2024-05-24T11:28:31.627Z

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"Nach dem Abpfiff haben wir uns aber immer wieder umarmt": Früher war Gökhan Cakmak auf dem Feld oft noch sehr ungestüm, heute versucht er, sich besser im Griff zu haben. Foto: Michael Müller
"Nach dem Abpfiff haben wir uns aber immer wieder umarmt": Früher war Gökhan Cakmak auf dem Feld oft noch sehr ungestüm, heute versucht er, sich besser im Griff zu haben. Foto: Michael Müller

Mit anderen Augen

Nürnbergs Fußballer - Folge 6: Eyüp Sultans Gökhan Cakmak lebt seinen Sport nun etwas ruhiger

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Nürnbergs Fußballer, das sind kleine und große Geschichten, die der Amateurfußball schreibt. In unserer Serie sammeln wir sie — vom Knoblauchsland bis zum Fernsehturm. Diesmal: Gökhan Cakmak von Eyüp Sultan

Eigentlich ist an all dem seine Mutter schuld, sagt Gökhan Cakmak. Die war es ja schließlich, die ihn damals zum Fußball schickte, damit der kleine Gökhan sich ein wenig mehr bewegt. „Das habe ich dann aber gar nicht“, sagt er heute und lacht. Auf dem Fußballplatz stand Gökhan Cakmak dann vor allen Dingen herum, er ist ein gemütlicher Mensch, und versuchte sich so wenig wie möglich bewegen zu müssen. Deshalb haben sie ihn dann auch irgendwann ins Tor gestellt.

Da war er gut, sogar herausragend gut: Ab der D-Jugend Kreisauswahl, später sogar Regionalauswahl, Jugend-Bayernliga, Bayerischer Hallenmeistertitel mit dem SC 04 Schwabach. Doch eben auch dieser Ärger mit seiner Ehefrau, an dem streng genommen eigentlich auch seine Mutter Schuld ist: „Meine Frau meckert immer, dass sie all die schmutzigen Sachen von mir waschen muss. Aber so ist das nunmal als Torwart.“

Gut, Manfred Gügel hätte das alles noch verhindern können, damals, in der F-Jugend beim SV 73 Süd. Die Eltern hatten beruflich bedingt wenig Zeit für den kleinen Gökhan. Wenn er um 16 Uhr aus dem Kindergarten kam, stand deshalb Manfred Gügel vor der Tür. Er hat Gökhan dann mit ins Training genommen, er selbst war ja der Trainer. „Er hat mich dann auch irgendwann ins Tor gestellt.“

Gökhan war so gut, dass bald sogar der 1. FC Nürnberg anfragte, die Spielvereinigung Greuther Fürth. „Das war meinen Eltern aber noch zu früh.“ Es war vielleicht gut so, denn wenig später hörte Gökhan plötzlich auf zu wachsen. Einfach so. „Ich bin heute noch so groß, wie ich es damals in der C-Jugend war“, sagt er. Nicht optimal für einen Torwart, aber darüber machte er sich damals gar keine Gedanken. „Ich hatte nie Zweifel an meiner Leistung, egal, wie groß oder klein ich bin.“

Über die SG 83 ging es nach Schwabach, Cakmak hütete dort die Tore der Jugend-Bayernliga. Es kam nicht mehr Gügel mit dem Auto, dafür waren es nur fünfzehn Minuten mit der S-Bahn zum Bahnhof. „Es war meine beste Zeit als Fußballer“, sagt Gökhan Cakmak, dort spielte er auch mit Edisan Berisha zusammen, der ihn für diese Serie vergangene Woche empfahl. „Wir waren schon immer gute Freunde, auch wenn es ganz früher noch Hassspiele gab – er bei der SG, ich bei Süd. Nach dem Abpfiff haben wir uns aber immer wieder umarmt.“

Bei Rückstand sieht er Rot

Ohnehin ist Gökhan Cakmak kein einfacher Mensch auf dem Fußballplatz. Immer wieder brennen ihm die Sicherungen durch. Bei Rückstand sieht er oft Rot, wie er sagt, bricht Gegenspielern bei überharten Zweikämpfen das Jochbein, das Schienbein. „Ich habe mir damals keine Gedanken darum gemacht“, sagt er. Sicher, er ist ins Krankenhaus gefahren, hat sich entschuldigt. Gökhan Cakmak besitzt auch einen Schiedsrichter-Schein, müsste er sich selbst pfeifen zu dieser Zeit, sagt er, wäre das eine Katastrophe geworden. „Ich hätte mich am Anfang gleich verwarnt, dann wäre es vielleicht gut gegangen.“

Erst als er sich selbst eines Tages in einem Zweikampf mit einem Stürmer schwer verletzt, sich alle Bänder im Knie reißt, den Meniskus zerquetscht, beginnt Gökhan Cakmak im Krankenhaus nachzudenken. Vier Operationen muss Cakmak über sich ergehen lassen, er kann eineinhalb Jahre lang nicht mehr Fußball spielen. „Ich bin jetzt ruhiger geworden“, sagt er, „ich sehe die Welt mit anderen Augen.“ Die Gegenspieler haben ja vielleicht auch eine kleine Familie. Cakmak versteht nun, was er eigentlich angerichtet hat, all die Jahre. Acht Rote Karten, alle wegen groben Foulspiels, hat er bis dahin gesammelt.

Ab sofort lässt er „das unnötige Getrete“ sein, sagt er, er fällt trotzdem sofort auf, wenn man ein Spiel von Eyüp Sultan, seinem derzeitigen Verein, besucht: Cakmak ordnet lautstark die Abwehr, lobt, kritisiert, teilt Gegenspieler zu. Mal auf Türkisch, mal auf Deutsch. Mal beides. Danach ist er immer ein paar Tage lang heiser. „Die Jungs nervt das nicht“, glaubt er, „die sind froh darüber. Sie haben ja hinten keine Augen.“

Gökhan Cakmak fühlt sich derzeit wohl bei Eyüp Sultan, viele Spieler sind hier, mit denen er einst in der Süder Jugend kickte. In der Moschee der gleichnamigen Gemeinde hält er sein Freitagsgebet. Seine sportliche Heimat bleibt trotzdem der SV 73 Süd, der Verein, wo Manfred Gügel soviel für ihn tat. Und Cakmak kann vergleichen, er hat bei allen türkischstämmigen Vereinen Nürnbergs gespielt – bis auf Dergahspor. Er war bei Johannis 88, bei der SG 83, in Schwabach, beim ASV Fürth. Manchmal fühlte er sich eine Zeit lang wohl, manchmal kam er auch plötzlich nicht mehr, weil der Trainer nicht mehr auf ihn setzte. Beim Fußball ist er trotzdem immer geblieben, auch nach seiner schweren Verletzung, als seine Ehefrau am Spielfeldrand mitansehen musste, wie er unter größten Schmerzen litt. „Das hat sie sehr am Herzen getroffen“, sagt er.

Doch auch sie liebt zum Glück den Fußball, trotz der schmutzigen Hosen und Trikots in der Wäsche. „Manchmal ist meine Seite des Bettes mit Galatasaray-Wäsche bezogen, ihre mit Besiktas“, sagt Gökhan Cakmak. Bis dorthin hat es für ihn nicht gereicht. Ist nicht schlimm, sagt er, „ich wäre ja sowieso viel zu faul gewesen.“

Gökhan Cakmak spielt den Ball natürlich zum SV 73 Süd, der bekanntlich mit dem ATV Frankonia fusionierte. „David Gügel ist der treueste Süder, den ich kenne“, sagt Cakmak.

Aufrufe: 021.10.2015, 06:21 Uhr
Christoph Benesch (Nürnberger Nachrichten)Autor