2024-06-06T14:35:26.441Z

Interview

"Man hat kein Datum, auf das man hinarbeitet"

Interview mit Zevens Robin Cordes zur Arbeit als Trainer während der Coronakrise

Nach einem intensiven Jahr als Co-Trainer der U17-Regionalligamannschaft des JFV A/O/Heeslingen zog es Robin Cordes im vergangenen Jahr erstmals als Coach in den Herrenfußball. Der 28-Jährige übernahm den Kreisligisten TuS Zeven. Dieser verpasste aufgrund einer unglücklichen 0:1-Niederlage im letzten Hinrundenspiel gegen den MTSV Selsingen als Tabellendritter denkbar knapp den vermutlich zum Bezirksliga-Aufstieg berechtigenden zweiten Rang. Trotzdem geht Cordes seine Aufgabe weiterhin voller Tatendrang an – auch unter Corona-Bedingungen, wie er im Interview mit ZZ-Sportredakteur Oliver Moje schildert.

Wie sehr schmerzt Sie heute noch die 0:1-Heimniederlage im letzten Hinrundenspiel gegen Selsingen, die Ihr Team – sollte der Vorschlag des NFV-Präsidiums beim außerordentlichen Verbandstag angenommen werden – den Aufstieg gekostet hat? Im Nachhinein hätte es wahrscheinlich sogar gereicht, wenn das Spiel gar nicht stattgefunden hätte. Dann hätten wir einen Punkt mehr als Selsingen und den besseren Quotienten gegenüber Alfstedt gehabt. Aber in das Spiel hat Selsingen alles reingelegt und sich diesen Sieg hart erkämpft. Ich sehe bei uns aber auch andere unnötige Punktverluste, etwa die 1:2-Niederlage in Westerholz. Diese drei Punkte hätten wir daher auch vorher schon irgendwie zusammenkriegen können. Wenn die Saison noch weiter gelaufen wäre, hätte ich uns definitiv gute Chancen auf Rang zwei ausgerechnet. Trotzdem war bei uns der Aufstieg nie das Saisonziel. Bevor ich die Mannschaft übernommen habe, wäre sie schließlich fast abgestiegen.

Schon kurz nach dem coronabedingten Trainingsstopp haben Sie unter dem Motto „Beat the Coach“ Ihre Mannschaft zu einer „Lauf-Challenge“ aufgefordert. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? Im Austausch mit meinem ehemaligen Trainerkollegen Lukas Ringen, der U15-Coach beim JFV A/O/Heeslingen ist. Wir haben uns überlegt, was wir machen können damit unsere Mannschaften weiterhin fit und in Bewegung bleiben. Da haben wir beide die „Challenge“ ausgearbeitet, allerdings mit etwas anderen Motivationszielen und für die U15 noch etwas abgewandelt. Das Ganze war auf freiwilliger Basis, aber bis auf unsere beiden Torhüter, von denen einer ohnehin einen Kreuzbandriss hat, und zwei Feldspieler haben alle Spieler meiner Mannschaft mitgemacht. Es hat sich innerhalb von sehr kurzer Zeit eine starke Gruppendynamik entwickelt. Das war ganz cool und lief besser als gedacht. Da musste ich mich als Trainer schon ganz schön strecken. Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal so viel laufen muss.

Insgesamt hat Ihre Mannschaft in den sieben Wochen rund 4000 Kilometer zurückgelegt. Sie selbst sind über 267 Kilometer gelaufen – und müssen trotzdem sechs Spieler zum Essen einladen, die mehr geschafft haben... Das haben einige von denen schon mit Auge gemacht, ich habe am letzten Tag auch erst einmal vorgelegt und wurde dann noch von einigen überholt. Aber wer so viel läuft in der Zeit, der hat sich dann auch eine Einladung von mir zum Essen verdient.

Wissen Sie schon, wohin es gehen soll? Wir warten jetzt erstmal ab, bis man wieder in vernünftigem Rahmen gemeinsam Essen gehen kann. Es sieht wohl so aus, dass es hier in Zeven in irgendein Restaurant gehen wird. Das dürfen sich die Spieler dann aussuchen.

Ihr Team hatte vorher festgelegt, dass pro Kilometer 20 Cent einem guten Zweck zu Gute kommen sollen. Haben Sie sich da schon auf ein Projekt geeinigt? Wir sind gerade dabei, das Geld bei den Spielern einzusammeln. Das kommt auch von denen selbst und nicht vom Verein oder irgendwelchen Sponsoren. Die Idee kam auch von einem Spieler von uns. Wir haben eine Abstimmung gemacht und entschieden, dass die 800 Euro jeweils zur Hälfte an den Kinderschutzbund hier in Zeven und die Tafel gehen sollen.

Seit dem 12. Mai hat Ihre Mannschaft das Training wieder aufgenommen. Wie läuft das ab? Momentan trainieren wir zweimal wöchentlich – unter den ganzen Vorgaben, die da einzuhalten sind. Ich habe da auch sehr lange mit unserem Corona-Beauftragten Jürgen Brockmann gesprochen. Wir sind da in Sachen Trainingsplanung ständig im Austausch. Positiv ist, dass wir drei Plätze zur Verfügung haben. Entsprechend großflächig können wir unser Training aufbauen. Momentan haben wir eine sehr gute Beteiligung und die Motivation kriegen wir mit vielen Torschusswettbewerben hin, sodass auch der Spaßfaktor nicht zu kurz kommt. Natürlich würde ich gerne auch andere Sachen trainieren, aber es geht derzeit erst mal darum, dass wir ein bisschen in Bewegung bleiben, Spaß an der Sache haben und mal wieder den Ball sehen.

Wann regulärer Fußball wieder möglich sein wird, ist noch nicht absehbar. Der Verband hofft auf September. Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Ihre Mannschaft jetzt übertrieben lange trainiert, bevor sie dann wieder spielen kann? Die Befürchtung habe ich nicht, weil wir auf jeden Fall noch eine Ruhepause einlegen werden, bevor es wieder losgeht. So lange die Beteiligung gut ist und die Leute dazu Lust haben, werden wir erstmal weitermachen. Wenn das abnimmt, werden wir reagieren und das reduzieren. Die Schwierigkeit ist momentan, dass man kein Datum hat, auf das man hinarbeitet.

Wie sehen Sie die Pläne des NFV-Präsidiums, die Saison abzubrechen und nur Aufsteiger zuzulassen? Grundsätzlich bin ich absolut für einen Abbruch, sodass man hoffentlich am 1. September wieder in die neue Saison starten kann. Mit der Entscheidung gegen Absteiger tue ich mich aktuell ein bisschen schwer, weil die Ligen dadurch deutlich aufgestockt werden. Für uns in der Kreisliga wird das dazu führen, dass wir vier Spieltage mehr haben, in den höheren Ligen sind es sogar noch mehr. Ich bin gespannt, wie lange das dauert, bis man diese Ligen wieder auf ein vernünftiges Maß reduziert hat. Das liegt aber natürlich auch daran, dass wir davon nicht betroffen sind. Ich verstehe auch, dass andere Vereine das anders sehen. Wenn man selbst unten drin steht, glaubt man natürlich immer daran, dass man bei normaler Fortführung der Saison den Klassenerhalt noch geschafft hätte.

Aufrufe: 03.6.2020, 10:24 Uhr
Oliver Moje/Zevener ZeitungAutor