Eigentlich waren diese Fußstapfen natürlich viel zu groß, in die Manuel Seidel gestiegen ist; zumindest im übertragenen Sinn. In Wirklichkeit waren sie ja gar nicht so groß, Seidels Vorbild ist nur 1,62 Meter groß. Trotzdem gibt es leichtere Hypotheken zu Beginn einer Laufbahn als Fußballer.
Sobald er geradeaus laufen konnte, haben ihn seine Eltern im Fußballverein angemeldet, erzählt Manuel Seidel, und natürlich haben sie dort einen Spielerpass beantragt, wo auch sein Vorbild zu einem außergewöhnlich guten Fußballer geworden ist. Von Zidane und Ronaldinho hatte er im Kinderzimmer Poster an der Wand hängen und alte Schwarz-Weiß-Fotos von seinem Opa, er hatte praktischerweise ja gleich einen Superstar in der Familie; nur, dass sich diese damals selbst nie so genannt hätten und die Entlohnung deutlich überschaubarer ausfiel als heute. „Mein Großvater hat damals ein Fahrrad, einen Teppich und einen Kugelschreiber bekommen“, sagt Seidel, „diesen Kuli hat er mir dann irgendwann einmal geschenkt“.
Es ist natürlich nicht irgendein Kugelschreiber. Es ist eine besondere Anfertigung, die es für den Gewinn der deutschen Meisterschaft gab, Seidels Großvater war Teil der Meistermannschaft des 1. FC Nürnberg von 1961, auch wenn er beim 3:0 gegen Dortmund selbst nicht auf dem Platz stand — Auswechslungen gab es zu dieser Zeit noch nicht.
Sechs Jahre zuvor, erst im Alter von 21 Jahren, war Heinz Kreißel zum Club gewechselt, vorher widerstand er den Lockrufen aus Zabo. „Der FCN wollte mich schon als Jugendspieler holen, aber mir waren meine Kumpels von Johannis wichtiger“, hat Kreißel einmal dieser Zeitung erzählt, was natürlich wunderbar auch zu der Geschichte seines Enkels passt, der heute über denselben Verein sagt: „Johannis ist einfach meine Heimat.“ 22 Jahre ist Manuel Seidel alt und inzwischen wieder in seiner Heimat angekommen. Eigentlich hat er sein ganzes Fußballleben beim TSV verbracht, vor zwei Jahren hat er dann doch noch einmal beschlossen, sich andere Vereine anzuschauen. Von den Jungs, mit denen er jahrelang die Nachwuchsmannschaften durchlaufen hatte, waren nur noch zwei an seiner Seite, der eigene Verein war ihm plötzlich etwas fremd geworden, also versuchte er sein Glück beim Post-SV. „Ich wollte es noch einmal höherklassig probieren“, sagt Seidel über seinen Ausflug in die Bezirksliga.
Der Ausflug schien zunächst keine ganz abwegige Idee zu sein, in der E-Jugend waren ihm 112 Tore gelungen, später trainierte er am Leistungsstützpunkt in Nürnberg, offenbar war das Talent des Großvaters nicht an ihm vorbeigegangen. „Und dann ging es aufs Großfeld“, sagt Seidel und man ahnt schnell, dass es nicht so weitergegangen ist.
Immer wieder verletzte er sich, zurzeit muss er mit einem Bänderanriss zuschauen, auch deshalb konnte er sich beim Post-SV nicht durchsetzen und machte wieder zwei Schritte zurück; in die A-Klasse zu Großgründlach. „Ich wollte, dass der Spaß wieder im Vordergrund steht“, sagt er, der wie sein Großvater ein sehr bescheidener Typ ist und im Gegensatz zu vielen anderen Spielern seine Emotionen meistens im Griff hat. „Das ist immer noch Amateurfußball“, sagt er. „Bei den meisten gibt es einen Grund, warum sie da unten spielen. Am Montag gehen wir alle wieder in die Arbeit.“ In Großgründlach erlebte er eine deutlich ruhigere Zeit, trotzdem zog es ihn vor dieser Saison wieder zu seiner alten Liebe. Die Familie hat neben dem Vereinsgelände von Johannis 83 einen Schrebergarten, „ich bin dort einfach verwurzelt“, sagt er. Genau wie sein Großvater, der nach nur einem Spiel in der neu gegründeten Bundesliga zum TSV zurückkehrte. Seidels Vater ist dort inzwischen Vorstand, Johannis ist und bleibt ihre Heimat.
Eine Flanke schlägt Manuel Seidel über den Kraftshofer Forst nach Kalchreuth zu einem ehemaligen Teamkollegen. Nächste Woche: Sebastian Lutz.