2024-06-17T07:46:28.129Z

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"Mein größter Wunsch ist es, mit meinem Sohn zu spielen"

Christian Greve, langjähriger Spieler des SV Horst 08 und bis zuletzt Trainer der U19 des SC Hassel, ist zu Gast im FuPa-Kabinengespräch

Im Gelsenkirchener Amateurfußball ist der Name "Christian Greve" bekannt. Der ...-Jährige spielte über zwanzig Jahre für den SV Horst 08 und war als harter aber fairer Innenverteidiger bei den Fans beliebt. Auch im Jugendfußball war er über zehn Jahre aktiv, doch nach Stationen bei der SpVgg Erle 19, Horst 08 und dem SC Hassel ging dieses Kapitel nun am vergangenen Wochenende zu Ende.

Nach über zehn Jahren endete deine Zeit als Jugendtrainer am vergangenen Sonntag mit dem Sieg deiner U19 des SC Hassel bei Viktoria Resse (2:0). Wie fühlt sich das an?

Christian Greve: Ich habe auf jeden Fall Tränen in den Augen. Ich konnte das zwar am vergangenen Sonntag noch nicht wirklich ausdrücken, weil das alles etwas schnell ging. Aber das wird spätestens am Freitag bei unserem Saisonabschluss kommen. Es ist mir halt eine Herzensangelegenheit, denn ich war auf jeden Fall immer bei der Mannschaft. Wenn dann von dem einen auf den anderen Tag alles vorbei ist, tut das schon sehr weh. Und als dann noch mein Trainerkollege Martin mit dem Abschluss-T-Shirt kam, musste ich schon echt schlucken. Das war krass.

Während deiner Zeit bei der SpVgg Erle 19, dem SV Horst 08 und nun dem SC Hassel waren deine Frau Alexandra Greve und dein Trainerpartner Martin Schmidtke treue Begleiter. Was schätzt du an diesem Trainer- und Betreuerteam?

Martin ist ein Typ, auf den du in jeder Lage setzen konntest. Er hat dir immer - ob in spielerischer oder menschlicher Hinsicht - einen richtig guten Tipp gegeben. Wenn es mal Ärger gab, hatte er immer eine gute Idee, wie wir die Sache lösen können. Ob bei Erle 19, in Horst oder jetzt bei Hassel, er wusste stets, wie man reagieren muss. Und auch Alex als Betreuerin ist, wie schon meine ehemaligen Mitspieler in Horst gesagt haben, unbezahlbar. Die "Mutter der Nation" macht und tut und ist immer auch verbal dabei, wenn ihren "Kindern" wehgetan wird. Davor muss man wirklich den Hut ziehen. Du kannst dich stets auf sie verlassen und sie selbst nachts anrufen, sie ist sofort da.

Warum hast du dich derart lange als Coach dem Jugendfußball gewidmet? War nicht auch der Wunsch da, im Herrenbereich an der Seitenlinie zu stehen?

Ich bin dazu gekommen, weil ich bei Erle 19 gefragt wurde, ob ich bei meinem eigenen Sohn nicht Trainer werden möchte. Wenn Fußball deine Leidenschaft ist, ist es natürlich toll, deinem Sohn beim Fußballspielen zuzuschauen und ihn dann noch zu trainieren. Als ich dann vom Alter her in den 30er-Bereich gekommen bin, wurde ich aber beispielsweise auch von Thorsten Hildebrand, dem Trainer der Zweiten in Horst, gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, sein Co-Trainer zu werden. Aber mir hat das Fußballspielen damals noch richtig Spaß gemacht und ich wollte deswegen noch nicht alles aufgeben. Er wollte zwar, dass ich komplett aufhöre, aber ich war dazu noch nicht bereit, weil ich mich zu fit gefühlt habe. Außerdem musste ich bedenken, dass ich, wenn ich im Seniorenbereich tätig bin, vielleicht meinem Sohn nicht mehr zuschauen kann. Seniorenfußball ist zwar schön, aber ich komme jetzt noch dahin. Irgendwann ist der Jugendfußball vorbei und dann möchtest du auch mal mit Männern arbeiten. Mal schauen, in welche Richtung das jetzt läuft. Mein größter Wunsch ist es auf jeden Fall, einmal mit meinem Sohn zusammen zu spielen.

Du spielst seit 1994 beim SV Horst 08 und bist nun in der Altherrenmannschaft aktiv. Was bedeutet dir dieser Verein nach all' den Jahren?

Horst 08 ist meine Liebe. Ich kann für jeden Verein Trainer sein, wenn es mir gefällt und alles passt, aber spielen würde ich für keinen anderen Klub. Ich hätte damals in der Jugend schon höher spielen können, aber ich wollte es nicht, weil ich immer auf Kameradschaft stand. Ich wollte immer da kicken, wo meine Kollegen auch waren. Deshalb bin auch nach Horst 08 gegangen, denn das haben alle meine Kollegen vom STV Horst-Emscher auch gemacht. Ich habe mit Null-Acht so viele Erfolge gefeiert, auch wenn ich nicht den großen Sprung nach oben gemacht habe. Mir war es wichtiger, auch mal nach dem Spiel zusammen in der Kabine zu sitzen, ein Bierchen zu trinken und gemeinsam zu lachen. Freitags haben wir beispielsweise mal einen Pool in der Kabine aufgebaut und darin geplantscht. Solche Sachen vergisst du halt nicht. Mein Herz hängt an Horst 08 und das wird auch immer so bleiben. Mit dem Verein verbinde ich zudem Erinnerungen an meine 2012 verstorbene Mutter. Bei jedem Heimspiel hat sie immer an der gleichen Stelle gestanden und auf mich gewartet. Sie hat mich in den Arm genommen, mich bei Niederlagen aufgebaut und bei Erfolgen gelobt. Das hat mich sehr stolz gemacht.

Endgültig kann Christian Greve die Fußballschuhe nicht an den Nagel hängen. Er läuft immer noch für die Altherrenmannschaft der Null-Achter auf.

Dann war die Freude über den Aufstieg deiner ehemaligen Kollegen im Aufstiegsspiel gegen den VfB Kirchhellen sicherlich groß, oder?

Ja, klar. Ich habe mit einem Teil der Mannschaft noch selber zusammengespielt, als ich 2011 in die Zweite gegangen bin. Da kamen viele Jugendspieler hoch, wie Rico Kleinert, Marvin Wieczorek und Marcel Malina um nur einige zu nennen. Daher hat mich der Aufstieg natürlich umso mehr gefreut. Die Zweite hat schon seit Jahren versucht, in die Bezirksliga aufzusteigen, auch bereits als ich da gespielt habe. Aber einen Aufstieg kannst du nicht planen, da gehört auch eine Menge Glück dazu. Dieses Jahr hat es dann endlich geklappt. Das freut mich auch für den Verein, weil er, wie auch Erle 19, sehr familiär ist und jeder jeden kennt. Solche Sachen gibt es kaum noch in Gelsenkirchen.

Welche Ereignisse aus deiner Spieler- und Trainerkarriere sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

In meiner Spielerlaufbahn gab es sehr viele schöne Momente. Zum Beispiel wird man nicht alle Tage Stadtmeister. 2006 sind wir als Bezirksligist Hallenstadtmeister geworden. Ich weiß gar nicht, wann allgemein der letzte Bezirksligist Stadtmeister geworden ist. Aber in dem Jahr waren wir in der Halle wirklich mega gut, da haben wir im Endspiel gegen den Landesligisten Erle 08 gewonnen. Da hatten wir eine richtig gute Truppe. 2002 sind wir als A-Ligist Stadtmeister auf dem Feld geworden. Dabei haben wir die damaligen Landesligisten Westfalia 04 und Erle 08 rausgekegelt. Das ist etwas anderes, als wenn du als höherklassige Mannschaft den Titel holst. Da war die Freude schon sehr groß, denn damit hatte keiner gerechnet. Auch die drei Aufstiege mit Horst 08 - einmal in der A-Jugend, dann in der Saison 1997/98 in die Bezirksliga und danach 2003/04 nach dem zwischenzeitlichen Abstieg noch einmal in die Bezirksliga - bleiben einfach hängen. Wir haben in der Bezirksliga auch zum Beginn der Saison mal gegen Rot-Weiß Leithe gespielt. Die waren mit Abstand Tabellenführer und sind am Ende auch aufgestiegen. Da hat auch Souleymane Sané, der Vater von Leroy Sané, gespielt. Auf jeden Fall haben wir damals in letzter Minute mit 5:4 gewonnen, obwohl wir nach zwei Platzverweisen nur noch zu neunt auf dem Platz standen. Aber wir haben so stark gekämpft, dass wir trotz Unterzahl nach Rückstand immer wieder zurückgekommen sind. Das entscheidende Tor habe ich mit einem direkt verwandelten Freistoß erzielt. So eine Menschentraube hatte ich bei einem Jubel noch nie auf meinem Rücken liegen. Nach Abpfiff kam Sané noch zu mir und sagte, dass er schon viele hartnäckige Gegenspieler gehabt habe, aber ich der hartnäckigste in der Bezirksliga war. Wenn dir so ein Mann so etwas sagt, bekommst du natürlich eine breite Brust.

Als Trainer war der direkte Aufstieg mit Horst 08 als Tabellenzweiter hinter Viktoria Resse im Jahr 2015 das Highlight. Im ersten Jahr nach dem Wechsel direkt so etwas zu schaffen, war echt geil. Der Aufstieg in Hassel 2016 war zwar auch der Hammer, aber da haben wir den Sprung am letzten Spieltag ja nur geschafft, weil Teutonia Schalke verzichtet hat. Trotzdem werde ich diesen 3:2-Sieg nach 0:2-Rückstand bei Eintracht Erle nicht mehr vergessen.

Du bist als kompromissloser Verteidiger in Gelsenkirchen bekannt. Was hat dir diesen Ruf verliehen?

Ich war immer jemand, der versucht hat, den Ball zu spielen. In der Jugend war ich eigentlich Mittelfeldspieler, aber irgendwann hat sich daran etwas geändert. Ich wurde dann zum Abwehrspieler, weil mich der Trainer der ersten Mannschaft, Frank Frye, wegen meines starken Zweikampfverhaltens in die Abwehr gestellt. Er hat mich dann zum Vorstopper umgeschult und seitdem hatte ich meinen Namen weg. Ich habe immer versucht, eher am Ball zu sein, als mein Gegenspieler - und das ohne Foul. Aber es gab mal Szenen, in denen ich auch zu spät gekommen bin, dann hatte ich natürlich den Ruf. Ich bin immer dahin gegangen, wo es wehtut. Das haben die Zuschauer meist gemocht, denn ich habe alles für den Sieg getan. Es gibt auch viele Gegenspieler, mit denen ich jetzt super klarkomme, die mich aber früher gehasst haben. Die sagen dann immer "Du warst so ein Arschloch auf dem Platz, hast gekämpft um jeden Meter Boden und uns nie in Ruhe gelassen". Wenn ehemalige Gegenspieler so etwas sagen, macht das schon stolz. Trotzdem habe ich nie unfair gespielt, ich habe nur alles für den Dreier gemacht.

Greves Motto zum Zweikampfverhalten: Solange der Ball im Spiel ist, ist alles in Ordnung.

Nun gibt es eine kleine Entscheidungsrunde: Du wählst den Begriff, der am besten zu dir passt und deinen Vorstellungen vom Fußball entspricht.

- Flippiger Coachingzonenrenner oder ruhiger Bankdrücker?

Ich bin auf jeden Fall der flippige Coachingzonenrenner, weil ich gar nicht ruhig sitzen kann. Ich muss einfach mitfiebern und dabei sein, als wenn ich selber auf dem Platz stehen würde.

- Taktikfuchs oder einfache Spielgestaltung?

Ich bin eher der Taktikfuchs. Ich hole mir so viele Informationen wie möglich und nutze die dann auch. Allerdings setzte ich auch mal auf die einfache Spielgestaltung. Man achtet zwar in erster Linie auf sich selber und die eigene Mannschaft, aber die Informationen, die ich bekommen kann, werde ich natürlich immer verwenden. Jedoch muss ich mir jetzt eine andere Quelle besorgen. Steffen Dörpinghaus war der beste Informator, den du haben kannst. Er hat uns sehr weitergeholfen und ist meiner Meinung nach der beste Nachwuchstrainer in Gelsenkirchen. Ich bin Steffen sehr dankbar dafür.

- Lieber Trainer oder Spieler sein?

Eher Spieler. Als Spieler konntest du nämlich deine Nervosität auf dem Platz abbauen. Als Trainer geht das nicht, da gehst du kaputt an der Linie. Es ist das Schlimmste, wenn Spiele auf der Kippe stehen und du nicht eingreifen kannst. Als Spieler konntest du dich abreagieren und dein Adrenalin auf dem Feld auskotzen. Da hast du das Ganze nicht so mitbekommen und die Nervosität einfach heruntergespielt, indem du gekämpft und geackert hast.

Abschließend wollen wir noch einmal auf deinen Sohn Danielo eingehen. Er hat immer unter dir trainiert und nun steht auch für ihn der Übergang in den Seniorenbereich an. Was muss er tun, damit aus ihm auch mal ein "großer Greve" wird?

Ich habe bei all' unseren Spielern den Grobschliff gemacht, den Feinschliff muss jemand anderes machen. Er muss lernen, auf dem Platz mit dem Kopf zu arbeiten. Du brauchst schließlich im Zweikampf deinen Mund nicht, sondern musst mal schlucken. Die nächste Szene kommt bestimmt. Er hat das zum Ende der Saison auch schon ganz gut umgesetzt. Aber er wird im Seniorenfußball noch viel dazu lernen, denn der ist anders als Jugendfußball. Ich bin froh, dass diesen Feinschliff jemand anderes machen kann, denn ich habe nicht nur bei ihm, sondern auch bei jedem anderen, mein Möglichstes getan. Die neuen Trainer hatten schon einige Jugendspieler und wissen, was man richtig oder falsch macht. Dann hört man als Jugendspieler auch noch mehr zu als beim eigenen Vater. Ich bin der festen Überzeugung, dass er dann auch seinen guten Weg machen wird.

Aufrufe: 015.6.2018, 12:00 Uhr
Andreas ArtzAutor