2024-05-31T10:52:53.652Z

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Seine TuS-Mitspieler bezeichnet Johannes Melchior als „helle Köpfe“.
Seine TuS-Mitspieler bezeichnet Johannes Melchior als „helle Köpfe“. – Foto: FuPa/Marlene Schulz

Medizin-Praktikum endet abrupt

Marienborner Torhüter Melchior erlebt in Innsbruck hautnah die Corona-Auswirkungen +++ Heimtraining auf dem Balkon

Marienborn. Als Johannes Melchior im Januar mit seinen Kommilitonen zusammensaß, ging es um das Thema Coronaviren. Mikrobiologie und Virologie standen im Medizinstudium an, die Studenten sprachen über Sars, Mers – und am Rande auch über das, was da gerade in China los war. Zwei Monate später sitzt Melchior zu Hause. An gemeinsames Training mit den Verbandsligafußballern der TuS Marienborn ist noch für Wochen nicht zu denken, sein vierwöchiges Praktikum in Innsbruck war bei Halbzeit vorüber und weil er in Österreich war, befindet sich der Torwart nun in Quarantäne.

Am 1. März brach er noch nach Österreich auf

„Ich hätte nie gedacht, dass das Virus zu so einem gesellschaftlichen Stillstand führen kann“, sagt Melchior. Und am 1. März, als er in Innsbruck ankam, konnte er sich nicht vorstellen, dass er bald zwangsweise nach Hause muss, weil die Grenzen dicht gemacht und im Krankenhaus in Österreich die Schutzmittel rationalisiert werden. Selbst den fachlich mit dem Thema befassten Studenten überrollte die Pandemie förmlich. „Ich persönlich glaube, dass es lange unterschätzt wurde“, sagt der 22-Jährige. Erst, als im Norden Italiens, mit den Unseren vergleichbaren Gesundheitsstandards, die Epidemie ausbrach, schien das Thema plötzlich angekommen zu sein.

Und nun? „Die Experten sind sich uneinig“, sagt Melchior, „es kann zwei Monate dauern, es kann ein Jahr dauern.“ Dass die Verbandsliga-Runde zum avisierten Termin abgeschlossen ist, kann er sich nicht vorstellen. Der Spiel-Stopp „war nur folgerichtig“. Co-Trainer Jens Strußenberg hat den Spielern individuelle Pläne gestrickt, abgestellt darauf, was sie an Trainings- und Cardiogeräten zu Hause haben, ob ein Garten verfügbar ist – ein Vorgriff schon auf eine mögliche Ausgangssperre. „Zum Glück habe ich einen Balkon“, lacht Melchior.

Die TuS-typischen Treffen im Mannschaftskreis fallen derzeit flach. „Bei uns sind alle helle Köpfe, die halten sich an die Empfehlungen“, sagt Melchior. Für Menschenansammlungen auf den Grünflächen hat der angehende Mediziner kein Verständnis. „Wir müssen die Kurve flach halten, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet wird.“ Die Botschaft ist doch eigentlich nicht so schwer zu verstehen. „Einige haben den Ernst der Lage noch nicht begriffen – und was sie beitragen können. Es geht ja nicht nur darum, sich selbst zu schützen, sondern auch andere.“ Dazu gehöre nicht zwingend, nur drinnen zu sitzen. Aber man sollte auch im Freien eben die Sozialkontakte auf ein Minimum reduzieren.

Vorschlag: Nächste Spielzeit notfalls als Kurz-Saison

Wie es in der Verbandsliga nach Ende der aktuell gültigen Spielpause bis 20. April weitergeht, steht in den Sternen. „Es wäre unfair, die Saison komplett zu streichen, aber man kann auch nicht einfach die aktuelle Tabelle einfrieren“, findet Melchior. Flexible Regelungen müssten her. Man könnte die Saison – wann auch immer – regulär zu Ende spielen, den Rahmenterminkalender sausen lassen und gegebenenfalls eine Kurz-Saison nur mit Hinspielen folgen lassen. Mit gleichen, klaren Startbedingungen.

Seine Klausur hat Melchior übrigens bestanden. 80 seiner Kommilitonen sitzen ab Montag am Telefonhörer, um bei einer Corona-Hotline auszuhelfen. Bei dem Thema denkt inzwischen keiner mehr zuerst an Sars oder Mers.

Aufrufe: 028.3.2020, 16:00 Uhr
Torben SchröderAutor