2024-05-17T14:19:24.476Z

Interview
– Foto: Kevin Damrose

"Ich vermisse den Matsch im Mund"

Ugur Ergovan steht bei Steinheim/Gerstetten II in der Schießbude der Liga, Qendrim Statovci ist der beste Torjäger. Nun treffen sie sich zum Doppelinterview.

Sie wissen kaum etwas voneinander, aber kennen tun sie sich doch schon ganz gut: Keeper Ugur Ergovan von der SG Steinheim/Gerstetten II und Stürmer Qendrim Statovci vom RSV Oggenhausen standen sich am 6. Spieltag der Kreisliga B5 insgesamt 90 Minuten gegenüber und hatten dabei reichlich Gelegenheit, sich gegenseitig ins Auge zu fassen – mit dem besseren Ausgang für den Torjäger, der den Torhüter gleich dreimal bezwang. Warum Ergovan ihm das aber überhaupt nicht übel nimmt, verrät er im unterhaltsamen FuPa-Doppelinterview.

Julian Hermann: Lieber Ugur, lieber Qendrim, seid ihr euch denn schonmal begegnet?

Qendrim Statovci: (lacht) Ja, ich habe dich schonmal gesehen…

Ugur Ergovan: Ich habe dich das erste Mal in Oggenhausen gesehen…

Das war am 4. Oktober und Oggenhausen hat Steinheim/Gerstetten II mit 5:0 besiegt…

Statovci: Ein perfektes Spiel.

Ergovan: Ich sehe das nicht so. Der Halbzeitstand war ja 0:0 und wir hatten eine angeschlagene Mannschaft mit vier Handballspielern und einem 54-jährigen Torhüter. Das Spiel ging nur in eine Richtung, aber wir hatten auch Chancen, das war für mich das Überraschende – aber mir war schon klar, dass Oggenhausen gewinnen würde. Qendrim stand dabei ein-, zweimal richtig. Ein verdienter Sieg natürlich, eigentlich hätte es sogar zweistellig ausgehen müssen.

Qendrim, wie hast du es denn geschafft, Ugur dreimal zu überlisten?

Statovci: Ich habe einen starken linken Fuß und versuche immer, oben in die Ecke zu schießen, damit es der Torwart ganz schwer hat. Er ist aber ein sehr guter Torwart.

Einen Freistoß habe ich reingemacht…

Ergovan: Den Freistoß habe ich gehalten.

Statovci: Ich denke schon, dass ich einen Freistoß reingemacht habe.

Ergovan: Ich weiß das noch, den hast du nicht gemacht. Du hast aus etwa 25 Metern sehr hart geschossen, aber im Nachfassen konnte ich den Ball festhalten. Bei deinen drei Toren konnte ich nichts machen.

Statovci: Ja, du hast recht. Ugur ist ein sehr guter Torwart, das sage ich, obwohl ich ihn nur einmal in einem Spiel gesehen habe. Und ich kenne viele Torhüter, ich sage die Wahrheit.

Ergovan: Danke dir.

Auf dem Feld sind sie als Torwart und Angreifer die ultimativen Gegenspieler, im Interview verstehen sich Ugur Ergovan und Qendrim Statovci bestens.
Auf dem Feld sind sie als Torwart und Angreifer die ultimativen Gegenspieler, im Interview verstehen sich Ugur Ergovan und Qendrim Statovci bestens. – Foto: Kevin Damrose

Wieso hast du drei Bälle von ihm reingelassen, Ugur?

Ergovan: Ich sage es mal so: Ich habe erst am Nachmittag mitbekommen, dass ich in der zweiten Mannschaft spiele. Eigentlich war ich bei der Ersten von Steinheim im Bezirksliga-Kader.

Dann hat ein Torwart aus der Zweiten abgesagt und ich musste einspringen. Es war dann halt ein Spiel nur auf unser Tor, wie die Kräfteverhältnisse waren, habe ich ja am Anfang schon ein bisschen beschrieben. Unsere Kraft hat dann mit der Zeit immer mehr nachgelassen… Es ist am Ende einfach auch die Qualität. Ich finde, Oggenhausen könnte durchaus auch in der Kreisliga A spielen.

Besonders war dann aber, dass die Stimmung nach dem Spiel in der Kabine trotzdem gut war, obwohl wir 0:5 verloren hatten.

Konntest du dich im Spiel denn wenigstens ein paar Mal auszeichnen?

Ergovan: In der ersten Halbzeit ein- oder zweimal, in der zweiten Hälfte waren wir aber chancenlos, auch ich. Da hatte ich wenig zu halten.

Hast du Qendrim etwas beobachtet? Was macht ihn zu dem derzeit erfolgreichsten Stürmer der Liga?

Ergovan: Tja, zunächst einmal sein Linksfuß! Er hat einen stabilen linken Fuß und er schießt ganz hart. Bei dem vorhin erwähnten Freistoß aus 25 Metern hatte ich den Ball erst im Nachfassen sicher.

Er schlägt scharfe Flanken, Er ist wie ein Phantom, er läuft geschickt in die Gassen, er hat das Gespür eines Torjägers und hat es auch im Köpfchen.

Dass einer drei Tore bei mir schießt – ich bin jetzt 36 Jahre alt – ist eigentlich nicht so einfach. Das klappt nur, wenn einer körperlich und geistig fit ist, und das zeichnet ihn aus. Das ist die Wahrheit. Wir hätten auch gerne so einen tollen Stürmer in unserer Mannschaft.

Statovci: Das macht mich stolz. Vielen Dank, dass du das so offen sagst.

Qendrim Statovci visiert den Ball an, natürlich mit seinem starken linken Fuß. Zehn Saisontreffer hat er schon.
Qendrim Statovci visiert den Ball an, natürlich mit seinem starken linken Fuß. Zehn Saisontreffer hat er schon. – Foto: Kevin Damrose

Wie verarbeitest du Spiele, in denen du so den Kasten vollgeschossen bekommst?

Ergovan: Ich sag es mal so: Wenn die Ziele nicht so hoch angesetzt sind, macht es mir wenig aus. Ich kann mich in solchen Spielen ja auch auszeichnen. Das konnte ich gegen Mergelstetten II, auch in Auernheim, da hätte es eigentlich 15 oder 17 zu eins gegen uns ausgehen müssen.

Das war in den 30 Jahren, in denen ich inzwischen im Tor stehe, wohl das Spiel, in dem ich am meisten Bälle gehalten habe. Das macht mich dann trotzdem stolz: Wenn ich mich auszeichnen kann und wir nicht 0:10 verlieren, wenn ich Lob von den Mitspielern und von außen bekomme. Das freut mich.

Und was bedeutet es dir, Qendrim, Tore zu schießen? Wie wichtig sind dir eigene Tore?

Statovci: Tore sind für mich Erfolg. So bringe ich meine Mannschaft voran. Das macht mir Spaß, ich bin es einfach gewöhnt, Tore zu schießen als Stürmer.

Legst du auch für deine Mitspieler auf?

Statovci: Klar, wir spielen doch zusammen. Ich bin kein egoistischer Spieler. Manchmal gebe ich auch einen Elfmeter ab. Freistöße, Elfmeter, da können auch mal andere schießen.

Seid ihr eigentlich die ultimativen Feinde im Fußball: Torwart gegen Angreifer?

Statovci: Nein.

Ergovan: Jein. Qendrim ist ja sehr sympathisch und hat viel Talent. Es gibt natürlich auch andere, die nicht so sind. In Wirklichkeit kann ich es nicht leiden, wenn ich ein Tor kassiere, wenn ein anderer gegen mich ein Tor schießen will. Es ist natürlich so, dass jeder, der ein Tor schießt, da auch ein Feind ist.

Statovci: Ich verstehe dich da schon.

Lieber Qendrim, erzähl doch mal etwas von dir! Du spielst deine erste Saison für den RSV Oggenhausen. Wo kommst du her und wie lange spielst du schon Fußball?

Statovci: Ich komme aus dem Kosovo und habe dort in der 2. Liga gespielt. Seitdem ich acht Jahre alt bin, spiele ich Fußball. 2015 kam ich für kurze Zeit nach Deutschland und habe damals für den FSV Dornberg gespielt, das liegt in der Nähe von Heilbronn, eine ganze Saison lang. Ich war der beste Torjäger und die Mannschaft ist aufgestiegen. Dann bin ich in den Kosovo zurück und habe auch dort weitergekickt, weil ich niemals aufhören kann, Fußball zu spielen. 2020 bin ich dann wieder nach Deutschland gekommen – und sofort habe ich bei Oggenhausen angefangen zu kicken.

Was gefällt dir besonders gut in Oggenhausen?

Statovci: In Oggenhausen gefällt mir der Zusammenhalt unserer Mannschaft, alle sind motiviert. Es gibt mir viel Kraft, wenn mich ein Trainer richtig motiviert. Unsere Fans sind immer dabei und sorgen bei jedem Spiel für eine super Atmosphäre. In Oggenhausen kämpfen wir zusammen, das gefällt mir sehr. Es ist alles perfekt, ich fühle mich sehr wohl.

Er hat einen harten Schuss, ein guter Techniker ist er aber auch: Qendrim Statovci.
Er hat einen harten Schuss, ein guter Techniker ist er aber auch: Qendrim Statovci. – Foto: Kevin Damrose

Ugur, du bist ewig im Geschäft. Kannst du mal deine Spielerstationen aufzählen?

Ergovan: Meine Jugend habe ich beim Heidenheimer Sportklub, jetzt FC Heidenheim, durchlaufen, und zwar bis zur B-Jugend. Dann bin ich für ein Jahr zum AC Milan Heidenheim. In der A-Jugend spielte ich beim VfR Aalen, das war im Jahr 2000. Nach der A-Jugend habe ich in der zweiten Mannschaft des VfR gespielt, durfte häufig auf die Bank bei der Regionalliga-Mannschaft.

2005 bis 2006 habe ich mein Glück in der Türkei gesucht und in der 2. und 3. Liga gespielt, habe es aber leider nicht gepackt. Ich war damals Profi und hatte große Ziele und Hoffnungen.

Dann bin ich zurück nach Deutschland. Ich kam zum SV Großkuchen in die Bezirksliga. Dort sind wir abgestiegen, das war der erste Abstieg. Dann bin ich zu Türkspor Heidenheim gewechselt, auch in die Bezirksliga. Anschließend war ich bei Nattheim in der Bezirksliga und bin zum zweiten Mal abgestiegen.

Dann bin ich 2010 wieder zurück zu Türkspor, wenig später erlebte ich dort meinen dritten Abstieg (lacht).

In Unterkochen ging es weiter, wieder in der Bezirksliga. Die vier Jahre waren am besten, der Höhepunkt in meiner Karriere, da hat alles gepasst und diese Zeit wird nie wieder zurückkommen. So ein Verein, so ein Mannschaftsgeist, das werde ich nie wieder finden.

Nach den besagten vier Jahren wollte ich eine Veränderung. Die Fahrerei nach Unterkochen, 25 km hin, 25 zurück, war mir zu viel. Ich bin zurück zu Türkspor Heidenheim. Mein vierter Abstieg ließ dann nicht lange auf sich warten.

Letzte Saison war ich topfit, wollte nochmal angreifen, wollte Stamm spielen – dann aber kam die Pandemie und so weiter, und deshalb bin ich zu Steinheim in die Bezirksliga gewechselt. Auch, weil mein bester Freund Manuel Güll in Steinheim kickt.

Ich bin eigentlich für die Bezirksliga-Mannschaft eingeplant, habe es aber nicht geschafft, an Daniel Hirsch vorbeizukommen. Das kann ich aber nachvollziehen, er ist ein guter Torwart. Trotzdem will ich natürlich spielen.

In der Bezirksliga?

Ergovan: Ja, das ist mein Ziel.

Qendrim, wie hoch willst du noch spielen?

Statovci: Am Anfang kannte ich niemand hier und in Oggenhausen fühle ich mich sehr wohl. Natürlich will ich noch höher spielen. Ich will nicht so viel über mich reden, die anderen Spieler in Oggenhausen sind auch gut. Ich würde aber auch gerne mal in der Bezirksliga spielen, oder vielleicht sogar in der Landesliga.

Könnt ihr Meister werden?

Statovci: Ich würde mich freuen, wenn wir Meister werden. Ich werde alles geben dafür, dass wir aufsteigen.

Die Sprungkraft einer Katze, auch mit inzwischen 36 Jahren: Ugur Ergovan hält sich für sein großes Ziel fit, noch einmal in der Bezirksliga aufzulaufen.
Die Sprungkraft einer Katze, auch mit inzwischen 36 Jahren: Ugur Ergovan hält sich für sein großes Ziel fit, noch einmal in der Bezirksliga aufzulaufen. – Foto: Kevin Damrose

Was wäre für eure Zweite ein großer Erfolg?

Ergovan: Unser Saisonziel ist erst einmal, Punkte zu ergattern. Das schaffen wir aber nur, wenn wir von der ersten Mannschaft Unterstützung bekommen, anders ist es nicht machbar. Es ist eine zusammengewürfelte Truppe, bei der man vor dem Spiel noch telefonieren muss, dass man ein Team zusammenbekommt.

Was vermisst ihr jetzt gerade am allermeisten?

Statovci: Puhh, da kann ich jetzt viel sagen. Erst einmal vermisse ich den Ball, ich spiele zuhause auch, aber das reicht ja nicht. Das Training, die Mannschaft, alle zusammen.

Alle meine Hobbys sind verboten, alle haben mit Sport zu tun, ich kann da vieles. Im Tischtennis war ich auch immer der Beste, auch im Volleyball.

Ergovan: Ich vermisse die gute Laune der Menschen, das Positive in dieser Zeit. Dass alle nicht ständig über ein Thema – die Pandemie – reden. Mich macht es traurig, dass gerade Viele einfach nicht glücklich sind. Vieles ist eingeschränkt, mir fehlt einfach, dass die Menschen glücklich sind.

Dann fehlt mir das Fitnessstudio, mit meinen 36 Jahren muss ich viel machen, dass ich fit bleibe. Ich vermisse es auch, dreckig zu sein, dass ich Matsch im Mund habe (lacht).

Statovci: Ja, genau.

Ergovan: Mir fehlen die Geräusche, der Geruch des Rasens und das Torwarttraining.

Wie haltet ihr euch fit?

Ergovan: Ich wohne im Wald und laufe zwei- bis dreimal die Woche. Ich bin ein Läufertyp, die Pause ist vom Trainingspensum her deshalb nicht ganz so schlimm, ich habe einen Hometrainer und mache daheim Übungen. Ich besitze auch Hanteln und mache Bauchübungen.

Statovci: Ich arbeite den ganzen Tag und habe nicht viel Zeit. Dreimal in der Woche gehe ich joggen.

Wisst ihr, was laut Spielplan am 4. April 2021 stattfinden wird?

Ergovan: Ich vermute das Rückrundenspiel Steinheim/Gerstetten II gegen Oggenhausen.

Richtig! Wirst du dann im Tor stehen, Ugur?

Ergovan: Ich hoffe, dass ich an diesem Tag spiele, ob in der Bezirksliga oder in der Kreisliga B5. Es wäre aber natürlich etwas Besonderes, wieder gegen Qendrim ihm Tor zu stehen. Es wird aber nicht mein Ziel sein, ich glaube auch, Oggenhausen wird auch wieder gewinnen. Ich hoffe, und da bin ich ganz ehrlich, an diesem Tag in der Bezirksliga zu spielen.

Statovci: Vielleicht treffen wir auch ein anderes Mal wieder aufeinander.

Ergovan: Kreisliga A oder Bezirksliga – oder sogar in einer Mannschaft?

Statovci: Ja, das wäre es.

Ergovan: Ich schicke dich dann mit meinen Abschlägen (lacht).

Wie viele Tore willst du beim nächsten Mal gegen Ugur schießen, Qendrim?

Statovci: So viele wie möglich. Ich werde meine Chancen nutzen.

Trifft er, Ugur?

Ergovan: (lacht) Ich hoffe, er macht gar keines, dass wir nach dem Spiel auch was zum Reden haben! (beide lachen)

Bei einem Torhüter kann man das nicht sagen, da kannst du Manuel Neuer sein, für einen Torhüter kann es auch wirklich schlecht laufen, ich hoffe einfach mal, dass er gar keines macht.

Und ich hoffe, dass ihr beide noch einmal aufeinandertrefft, ganz egal, wer dann den besseren Tag erwischt. Vielen Dank für das Gespräch!

– Foto: Kevin Damrose

Aufrufe: 011.12.2020, 08:45 Uhr
JHermannAutor