2024-06-04T08:56:08.599Z

FuPa Portrait
Aus blau wird rot: Lukas Konietzko ist ab sofort für RW Walldorf am Ball
Aus blau wird rot: Lukas Konietzko ist ab sofort für RW Walldorf am Ball – Foto: Uwe Krämer

Lukas Konietzko: Ankommen, entwickeln, durchstarten

Hessenliga: Bisherige Kapitän des A-Jugend-Bundesligisten Darmstadt 98 hat bei Hessenligist RW Walldorf viel vor

Der 27. September war einer der ganz wenigen Höhepunkte für Lukas Konietzko in der Fußballsaison 2020/21. Nach einem 70-Meter-Solo des Stockstädters im Trikot des A-Jugend-Bundesligisten SV Darmstadt 98 und feinem Zuspiel auf Mario Shuteriqi traf dieser in der 77. Minute zur 2:1-Führung gegen 1899 Hoffenheim. Am Ende stand es 2:2, es war der vierte Punkt für den SV 98 nach zwei Spielen.

Da bis zum Saisonabbruch nur noch zwei weitere Partien für die Lilien anstanden, konnten sich deren Kapitän Konietzko und die übrigen Spieler im letzten A-Jugend-Jahr kaum für einen neuen, höherklassigen Club zum Start der Aktivenkarriere empfehlen. Umso froher ist der 19-Jährige, in der vergangenen Woche einen Einjahresvertrag beim Hessenligisten Rot-Weiß Walldorf unterschrieben zu haben. „Das ist für mich nicht das Ende vom Traum meiner Profikarriere“, sagt Konietzko. „Ich sehe das als hervorragenden Anfang bei einem ambitionierten Fünftligisten mit sehr guten Strukturen. Außerdem passt Walldorf perfekt in meine Lebensplanung.“

Der in Stockstadt aufgewachsene und wohnende Abiturient des Gymnasiums Gernsheim lernt nämlich gerade im zweiten Ausbildungsjahr in der Lebensmittelbranche Industriekaufmann, die Prüfung ist im kommenden Mai. „Bei den Rot-Weißen trainiere ich drei- statt bisher viermal und kann mit weniger Stress trotzdem auf hohem Level spielen und gleichzeitig meine Ausbildung beenden. Ich will mich weiterentwickeln, für die Regionalliga oder Dritte Liga empfehlen und dann durchstarten.“

Durchgestartet ist der ehemalige Jugendkicker von SKG Stockstadt und Concordia Gernsheim nach den ersten Trainingseinheiten als Fünfjähriger schon früh. „Ich habe immer bei den Älteren mitgespielt“, erinnert er sich. Lohn für starke Leistungen waren der Wechsel zu den Lilien in der C2-Jugend und eineinhalb Jahre später zu 1899 Hoffenheim. Eine mehrmonatige Pause nach einem Schien- und Wadenbeinbruch warf ihn im Kraichgau zurück, dennoch stand am Ende die Meisterschaft in der Oberliga Südwest. Weil er keinen Internatsplatz bei 1899 bekam und der Spagat zwischen Schule in Gernsheim und Training in Hoffenheim zu groß wurde, kehrte er im zweiten B-Jugend-Jahr nach Darmstadt zurück und feierte den Aufstieg in die Bundesliga. „Den Sieg im Relegationsspiel gegen Kaiserslautern vor 1500 Zuschauern vergesse ich nie, das war mein bisheriges Karriere-Highlight.“ Auch mit der A-Jugend der Lilien schaffte der Innenverteidiger den Aufstieg in die Bundesliga – und führte sein Team in der Rumpfsaison 20/21 als Kapitän aufs Feld, ehe die Saison Ende Oktober unter- und im April dann abgebrochen wurde.

U17- und U19-Hessenauswahl, Kapitän eines A-Jugend-Bundesligateams – normalerweise sind das beste Voraussetzungen, um danach einen höherklassigen Verein zu finden. „Doch in der Pandemie konnten wir uns nicht so zeigen.“ Froh war Konietzko, dass er einer von drei U19-Perspektivspielern war, die immer bei den Profis dabei waren, sodass er „auf hohem Niveau durchtrainieren“ konnte. Testspiele gegen Norwich City im vergangenen Sommer und gegen Sandhausen im Herbst brachten ihm „gute Rückmeldungen“, aber keinen Profivertrag.

Zwei Regionalligisten sagte der Stockstädter ab, weil ihm die kurze Fahrt zum Training in Walldorf im letzten Ausbildungsjahr wichtig war. Seinen neuen Verein lobt er in höchsten Tönen: „Mir gefällt die ambitionierte Arbeit, die ich seit Jahren verfolge. Die Aufstiege in den letzten Jahren kamen nicht von ungefähr. Die Transfers haben mich überzeugt, es wurden starke Leute aus der Regionalliga geholt, die Schwachstellen beheben sollen. Die Mannschaft hat Lust, etwas zu erreichen, die Infrastruktur hat sich stark verbessert und das Trainerteam will sich weiterentwickeln.“_Von Chefcoach Max Martin hatte das Talent gleich im ersten Gespräch einen sehr guten Eindruck: „Er ist ehrgeizig und kompetent und steht hinter seinen Spielern. Das ist genau das, was ich als junger Fußballer brauche.“ Und Martin gibt das Kompliment zurück: „Lukas erfülle alle Punkte unseres Spielerprofils. Er ist jung, talentiert und zwischenmenschlich und sozial voll integriert.“

Die erste Station im Männerfußball sei sehr wichtig, meint Konietzko. „Man weiß noch nicht so genau, wie die Senioren ticken, muss sich erst einmal rein arbeiten.“ In Sachen Spielverständnis und Taktik seien die Talente der Nachwuchsleistungszentren top ausgebildet. „Was fehlt, sind Cleverness, körperlich Robustheit und Tempo. Im Training geht es schon ordentlich zur Sache, was mir auch gut gefällt.“ Was ihm in den ersten Trainingseinheiten auffiel:_„Ich muss schneller im Kopf sein. Bei der Jugend war oft vorhersehbar, was der Gegenspieler macht, jetzt muss ich mit Unerwartetem rechnen. Außerdem werden die Abläufe nicht fünfmal erklärt, sondern einmal, und dann sollte man sie auch verstanden haben.“

Gefragt nach seinen Stärken, antwortet der Stockstädter: „Trainingsfleiß, Zweikampf- und Antizipationsverhalten, defensives Kopfballspiel, Spielverständnis, Passspiel, der starke linke Fuß.“ Und die Schwächen? „Ich kann immer noch am Tempo arbeiten, das offensive Kopfballspiel und der rechte Fuß.“ Großes Vorbild ist Niklas Süle (FC Bayern München), der ebenfalls das Trikot von Rot-Weiß Walldorf, Darmstadt 98 und Hoffenheim trug. „Seine Zweikampfstärke, seine Ruhe am Ball und seine Souveränität sind klasse.“

In seiner ersten Saison bei den Männern will der Fortuna-Düsseldorf-Fan, der zum Ausgleich gerne Tennis spielt, „so viel Spielzeit wie möglich bekommen, am besten Stammspieler werden und mit Walldorf so weit oben wie möglich spielen“. Langfristig sieht sich der 19-Jährige als „ambitionierten Drittligaspieler“. Möglicherweise steht er bald sogar bei einem Länderspiel auf dem Platz – für Polen, das Heimatland seiner früher in Oppeln lebenden Eltern. Der Verband bekundet schon jahrelang Interesse, seit Scouts das Talent aufgefallen war, und ein erstes persönliches Gespräch in Hessen verlief positiv. Noch wartet Konietzko auf einen polnischen Pass, danach steht einer Berufung für das U20-Nationalteam nichts mehr im Wege. Ein 70-Meter-Solo mit anschließender Torvorlage wäre da ein prima Einstand.

Aufrufe: 020.6.2021, 09:04 Uhr
Heiko WeissingerAutor