2024-05-02T16:12:49.858Z

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– Foto: Thies Meyer

Hessen Kassel als Vorreiter

CORONA/SAISONABBRUCH: +++ Fußball-Relegationsteilnehmer auf Kreisebene fordern ebenfalls den Aufstieg +++

Dillenburg. Achim Häußer vom VfL Fellerdilln bringt es auf den Punkt: „Der Hessische Fußball-Verband hätte sich denken können, dass die Tabellenzweiten nicht ruhig bleiben.“ Im Kielwasser von Vereinen wie Hessen Kassel, Turabdin Babylon Pohlheim oder Dersim Rüsselsheim haben sich inzwischen ungefähr 40 Teams aus Hessen formiert. Sie alle hatten auf eine Teilnahme an Aufstiegs- oder Relegationsspielen gehofft. Für sie geht es nun darum, beim Verbandstag am 20. Juni nicht leer auszugehen. Ihre Forderung lautet „Aufstieg!“

Dersim Rüsselsheim baut Whatsapp-Gruppe auf

Dersim Rüsselsheim hatte im Mai begonnen, die betroffenen Vereine und Mannschaften per Whatsapp-Gruppe miteinander in Kontakt zu bringen. Aus dem Fußballkreis Dillenburg sind nach Kenntnis dieser Zeitung der VfL Fellerdilln (Zweiter der A-Liga) und der FC Eintracht Haiger (Dritter der C-Liga, Gruppe 1) dieser Gruppe beigetreten. Offen ist diese Frage im Fall des SSV Donsbach (neuer Quotienten-Dritter der B-Liga, da er als Feinwertungskriterium das Hinspiel gegen die quotientengleiche SG Obere Dill gewonnen hat). Beim FC Merkenbach II, Dritter der C-Liga, Gruppe 2, weiß man von einer solchen Whatsapp-Gruppe hingegen nichts. Alle vier Teams wären aufgrund ihres Tabellenplatzes zur Teilnahme an Relegationsspielen berechtigt gewesen.

Für Hessen Kassel hat sich das Krachschlagen in eigener Sache jedenfalls gelohnt: Der Tabellenzweite der Hessenliga, der mit einer Klage vor einem ordentlichen Gericht gedroht hatte, darf in die Regionalliga aufsteigen. HFV-Verbandsspielwart Jürgen Radeck bestreitet, dass die Androhung des Klagewegs ausschlaggebend für diese Entscheidung war (siehe das Interview auf dieser Seite). Doch an der Basis kommt das anders an.

Achim Häußer hat den Eindruck: „Hessen Kassel hat auch medial einen riesigen Druck ausgeübt.“ Für den VfL Fellerdilln bedeutet die Causa Kassel frischen Wind auf die Segel. Häußer sagt: „Wenn der Verband diese Entscheidung jetzt nicht nach unten in die anderen Ligen weitergibt, dann fehlen mir die Worte.“ Marcus Winter, Sportlicher Leiter der Grün-Weißen, ergänzt: „Für mich ist das das Zeichen, dass alle anderen Mannschaften, die eine Relegationsrunde gespielt hätten, ebenfalls aufsteigen.“ Joannis Arabatzis, Spielertrainer des FC Eintracht Haiger, stimmt den beiden zu: „Man kann Hessen Kassel als Vorreiter betrachten. Diese Entscheidung trägt Symbolcharakter.“

Andrija Kalic, neuer Trainer in Donsbach, gibt sich vorsichtiger: „Es ist nachvollziehen, wenn manche Vereine wie Hessen Kassel ihre Interessen wahrnehmen.“ Ob die Aufstiegsentscheidung aber auf untere Klassen übertragbar sei, könne er nicht beurteilen. Armin Hickl, Vorstandsmitglied beim FC Merkenbach, möchte nicht in der Haut der HFV-Verantwortlichen stecken: „Die Situation ist für alle schwierig, auch für die Entscheider.“

Würde Hickl seiner Reserve den Aufstieg denn nicht gönnen? „Sportlich wäre der Aufstieg reizvoll, und wir würden ihn auch wahrnehmen. Aber in der C-Liga erneut vorn mitzuspielen, würde ebenfalls Spaß machen“, sagt er. Andrija Kalic sagt zum Aufsteigenmüssen: „Das ist keine Bundesliga. Manche A- oder B-Ligisten nehmen sich viel zu wichtig. So schön der Amateurfußball in diesen Klassen auch ist, er ist nicht der Nabel der Welt.“ Armin Hickl würde den Aufstieg jedenfalls nicht einklagen wollen: „Das erschiene mit zu weit her geholt. Aber ich kann mit vorstellen, dass die Debatte für Vereine in höheren Ligen eine größere Bedeutung hat.“

Zum Beispiel für den VfL Fellerdilln. Achim Häußer verdeutlicht: „Der Aufstieg war unser Saisonziel. Corona hat der Mannschaft die Chance genommen, sich auf sportliche Weise durchzusetzen.“ Und ihr Glück zur Not über die Relegation zu zwingen.

Den Vereinen in der Whatsapp-Gruppe geht es aber neben der Chance auf den Aufstieg auch noch um etwas anderes. Joannis Arabatzis fasst es in Worte: „Es macht Sinn, Haltung zu zeigen. Demnächst wird entscheiden, aber es wird entschieden, ohne alle Mannschaften mitgenommen zu haben.“

Die potentiellen Relegationsteilnehmer seien gegenüber abgeschlagenen Tabellenschlusslichtern strukturell benachteiligt worden, lautet ein wesentliches Argument der Whatsapp-Gruppenmitglieder. Denn in der Befragung der Vereine durch die Kreisfußballwarte sei es zwar darum gegangen, ob Tabellenerste oder Quotientenbeste aufsteigen und Tabellenletzte um den Abstieg herumkommen sollen. Aber das Thema Relegation sei gar nicht erst angesprochen worden. „Es wurde gesagt, dass es eine faire Lösung geben soll, dass niemand benachteiligt werden soll“, sagt Arabatzis. Die Lösung, die sich jetzt abzeichnet, empfindet er keineswegs als fair oder gut.

„Ich habe die Hoffnung, dass die Verantwortlichen bis zum Verbandstag noch einmal einen anderen Blickwinkel auf die Dinge bekommen“, sagt er. Dazu beitragen könnte ein Schreiben, das in der Whatsapp-Gruppe zurzeit vorbereitet wird und dass sowohl Vorstandsmitglieder des VfL Fellerdilln als auch des FC Eintracht Haiger unterzeichnen wollen. „Ich befürworte dieses Schreiben, das Argumente aus der Sicht von 40 Vereinen versammelt. Das ist ein riesengroßer Blickwinkel, der sich da auftut.“

Doch egal ob kooperativ mit Argumenten und einer Petition oder konfrontativ mit der Faust auf dem Tisch - Achim Häußer bringt es auch im Schlusswort auf den Punkt: „Solange es eine Möglichkeit gibt, wird der Vorstand des VfL Fellerdilln mit allem um einen Platz in der Kreisoberliga kämpfen. Das sind wir dem Verein und der Mannschaft einfach schuldig.“



Aufrufe: 02.6.2020, 20:06 Uhr
Sven Jessen (Dill-Post / Dill Zeitung)Autor