu schenken. Im normalen Ablauf bekommt der Sport 99 Prozent meiner Aufmerksamkeit, nun war es mal wieder Zeit, Abstand zu gewinnen. Die Lust, jetzt wieder am Liveprodukt Fußball arbeiten zu können, ist aber riesengroß. Der Akku ist wieder voll.

Welche Lehren und Schlüsse ziehen Sie aus der derzeitigen Situation?

Als Freiberufler, aus der die Sportmedienlandschaft zu einem Mehrheitsteil besteht, verdient man in einem normalen Saisonablauf schon gutes bis sehr gutes Geld. Man muss dann aber auch über Winter- und Sommerpausen kommen, in denen man meistens wenig bis gar keine Einnahmen zu verbuchen hat. Da mich die Krise nun noch relativ am Anfang meiner Laufbahn überrascht hat, wurde mir gezeigt, wie wichtig es ist, sich Modelle für genau solche Zeiten zurechtzulegen. Es muss ja nicht immer ein Virus sein, der die Bundesliga stoppt. Ich habe aber auch gelernt, dass es im Leben noch viel wichtigere und größere Dinge als den rollenden Ball gibt. Zum Beispiel: Toilettenpapier.

Unsere Serie:

Wie geht’s Menschen, die den Sport von Berufs wegen verfolgen? In loser Folge stellen wir einige davon vor.

Aufrufe: 014.5.2020, 10:00 Uhr
Erdinger Anzeiger / Dieter PriglmeirAutor