2024-05-24T11:28:31.627Z

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Harmoniebedürftiger Defensivspezialist: Sebastian Ittlinger (links) beim Einsatz in der Reserve des SV Hohenlinden (BKlasse) in der Saison 2018/19 gegen den TSV Zorneding II (Maxi Ostner).
Harmoniebedürftiger Defensivspezialist: Sebastian Ittlinger (links) beim Einsatz in der Reserve des SV Hohenlinden (BKlasse) in der Saison 2018/19 gegen den TSV Zorneding II (Maxi Ostner). – Foto: Christian Riedel

Sebastian Ittlinger: „Erfolg und Spaß beißen sich nicht“

Verteidiger des FC Forstern in der Serie „Grenzgänger“ zu Gast

Sebastian Ittlinger spricht in der Serie „Grenzgänger“ über seine Transferentscheidung. Der Verteidiger wechselte vom SV Hohenbrunn zum FC Forstern.

Hohenlinden – Sechs Amateurfußballer, sechs Freunde, entscheiden sich im Sommer 2019 gemeinsam, ihren Herzens-, und größtenteils auch Heimatverein zu verlassen, um eine Spielklasse tiefer im Nachbarort anzuheuern. Ein vergleichbarer Vorgang fällt Sebastian Ittlinger, 25, in der Fußballregion um München, Ebersberg und Erding bis heute nicht ein.

Hauptsache, kicken mit den Kumpels!

Zumal das Sextett nur Tage zuvor mit dem SV Hohenlinden um nur einen Zähler die Aufstiegsrelegation für die Bezirksliga verpasst hatte. Warum kehrt ausgerechnet ein Abwehrchef und Mannschaftskapitän seinem „Heimatverein“ auf der Erfolgspur also den Rücken, ohne dass dabei finanzielle oder anderweitige Vorteile eine Rolle gespielt hätten?

Der Grundstein für diese Entscheidung, die der Hohenlindener auch fast zwei Jahre später als enorm schwierig, „aber letztlich als einzige Möglichkeit“ beschreibt, wird in seinen Bambini-Jahren rund um das Elternhaus in Pemmering in der Marktgemeinde Isen gelegt. Ittlingers Triebfeder, Vereinsmitglied zu werden und in jeder freien Minute den Bällen auf den Spielfeldern des TSV Isen zwischen Volksfestplatz und Flusslauf hinterherzujagen, ist der reine Spielspaß mit den Freunden. Als es einige von ihnen nach dem Kleinfeldbereich zur SpVgg Altenerding zieht, nimmt auch Ittlinger von da an die 20 Autominuten aus Pemmering zum Training in Kauf.

Hauptsache, kicken mit den Kumpels! Kumpels wie Andreas Maier, Valentin Katterloher oder Simon Haberl, die seit ihrer Altenerdinger Jugendzeit auf und neben dem Platz so gut wie unzertrennlich sind und von Erfolgen auf dem Rasen zusammengeschweißt werden, die sie in der A-Jugend bis in die Bezirksoberliga führen.

Sebastian Ittlinger: „Highlights waren für mich eigentlich immer die Aufstiegsspiele“

„Highlights waren für mich eigentlich immer die Aufstiegsspiele“, erklärt Ittlinger, dass er viel lieber als „Relegations-Meister“ aufsteigt. „Da ist am Ende die Freude einfach viel größer und nochmal richtig was los. Außerdem haben wir diese Spiele eigentlich immer gewonnen.“ Nach drei Schnupperjahren mit unregelmäßigen Einsatz-, dafür aber umso mehr Fahrtzeiten bei den Altenerdinger Kreisliga-Herren, folgen Ittlinger und Simon Haberl im Frühjahr 2015 dem Ruf ihrer Spezln, die inzwischen südlich der Landkreisgrenze beim SV Hohenlinden spielen. Ein sportliches Solo-Abenteuer kommt für den harmoniebedürftigen Defensivspezialisten nie in Frage, schon gar nicht Richtung München.

„Mein Gefühl war immer, je weiter man nach München reinkommt, desto schneller sind die Spieler der gegnerischen Mannschaften nach dem Abpfiff ihren eigenen Weg gegangen. In kleineren Vereinen wie Ebersberg, Anzing, Hohenlinden, ist mehr Vereinsleben“, sagt der 25-Jährige. „Fußballspielen definiert sich für mich aber auch im Herrenbereich dadurch, mit den Kumpels nach dem Spiel oder Training auch zum Kartenspielen sitzen zu bleiben.“

Sebastian Ittlinger: „Im Amateursport nicht alles auf Erfolg, sondern auf Gemeinschaft aufbauen“

Dieses Gemeinschaftsgefühl kann er auf Anhieb mit sportlichem Erfolg von zwei direkten Aufstiegen bis in die Kreisliga bei den Herlinern kombinieren. Anfangs unter SVH-Spielertrainer Robert Jovanovic, ab der Kreisliga dann unter der Regie von Fußballlehrer Ralf Santelli. Zu Ittlingers Überraschung lassen sich sein persönliches Credo, „Erfolg und Spaß beißen sich nicht!“, und Santellis professionelle Ansätze (unter anderem GPS-Tracking zur Spielerdatenerfassung in Spiel und Training) gut vereinbaren. „Der Spaß war im Training immer da und menschlich ist Ralf ein Top-Kerl. Alle haben zusammen funktioniert. Aber so wie es scheint, waren wir nicht schnell genug erfolgreich.“

Mit dem Abpfiff der Saison 2018/19 teilt Hohenlindens damaliger Vorstand und Finanzier, Ludwig Attenberger, einigen Spielern noch auf dem Rasen die einseitige Trennung von Santelli mit. „Wir hätten alle gerne mit Ralf weitergemacht und vielleicht hätte der Aufstieg irgendwann geklappt“, findet Ittlinger, „dass du im Amateursport nicht alles auf Erfolg, sondern auf Gemeinschaft aufbauen solltest“. Davon sei in Attenbergers Umstrukturierungsplänen zu wenig übrig geblieben.

Wochenlang wird im Mannschaftskreis heiß diskutiert. „Keiner wollte weg, alle sind dem Ort verbunden, niemand wollte die Leute im Stich lassen und am Ende wären die Wechsel fast sogar an mir gescheitert“, beteuert Ittlinger. „Aber wenn Trainer und Mannschaft so und fast komplett verändert werden und man sich fragt, wofür spiele ich eigentlich Fußball, dann war es wirklich die einzige Möglichkeit.“

Sebastian Ittlinger: „Das war ein schwieriger Zwiespalt, weil wir den Jungs in Forstern echt dankbar dafür sind, wie gut sie uns aufgenommen haben und eigentlich dachten, hier langfristig zu spielen“

Als Protestmarsch über die Landkreis- und Fußballgrenze zum Donau/Isar-Kreisklassisten FC Forstern will das SVH-Sextett seinen Wechsel nicht verstanden wissen. „Uns war es wichtig, als Freunde gemeinsam weiterzuspielen, ohne großen Fahrtaufwand.“ Das Nachbeben dieser deutlichen Botschaft löst in den darauf folgen Monaten eine Rücktrittswelle auf der SVH-Führungsebene aus, an deren Ende auch Attenberger sein Vorstandsamt niederlegt und Nachfolger Theo Falterer einen Kurswechsel einleitet. Derweil leben sich Ittlinger und Co. in Forstern gut ein, bis die Corona-Pandemie sowie die Rückkehr-Nachfragen aus Hohenlinden für den nächsten Umbruch sorgen.

„Das war ein schwieriger Zwiespalt, weil wir den Jungs in Forstern echt dankbar dafür sind, wie gut sie uns aufgenommen haben und eigentlich dachten, hier langfristig zu spielen“, sagt Ittlinger. Aufgrund der angespannten Personalsituation in „der Heimat“, habe man sich aber mit der FCF-Leitung auf einen Rückwechsel nach der laufenden Spielzeit verständigt. „Das ist keine Entscheidung gegen Forstern, sondern für Hohenlinden!“

Von der Rückkehr an den Wohnort und seine fußballerische Wahlheimat zum SVH, erhofft sich Sebastian Ittlinger unter dem neu verpflichteten Coach Thomas Spahr den „Spaß am Kicken“ und eine fruchtbare Nachführarbeit aus dem Jugendbereich, also der JFG Salzburg. „Dann ergibt sich der Erfolg am Ende von selbst.“

(Julian Betzl)

Neue Serie: Grenzgänger

Andere Kreise, andere Sitten – oder doch nicht? Der Landkreis Erding gehört zum BFV-Kreis Donau/Isar, Ebersberg überwiegend zum BFV-Kreis München. In loser Reihenfolge stellen wir Aktive und Ehemalige vor, die auf beiden Seiten gekickt haben.

Aufrufe: 03.4.2021, 12:05 Uhr
Erdinger Anzeiger / Julian BetzlAutor