2024-05-24T11:28:31.627Z

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„Ich bin kein Mensch, der wegläuft. Ich stelle mich der Herausforderung und ich glaube, wir können das schaffen“, sagt Orhan Akkurt, der unverhofft zum Cheftrainerjob in Pullach gekommen ist.
„Ich bin kein Mensch, der wegläuft. Ich stelle mich der Herausforderung und ich glaube, wir können das schaffen“, sagt Orhan Akkurt, der unverhofft zum Cheftrainerjob in Pullach gekommen ist. – Foto: Robert Brouczek/Archiv

Orhan Akkurt in seinem ersten Jahr als Trainer: „Wie hilflos man dann da draußen steht“

Der Feldkirchner über sein turbulentes Jahr beim SV Pullach

Orhan Akkurt erlebt in seinem ersten Jahr als Trainer mit dem SV Pullach eine äußerst schwierige Saison. Der 36-Jährige gibt trotzdem nicht auf und stellt sich der Aufgabe.

München – Kälter hätte das Wasser nicht sein können, in das Orhan Akkurt geworfen wurde: Der langjährige Top-Torjäger des gehobenen Amateurfußballs – mit den Stationen FC Ismaning und SV Heimstetten – wollte nach dem wegen Corona ungewollt stillen Ende seiner aktiven Laufbahn beim Bayernligisten SV Pullach eigentlich Spielertrainer Alexander Benede unterstützen.

Doch der verkündete nach der ersten Partie seinen Abschied und Akkurt fand sich sofort in der Rolle des Chefcoaches wieder. Danach hatte der 36-jährige Feldkirchner mit einer erheblichen Verletzungsmisere in seinem Kader zu kämpfen. Den Absturz der Raben auf den letzten Platz konnte er jedoch nicht verhindern. Im Gespräch blickt Akkurt auf das turbulente Jahr zurück und verrät, was ihm Hoffnung auf den Klassenerhalt macht.

„Die Zeit zu lernen habe ich jetzt nicht. Ich muss mich irgendwie freischwimmen.“

Orhan Akkurt über seine schnelle Berufung zum Chefcoach.

Wenn Sie zurückblicken: Mit welchen Erwartungen, was den Fußball betrifft, sind Sie ins Jahr 2021 gegangen, das Sie ja noch als aktiver Spieler begonnen haben?
Eigentlich wollte ich einen schönen Abschluss als Spieler haben. Es war ja meine erste Saison in Ismaning, und ich wollte ursprünglich schon 2020 aufhören und in die Trainerschiene reinkommen, aber wegen der Saisonverlängerung durch Corona habe ich dann doch noch länger gespielt. Das mit dem schönen Abschluss war dann wegen Corona sehr schwierig, aber ich habe es so hingenommen.

In die Trainerschiene sind Sie dann ziemlich schnell gekommen: Nach nur einem Spieltag als Co-Trainer waren Sie beim SV Pullach nach Alexander Benedes plötzlichem Abschied gleich Chefcoach.
So wie es gelaufen ist, war es nicht geplant und auch nicht meine Wunschvorstellung. Ich bin da reingeschlittert. Und ich bin Theo Liedl und dem SV Pullach auch dankbar für das Vertrauen. Aber eigentlich wollte ich erst einmal Erfahrung sammeln und mir anschauen, wie die Abläufe sind. Die Zeit zu lernen habe ich jetzt nicht. Ich muss mich irgendwie freischwimmen.

Dachten Sie, dass die Aufgabe so schwierig wird?
Das Problem ist, dass ich ein bisschen überrumpelt wurde. Es war nicht absehbar, wie es läuft. Sonst hätte ich es mir dreimal überlegt. Ich bin nicht so vermessen zu glauben, dass ich der Heilsbringer bin und das mal so wuppe. Da gehört ja einiges an Erfahrung dazu.

„Ich stelle mich der Herausforderung und ich glaube, wir können das schaffen.“

Orhan Akkurt über den Abstiegskampf mit dem SV Pullach.

Hat Sie am Job des Cheftrainers irgendetwas überrascht, ein Aspekt, den Sie trotz Ihrer langen Spieler-Karriere nicht erwartet hatten?

Ich hatte in meiner Laufbahn viele gute Trainer und die meisten davon habe ich kontaktiert. Die haben mir schon Tipps gegeben, ich wusste, was auf mich zukommt. Aber meine Wunschvorstellung vom Trainerjob war komplett anders: Den Kader planen und zusammenstellen, über Ziele sprechen, die Grundsteine legen. Das ist in Pullach nicht gegangen, da war ich nicht involviert. Sonst wären gleich andere Maßnahmen ergriffen worden. Man muss sich ja vorstellen: In der abgebrochenen Coronasaison war Pullach mit Alex Benede und Michael Hutterer, zwei herausragenden Spielern, auf dem vorletzten Platz. Und dann fallen diese beiden weg. Solange der Kader vollzählig war, habe ich es noch geschafft, das zu kommunizieren. Aber dann wird es schwierig.

Das ist die spezielle Pullacher Situation. Aber gibt es allgemein eine Herausforderung, mit der Sie nicht gerechnet hatten?
Ich habe mit vielen Trainern eng zusammengearbeitet und gesehen: Ein guter Trainer hat ein Gespür für die Mannschaft. Und ich glaube, ich habe schon ein bisschen ein Gespür. Aber, was ein Trainer von außerhalb gar nicht beeinflussen kann, ist, wenn ein Spieler zum Beispiel aufs Tor zuläuft und ausrutscht oder einfach das Tor nicht macht. Wie hilflos man dann da draußen steht: Das habe ich schon unterschätzt.

Sehen Sie die momentane Situation als Möglichkeit, gleich im ersten Trainerjob wertvolle Erfahrungen zu sammeln, oder haben Sie eher Angst, dass der Misserfolg ein Hemmschuh für die weitere Karriere sein könnte?
Es wäre vielleicht für mich das einfachste, im Winter aufzuhören, und zu sagen, ich habe das nur interimistisch gemacht, um meinen Namen zu schützen. Aber ich bin kein Mensch, der wegläuft. Ich stelle mich der Herausforderung und ich glaube, wir können das schaffen. In der Rückrunde muss dann aber auch meine Handschrift erkennbar sein.

„Gott sei Dank kommt er. Da werden sich sicher einige reiben, aber so einen brauchen wir.“

Orhan Akkurt über die Verpflichtung von Daniel Steinacher.

Braucht der SV Pullach personelle Verstärkung, um da unten rauszukommen?
Zumindest ist die Kaderzusammenstellung nicht so gut gelaufen. Mit Alex Benede als Spieler war ein Leitwolf weg, dann musst du Martin Bauer nach hinten ziehen, weil er dann noch der einzige erfahrene Führungsspieler ist. Er fehlt dann aber vorne. Du brauchst ein Grundgerüst an Alphatieren, die den jungen Spielern vorleben, dass es um einfache Dinge geht und darum das Spiel zu gewinnen und nicht darum, gut auszuschauen. Wir haben Supertalente, die einmal richtig gute Bayernligaspieler werden können, aber nur, wenn sie zwei, drei Leute haben, von denen sie das lernen können.

Mit Daniel Steinacher steht ein erfahrener Neuzugang ja schon fest. Werden weitere folgen?
Gott sei Dank kommt er. Da werden sich sicher einige reiben, aber so einen brauchen wir. Denn wir sind im Grunde eine U21, die nicht aus einem Nachwuchsleistungszentrum kommt. Ansonsten sind wir auf der Suche und auch in Gesprächen. Aber es ist im Moment leider nicht so, dass du sagst: Es sieht gut aus. Wir hoffen, im Januar ergibt sich noch etwas. Vincent Traub kommt zurück (der Mittelfeldspieler war für ein Studiensemester im Ausland – d. Red.), aber du kannst deine Hoffnungen ja nicht auf einen 20-Jährigen setzen. Und in der Offensive bräuchten wir noch Unterstützung für Gilbert Diep.

Was macht Ihnen Hoffnung, dass der SV Pullach die Klasse hält?
Dass ich die Vorbereitung diesmal komplett selber in der Hand habe und die Grundlagen legen kann.

Das Gespräch führte Umberto Savignano.

Aufrufe: 011.1.2022, 07:54 Uhr
Umberto SavignanoAutor