2024-04-30T13:48:59.170Z

Interview
2016 war Jürgen Baier der Trainer von Viktoria Aschaffenburg - heute ist er Coach bei Bezirksligist Hösbach-Bahnhof.
2016 war Jürgen Baier der Trainer von Viktoria Aschaffenburg - heute ist er Coach bei Bezirksligist Hösbach-Bahnhof. – Foto: Michael Buchholz

"Nie wäre mir ein Abschied leichter gefallen als 2020!“

Fränkische Trainer-Ikone Jürgen Baier im Interview über Corona, seine Söhne und ihre Weihnachtstraditionen

Er war selbst einst Profi, ist bis heute Trainer und auch sein Nachwuchs ist auf dem Platz erfolgreich: Jürgen Baier und der Fußball scheinen unzertrennlich. Nun hat der 62-Jährige ein Jahr hinter sich, in dem er weitestgehend auf das runde Leder verzichten musste. Im Interview mit FuPa-Reporter Kilian Amrhein spricht der Bezirksliga-Coach über 2020, seine Söhne Daniel und Benjamin sowie die Weihnachtstradition im Hause Baier…

FuPa: Herr Baier, Hand aufs Herz: Standen Sie schon mal weniger auf dem Fußballplatz als 2020?
Jürgen Baier:
Nein, das war auch für mich alten Hasen neu! (schmunzelt) Es war schon ein bitteres Jahr: Man bereitet sich monatelang vor und dann darf man kaum spielen. Wenn ich ehrlich bin: Nie wäre mir ein Abschied leichter gefallen als 2020. Da macht man sich schon Gedanken über ein Karriereende.

Wieso?
Ich habe da über die Zeit viel Distanz entwickelt, der Kontakt zum Team ist kaum da. Fußball spielte kaum eine Rolle. Ich habe mich da als Trainer auch teilweise überflüssig gefühlt. Aber als es im Herbst dann wieder losging, war die Freude und das Feuer zurück. Es macht noch immer richtig Spaß!

Schon seit November ist nun aber wieder Lockdown. Haben Sie Ihren Spielern der SpVgg Hösbach-Bahnhof Trainingspläne für die Pause mitgegeben?
Aktuell nicht, nein. Die müssen jetzt selbst dranbleiben. Und das machen sie auch, man sieht sie immer wieder mal in Hösbach in Kleingruppen laufen. Wir haben so viele hungrige junge Spieler, da kann sich keiner ausruhen. Wenn jemand beim Re-Start nicht fit ist, ist direkt ein Ersatzmann zur Stelle. Wenn es in Richtung Runde geht, werde ich ihnen aber schon auch wieder Pläne mit auf den Weg geben.

Sie sprechen vom Re-Start, der scheint derzeit aber noch weit entfernt. Gerade gestaltet sich ja sogar die Weihnachtsplanung mit der Familie schwierig, oder?
Klar, das ist schade. Auch bei uns zuhause ist alles anders. Am 23. Machen wir normal immer eine Apres-Ski-Feier und am Weihnachtsmorgen gehe ich mit beiden Söhnen sowie Freunden nochmal Kicken – das ist schon seit 20 Jahren so. In diesem Jahr muss das ausfallen: Daniel sehe ich gar nicht, wir können uns nur mit Beni treffen. Aber meine traditionelle Hochzeitssuppe mit Pfannkuchen und Leberknödeln werde ich trotzdem kochen! (lacht)

Von 2010 bis 2020 war Daniel durchgehend für den FC Augsburg am Ball.
Von 2010 bis 2020 war Daniel durchgehend für den FC Augsburg am Ball. – Foto: Pressefoto Eibner

Zu diesem Jahr der Veränderung, wie es oft betitelt wurde, passt schon fast, dass Ihr Sohn Daniel Baier nach 302 Bundesliga-Spielen seine Karriere beendet hat. Macht Sie der Schritt traurig?
Ganz ehrlich, im ersten Moment schon. Für mich und Beni war das am Anfang gar nicht so leicht, das Karriereende kam so schnell. Aber Daniel hat sich damit super abgefunden, auch wenn ich ihm vielleicht noch ein bis zwei Saisons zugetraut hätte - er war ja brutal fit. Allerdings haben all die Jahre im Profi-Sport gezehrt. Er kann also sehr stolz sein, ich bin es auf alle Fälle. In Augsburg ist er nach Helmut Haller eine der größten Fußball-Ikonen: Wenn man dort mit ihm unterwegs ist, kommen ständig Kinder und wollen Autogramme.

Wirkt da die Karriere Ihres Sohns Benjamin manchmal klein im Vergleich?
Nein, auch da sind wir extrem stolz. Für den ganz großen Wurf hat es nicht gereicht, was aber vor allem an Verletzungen lag. Ich kann den Knall noch genau in meinen Ohren hören, als ihm in seiner Zeit bei Offenbach als junger Spieler das Kreuzband gerissen ist. Er hatte viel Pech, das ist sehr schwer aufzuholen. Trotzdem war er ja lange Profi und ist ein super Führungsspieler.

Wie hat er sich nach seinem Wechsel zur Viktoria gemacht?
Ich finde super! Am Anfang waren die Erwartungen sehr hoch, aber mit der Zeit ist er echt angekommen, ist in der Hierarchie ganz vorne dabei. Ich fiebere da ja auch mit, meine Frau und ich sind immer wieder im Stadion am Schönbusch. Das ist der Vorteil an Daniels Karriereende, jetzt müssen wir uns nicht mehr entscheiden. (schmunzelt) Ich schaue bei Beni echt gerne zu – außer er tritt wieder mal einen Gegenspieler um, da muss ich mir die Augen zuhalten. (lacht)

Benjamin Baier ist seit 2019 einer der Leader beim SVA!
Benjamin Baier ist seit 2019 einer der Leader beim SVA! – Foto: Klaus Rainer Krieger

Apropos Viktoria: Wie sehen Sie hier allgemein die Entwicklung seit Ihrem Abgang 2016?
Super gut! Wegen Beni halte ich natürlich immer für den SVA. Das Umfeld hat sich im Vergleich zu früher beruhigt und der Kader ist auch in der Breite super, kaum zu vergleichen zu damals. Sie haben mit Birk im Tor, Schmidt in der Abwehr und Baier im Mittelfeld eine tolle Erfolgsachse. Selbst den Schnitzer-Abgang haben sie kompensiert. Dass es mal derart gut laufen würde, hätte ich der Viktoria so schnell nicht zugetraut. Jetzt sprechen viele aber schon wieder von Profi-Fußball und der 3. Liga, das muss man abwarten. Da müssten auch die Geldgeber mitziehen. Wäre aber natürlich eine großartige Sache!

Gehen wir mal von der Vergangenheit in die Zukunft: Was sind Ihre Ziele 2021?
Ich habe den Jungs in Hösbach-Bahnhof schon gesagt, dass wir uns auf Dauer ganz oben orientieren wollen. Das gilt allgemein für die Region: Wir haben hier viele gute Teams in der Bezirksliga, das ist auch wunderbar mit den Derbys. Aber wäre doch super, wenn jetzt der nächste Schritt in die Landesliga gelingt. Wir haben sicher eine Mannschaft mit ganz viel Potenzial, da geht in den nächsten Jahren was!

Nach Karriereende hört sich das bei Ihnen dann also doch noch nicht an!
Auf keinen Fall! Ich fühle mich fit und habe Spaß dabei. Vor allem bewege ich mich dadurch auch, wenn ich ab und an mittrainiere. Aktuell kann ich ja nur Fahrrad fahren, auch mein Alt-Herren-Kick freitags fällt aus. Ich bin einfach froh, wenn wir wieder auf dem Trainingsplatz stehen.

Aufrufe: 024.12.2020, 07:00 Uhr
Kilian AmrheinAutor