2024-05-24T11:28:31.627Z

Interview
Einer der Dauerbrenner bei den Preußen: Jan-Christoph Stühmeier hat bei den Espelkampern bisher noch keine Minute auf dem Platz verpasst.
Einer der Dauerbrenner bei den Preußen: Jan-Christoph Stühmeier hat bei den Espelkampern bisher noch keine Minute auf dem Platz verpasst. – Foto: Jürgen Krüger

Jan-Christoph Stühmeier: Vom Kleeblatt zum Adlerträger!

Der 24-jährige Rechtsfuß überraschte mit seinem Wechsel vom TuS Tengern zum Ortsrivalen FC Preußen Espelkamp. Wir haben mit ihm unter anderen über seinen "Dauerbrenner-Status" in der Westfalenliga und das Derby gegen seinen Ex-Verein gesprochen und einen Blick hinter die Kulissen der Preußen geworfen.

Von Tengern zum Erzrivalen nach Espelkamp. Anfang des Jahres war der Transfer von Jan-Christoph Stühmeier eine echte Überraschung. Kritische Stimmen ließen verlautbaren, ob sich der 24-jährige Verteidiger bei der "Millionentruppe" überhaupt durchsetzen könne. Er lieferte die Antwort auf dem Platz. In den bisherigen Hinrundenspielen der Westfalenliga ist er zu einer festen Größe bei den Preußen gewachsen, verpasste bisher noch keine einzige Spielminute und überzeugt durch starke Leistungen. Zudem fühlt sich "Stühmi" als "Adlerträger" und Tabellenführer der Westfalenliga richtig wohl.

Im Interview hat er uns erzählt, wie professionell die Strukturen bei den Espelkampern wirklich sind, ob die Ex-Regionalligaspieler auch bei den Trainingsspielchen die Nase vorn haben und dass der Kontakt zu seinen Tengeraner Jungs nicht abgebrochen ist.

Moin Stühmi! Es ist viel passiert seitdem wir das letzte Mal geschnackt haben. Kein Abstieg mit dem TuS Tengern, der überraschende Wechsel zu Preußen Espelkamp und jetzt seid ihr als Aufsteiger Tabellenführer in der Westfalenliga. Wie hast du die turbulenten letzten Monate wahrgenommen?

Stühmeier: Moin! Ja, das stimmt. Als wir das letzte Mal in der Winterpause gesprochen haben hatten wir mit Tengern noch alles drangesetzt die Klasse zu halten. Dann hatte Olaf (Anm. d. Red.: Olaf Sieweke) hingeschmissen und Wojtek (Anm. d. Red.: Wojtek Kosecki) übernommen. Da waren wir richtig heiß, aber hatten nur ein Spiel in der Rückserie absolviert. Dann wurde es immer schlimmer mit den Zahlen - und man wusste lange nicht, was passiert. Über die Zeit hat sich herauskristallisiert, dass wir nicht mehr zu Ende spielen. Dann überlegt man natürlich, was man für Perspektiven hat, und irgendwann ist Tim (Anm. d. Red: Tim Daseking) auf mich zugekommen, hat mich angerufen und gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte, nach Espelkamp zu wechseln.


Wie hast Du reagiert, als er angerufen hat?

Stühmeier: Das war überraschend für mich. Ich hatte halt überlegt, dass ich zwei Jahre noch im Lehramtsstudium bin und habe mir die sportliche Perspektive vor Augen geführt. Schweren Herzens bin ich dann gewechselt, weil mir natürlich auch viel an Tengern lag. Bis jetzt ist aber alles gut gelaufen - kann man sagen. Sportlich ist bei Espelkamp alles ein bisschen professioneller aufgestellt, einfach auch von den Mitspielern. Da spielst du mit Leuten, die waren quasi Berufsfußballer. Die haben ordentlich Erfahrung mitgebracht und die haben mich auch echt weitergebracht bisher. Dadurch, dass Espelkamp hinten quantitativ nicht so groß aufgestellt ist, waren meine Chancen auch nicht schlecht.

Hättest du selber vor dem Wechsel damit gerechnet in so einer Monstertruppe ein Fels in der Brandung zu sein, der nicht wegzudenken ist? Du hast ja wahrscheinlich nicht umsonst jede Minute bisher gespielt ...

Stühmeier: Ob ich nicht mehr wegzudenken bin, weiß ich nicht. Michael Wessel hatte sich Anfang der Serie verletzt. Das war ein herber Schlag, weil er extreme Qualität hat und auch Erfahrung mitbringt. Das kam mir aber auch zugute, sodass ich mich hinten im Zentrum festgespielt habe. Ich bin zufrieden mit meiner Leistung und ich sage mal, es war nicht die totale Überraschung, aber dass ich jede Minute spiele, hätte ich nicht gedacht. Den Ansporn hatte ich natürlich (lacht).

Was ist euer Erfolgsrezept, jetzt als Aufsteiger ganz oben in der Tabelle zu stehen?

Stühmeier: An erster Stelle haben wir einen qualitativ sehr starken Kader. Die zweite Seite ist, dass es zwar sehr schön ist, wenn man mal höher gespielt hat, aber man muss auch den absoluten Willen auf den Platz bringen und das sehe ich bei meinen Mitspielern. Brosch und Langemann beispielsweise sind vor dem Spiel heiß ohne Ende - und das ist ein gutes Zeichen. Die wollen nicht nur ihre Zeit absitzen und ein bisschen Geld mitnehmen. Die haben richtig Bock, zusammen was zu erreichen. Das zeigt sich auch beim Trainer, der enorm ehrgeizig ist. Tim bereitet sich akribisch auf die Gegner vor und hat den Anspruch, jedes Spiel gewinnen zu wollen.

Wie sieht so eine Trainingswoche bei euch aus? Ist da eine andere Intensität im Gegensatz zu anderen Westfalenligavereinen spürbar?

Stühmeier: Olaf war in Tengern-Zeiten immer ein Freund davon, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Das macht Tim auf der einen Seite auch. Wir gucken uns dienstags immer das letzte Spiel von uns an. Das kannte ich aus Tengern nicht. Donnerstag oder Freitag gibts dann immer die Ansprache in Richtung Wochenende, was uns erwarten wird und was wir uns vornehmen. Also es fühlt sich alles ein bisschen detailversessener an und akribischer. Wir trainieren dreimal die Woche, also da ist jetzt kein Unterschied.

Wie ist das dann so mit Ex-Regionalligaspielern wie Janik Brosch oder Stefan Langemann im Training? Haben die überhaupt 'ne Chance gegen dich? (lacht)

Stühmeier: (lacht) Es ist schon geil. Bei den ersten Einheiten dachte ich – wow, hier geht’s anders zur Sache. Man passt sich aber auch an. Ab und zu spielen wir Jung gegen Alt und die erfahrenen Leute, wie Brosch oder Langemann, sind dann bei Alt dabei. Da gab es anfangs echt deutliche Ausgänge, aber in den letzten Wochen hat sich das ein bisschen umgekehrt, weil die Jüngeren auch echt Qualität haben. Ich bin so ein bisschen in der Mitte, mal Jung oder auch mal Alt.

Wie ist die Chemie in der Truppe?

Stühmeier: Tatsächlich besser als ich vermutet hätte. Ich dachte auch erst – hm, die holen von überall Leute, die hauen bestimmt sowieso direkt nach dem Training ab – das war meine Befürchtung, weil mir das auch wichtig ist. Aber wir haben einen harten Kern, der häufiger auch mal vor Ort bleibt. Natürlich, wenn Leute aus Bielefeld kommen, dann wollen die vor Mitternacht zuhause sein. Aber die Stimmung erlebe ich als sehr gut.

Wo siehst Du deine Rolle in der Mannschaft? Wie wirst Du von den anderen wahrgenommen?

Stühmeier: Ich glaube, mittlerweile bin ich gut angekommen und auch akzeptiert. Durch Leistung kann man sowieso einiges klarstellen. Ich weiß nicht, ob der ein oder andere dachte – der kommt aus Tengern, wie soll der uns helfen? – aber ich denke am Ende, wenn man jedes Spiel macht, da brauch man sich auch nicht rechtfertigen. Ich denke schon, dass ich komplett akzeptiert bin - auch menschlich. Die Jungs wissen, dass ich mal nen Spaß mache. Also ich hatte keine Probleme mich zu integrieren.


Purer Siegeswille: Bei den erfolgreichen Espelkampern fühlt sich der 24-jährige Lehramtsstudent pudelwohl.
Purer Siegeswille: Bei den erfolgreichen Espelkampern fühlt sich der 24-jährige Lehramtsstudent pudelwohl. – Foto: Yvonne Gottschlich


Welche Positionen hast Du bei Preußen jetzt ausgeübt – oder war von Anfang an klar, wo Tim Daseking dich hinstellt?

Stühmeier: Es war klar, dass wir mit einer Dreierkette spielen wollen und dass ich nur für die Position in Frage komme. In der Vorbereitung war häufig Michael Wessel zentral, was sich dann natürlich durch seine Verletzung erübrigt hat. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich auch die zentrale Position spielen, weil ich dort meine Stärken am besten mit einbringen kann.

Merkt man, dass die Gegner in der Westfalenliga besonders heiß sind, gegen euch zu kicken?

Stühmeier: Also, dass die extra motiviert sind mit Sicherheit. Das kann ich auch verstehen, wenn man ambitioniert gegen uns ist. Die Mannschaft, die das nach außen trägt, will man natürlich auch unbedingt schlagen. Im Heimspiel gegen Kinderhaus hab ich das extrem gemerkt. Die waren heiß und haben sich für jede Situation gefeiert, die sie für sich entscheiden konnten. Es lief aber trotzdem alles im fairen Rahmen ab. Ich habe noch keine negativen Erfahrungen gemacht – motivierte Gegner ja, aber nicht unfair.

Wie war dann das Derby gegen deinen Ex-Verein?

Stühmeier: Das war sehr komisch. Da musste ich erstmal gucken, dass ich nicht in die falsche Kabine laufe (lacht). Auf der einen Seite war es schon komisch, weil man für die andere Mannschaft aufläuft, aber es war auch sehr schön die bekannten Gesichter wiederzusehen, weil man sich eh nicht treffen durfte. Dass wir dann gewonnen haben, hat mich dann natürlich auch froh gestimmt. Es war schon ein besonderes Spiel, da waren alle heiß und ein paar Emotionen sind hochgekommen – war aber auch alles im Rahmen.


Welches Spiel war neben dem Tengern-Derby besonders emotional für dich?

Stühmeier: Vielleicht das Spiel in Theesen. Das war nicht unser bestes Spiel, aber ein richtiges Kampfspiel, was wir am Ende für uns entscheiden konnten. Solche Siege finde ich besser, als wenn man 3:0 gewinnt. Da haben wir gezeigt, dass wir eine gute Moral und Ehrgeiz in der Mannschaft haben.


Im Duell mit SC Herfords Yatma Wade: "Seine sehr gute Physis und seine Präsenz im Zweikampfverhalten sind für unseren Abwehrverbund eine absolute Verstärkung“, so Preußens Co-Trainer Janis Kaspelherr über die Stärken von Stühmeier.
Im Duell mit SC Herfords Yatma Wade: "Seine sehr gute Physis und seine Präsenz im Zweikampfverhalten sind für unseren Abwehrverbund eine absolute Verstärkung“, so Preußens Co-Trainer Janis Kaspelherr über die Stärken von Stühmeier. – Foto: Yvonne Gottschlich

Wie sehr schmerzt so ein Abbruch jetzt wieder, wenn man so einen guten Lauf hatte? Ich denke nicht, dass dieses Jahr noch einmal Fußball gespielt wird…

Stühmeier: Ich kann es mir auch nicht vorstellen, dass wir nochmal spielen. Also es ist besonders bitter, weil man mit so einem negativen Ereignis rausgegangen ist. Das gibt ein blödes Gefühl, dass man das nicht gerade rücken konnte. Natürlich wünschen wir uns, dass wir weiter Fußball spielen können – aber da muss man Verständnis für zeigen. Da gibt es auch einfach wichtigeres als Amateurfußball. Den Abbruch muss man akzeptieren, wäre aber natürlich schöner mit einem Sieg gewesen.

Wie haltet ihr euch jetzt fit? Hat Tim Daseking euch zum Laufen verurteilt?

Stühmeier: Ja, genau. Der hat uns einen Laufplan geschrieben, wo wir alle drei bis vier Tage 'ne Runde drehen müssen. Ist jetzt auch nichts Übertriebenes. Die meisten werden sich eh fit halten und ein bisschen was machen.

"Jan-Christoph hängt noch an Tengern und wird auf dem Rückweg von Espelkamp sicher mal bei uns beim Training vorbeischauen." Das hatte Christian Meyer damals im Gespräch mit uns gesagt - Haste noch Kontakt zu den Jungs? Seid ihr im Austausch?

Stühmeier: Ja, auf jeden Fall habe ich noch Kontakt. Das sind ja auch nicht nur Mannschaftskollegen, sondern auch Kumpels geworden. Und tatsächlich hab ich mich auch schon zwei- oder dreimal bei Renate (Anm. d. Red.: Wirtin im Vereinsheim) wiedergefunden – natürlich als es noch möglich war (lacht).


Dann hoffen wir mal, dass das bald wieder möglich ist! (lacht) Besten Dank Jan-Christoph und weiterhin viel Erfolg in Espelkamp!

Stühmeier: Dankeschön! Machs gut!

Aufrufe: 014.11.2020, 08:00 Uhr
Jan-Philipp Kaul / FuPaAutor