2024-06-14T14:12:32.331Z

Querpass

Regenbogen- Rowdy

oder: Kann man sich Toleranz aussuchen?


Der Sommer ist berühmt für die Pride - Saison…Zu keiner anderen („Jahres“ - ) Zeit sind auf Deutschlands Straßen so selbstverständlich und zahlreich Regenbogenflaggen zu sehen, die eifrig und freudig von den Demonstrant*innen und Verfechter*innen geschwenkt werden. Wer selbst einmal einem solchen Event, meistens ist es der CSD - Christopher Street Day - beigewohnt hat, weiß, wie fröhlich und friedlich diese Veranstaltungen ablaufen. Neben zahlreichem Aufklärung - und Informationen - Material, das an den verschiedenen Ständen der einzelnen Beteiligten Instutitionen ausliegt, finden darüberhinaus auch spannende Veranstaltungen, Workshops Diskussionsrunden etc. statt, um sich dem Thema Toleranz und sexuelle Vielfalt zu nähern. Denn trotz zahlreicher (juristischer) Errungenschaften und Erfolge stellen Diskriminierungs - und Ausgrenzungserfahrungen betroffener Minoritäten im gesellschaftlichen Alltag keine Seltenheit dar.

Umso wichtiger, dass der Volkssport Fußball dieses Entwicklungsfeld für sich erkannt hat.

Und zwar in Vereinsperson des Vfl Wolfsburg, der eine hochinteressante Akzeptanz - Kampagne ins Leben gerufen hat: Der Verein hat sich zur frisch angelaufenen Bundesligasaison 2018/2019 teamübergreifend entschieden, die Spielführer*innen der jeweiligen Mannschaften mit einer Regenbogen - Kapitänsbinde auszustatten für ein "klar sichtbares Zeichen gegen Ausgrenzung und für Vielfalt im Fußball“. Der Regenbogen ist als ein Symbol der queeren Community zu verstehen und somit der Akzeptanz ihr gegenüber. Mit dieser bemerkenswerten Entscheidung ist der Vfl Wolfsburg um Geschäftsführer Jörg Schmadtk der Idee seiner Bundesligakapitänin Nilla Fischer gefolgt, die dieses Bekenntnis schon seit März letzten Jahres sich auf den Leib verschrieben hatte und nun an allen Wolfsburger*Innen verwirklicht sehen wollte.

Da verwundert es einen schon, dass in vermeintlich so aufgeklärten Zeiten wie diesen, ein Spieler aus den eigenen Reihen auf sozialen Medien auf ganz (un-) geschickte Weise vermag, sich zu diesem Anliegen des Vereins kritisch zu äußern.

Brekalo hatte negative Reaktionen auf die Ankündigung des Vereins mit einem Like versehen. Er war also immerhin so klug (oder feige?) persönlich keine direkte Stellungnahme zu formulieren.

Ein Nutzer äußerte sich bei Instagram: "Sieht echt scheisse aus. Der arme Joshua" – und damit bezog sich der User auf den abgebildeten Kapitän Josuha Guilavogui mit der Binde in den Farben der Regenbogenflagge. Der andere Kommentar, der Brekalos Zustimmung gewann, zeigte schlicht einige kotzende Smileys.

Während sich der erste Kommentar auf ein vermeintlich ästhetisches Urteil erstreckt (und über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten), lässt der zweite Kommentar natürlich bewusst wesentlich mehr Bedeutungsspielraum. Ist die Optik „zum Kotzen“ oder die gesamte Akzeptanz - Kampagne?“

Natürlich ließen Reaktionen aus der Öffentlichkeit nicht lange auf sich warten, und zwangen den 20-Jährige zu einer eindeutigen Stellungnahme. Er erklärte diese Likes mit einer vermeintlichen Fehlfunktion seines Smartphones – und zeigte ein Screenshot-Video, das sein Handy beim Öffnen von Fenstern und zufälligen Liken von Einträgen ohne sein Zutun zeigen soll.

Dass aber ausgerechnet nur diese beiden Kommentare von dem außer Rand und Band geratenen Handy gekennzeichnet wurden, erscheint nicht gerade glaubwürdig. Und ein solch technischer „Defekt“ lässt sich für Vorführzwecke problemlos schnell ins Leben rufen. Denn in seiner Stellungnahme führt er weiter aus: "Ich würde solche negativen Kommentare nie liken, weil ich alle Menschen und ihre Art zu leben respektiere. Trotzdem muss ich aber auch sagen, dass ich nicht vollständig hinter dieser Aktion stehen kann, denn es widerspricht meiner christlichen Überzeugung.“ Der Katholik verwies darauf, dass er "sehr religiös erzogen worden" sei. "Wenn jemand eine andere Art zu leben bevorzugt, dann ist das okay für mich, weil das seine Sache ist. Aber ein spezielles Symbol für die Einstellung anderer Leute muss und möchte ich nicht tragen.“

Wenn man solche Zeilen liest, fragt man sich doch schnell, was für eine Definition von „Respekt“ seiner Verwendung des Wortes zugrunde liegt. Denn so, wie er es ausführt, handelt es sich dabei nur um eine Schein . Toleranz. Ein selektives Kriterium, das so lange gilt, bis er davon nicht betroffen ist. Das ist aber genau das Gegenteil von Akzeptanz und Toleranz, die ja die Annahme des Anderssein unabhängig der eigenen Wert - Vorstellungen und Lebens - Entwürfe impliziert und darüberhinaus eine Gleich - Behandlung postuliert, die sich in einer solch infantil - ego - zentrischen Auslegung („weil das seine Sache ist“) kaum wiederfindet.

Auch zeigt die Betonung der bewusst formulierten Abgrenzung „die Einstellung anderer Leute“, dass er das grundsätzliche Anliegen des Symbols nicht im Ansatz verstanden hat, in dem sich ja allgemeingültige Werte widerspiegeln, die ihm eigentlich auch sein christlicher Erziehungshintergrund hätte mitgeben müssen: Nächsten - Liebe, Güte, Menschlichkeit etc.

Dass gerade den Aspekt der Nächstenliebe katholische Priester in der Vergangenheit sehr kritisch auf ihre eigene Weise ausgelegt haben, und somit ein sehr dunkles unrühmliches Kapitel der Kirche geprägt haben, kann gewiss zu homophoben Einstellungen unter den (betroffenen) Glaubensbrüdern geführt haben, die nachvollziehbar sind, aber auch therapierbar.

Vielleicht würde Jospi Brekalo, der selbst ein kroatischer Landsmann ist, die Grenzen seiner Argumentation begreifen, wenn man den Spieß umdrehen würde. So ließe sich ähnliches Gerüst aufziehen zu einer Anti - Rassismus - Kampagne: Ich bin mir sicher, er wäre einer der ersten (und völlig zu Recht), die entsetzt aufschreien würden, wenn sich ein Spieler zu so einem Bekenntnis ähnlich wie Brekalo äußern würde: „Aber ein spezielles Symbol für Menschen, die nicht aus Deutschland kommen, muss und möchte ich nicht tragen. und weiter: Sie können ja gerne Fußball spielen, aber bitte nur dort, wo ich es nicht sehe!“

Es kann und wird niemandes ausschließlich eigene Sache sein, sobald das Individuum in einen gesellschaftliche Kontext eintritt. Und die Gesellschaft befindet sich ja auch im ewigen und ständigem Wandel. Ereignisse dieser Art sind ein Zeugnis dieser Bewegung. Anstatt also wie ein kleines trotziges störrisches Kind die Augen davor zu verschließen, sollte Brekalo dieser unheimlich (un-) angenehmen Wahrheit ins Auge blicken und sich mit ihr anfreunden.

Eine gute Möglichkeit wäre es aus Vereinssicht und als kleine Fußball - pädagogische Maßnahme, ihn zum Nachdenken ein Spiel auf die Bank zu Verbannen und anschließend Brekalo beim darauffolgenden Spiel zum Interims - Kapitän zu befördern, sodass er gezwungen ist, dieses Band zu tragen. Vielleicht wird es ihm dann leichter fallen, die Worte des Kapitäns Josuha Guilavogui, dem aus Frankreich stammende Spieler mit guineischen Wurzeln, hautnah zu er - leben:

„Wir Fußballer sind Vorbilder und wollen mit dem Regenbogen zeigen, dass bei uns im Stadion und im Verein alle willkommen sind (…) Es ist egal, welche Hautfarbe oder welches Geschlecht du hast, wen du liebst, ob du ein körperliches Handicap hast oder welchen Glauben du hast – Fußball ist für alle da.“



Bilduelle: https://twitter.com/VfL_Wolfsburg vom 24.08.2018
Aufrufe: 028.8.2018, 22:01 Uhr
Nicu BurgheimAutor