2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Standen FuPa ausführlich Rede und Antwort (von links nach rechts): Heribert Ketterl, Tobias Beck und Richard Maierhofer.
Standen FuPa ausführlich Rede und Antwort (von links nach rechts): Heribert Ketterl, Tobias Beck und Richard Maierhofer. – Foto: Hofer Paul

Hankofens historische Chance: »Es ist eine Gratwanderung«

Das große Winterpausen-Interview, Teil 1: Der Hype birgt auch Gefahren, wie sich der Verein für den Erfolgsfall wappnet und ein ungleiches Trainerduo

Die SpVgg Hankofen-Hailing kann in Frühjahr Geschichte schreiben und den nicht für möglich gehaltenen Aufstieg in die Regionalliga schaffen. Wie gehen die Protagonisten damit um? FuPa hat sich vor dem Start in die Frühjahrsrunde am 19. Februar beim VfB Hallbergmoos zum großen Interview mit dem Trainerduo Heribert Ketterl / Tobias Beck und dem Sportlichen Leiter Richard Maierhofer verabredet. Im ersten Teil geht`s um die sprunghaft gestiegene Aufmerksamkeit - Fluch oder Segen? Welche Vorbereitungen der Verein für den Erfolgsfall treffen muss und um ein ungleiches Trainerduo.

FuPa: Süddeutsche Zeitung, Bayerischer Rundfunk - die SpVgg Hankofen-Hailing und das niederbayerische Fußballmärchen sind in aller Munde. Fasst ihr euch eigentlich manchmal selbst an den Kopf und fragt euch: Was passiert da gerade?
Richard Maierhofer (50): Man lässt es für sich natürlich immer wieder Revue passieren und kommt zu der Erkenntnis: Es ist schon unglaublich, was wir da in der Vorrunde geschafft haben! Aber wir wissen alle auch, dass es sehr schwierig wird, wieder in so einen Lauf reinzukommen.

Tobias Beck (27): Es wird einem erst so richtig bewusst, wenn wie im Winter eine längere Pause ansteht und man alles mal sacken lassen kann. Währende der Saison schaust du normal immer von Spiel zu Spiel. Mit ein wenig Abstand realisiert man das Ganze erst. Es bringt uns aber nichts, wenn wir am Ende der Spielzeit nicht da stehen, wo wir jetzt stehen. 15 harte Spiele liegen noch vor uns. Das heißt: Wir dürfen nicht aufhören!

Heribert Ketterl (61): Intern hatten wir natürlich schon vorher Ziele kommuniziert. Zunächst wollten wir so lange wie möglich vorne dabei bleiben, dann wollten wir die Herbstmeisterschaft holen. Und dann hat die Mannschaft selbst formuliert: Jetzt wollen wir auch Wintermeister werden. Aber das Ziel Meister hat so eigentlich noch nie jemand klar formuliert, höchstens mal angerissen. Aber in den Köpfen der Spieler ist das mittlerweile drin, das suggeriert ja auch das mediale Interesse.


Kann das gesteigerte Interesse auch dazu führen, dass ihr den Fokus aufs Wesentliche verliert?
Heribert Ketterl: Es schlagen zwei Herzen in einer Brust. Das eine sagt: Hey, pass auf, es ist noch nichts gewonnen. Das andere sagt: Du bist doch eh so gut! Die Balance zu finden, das ist nun die Krux. Aber wir vertrauen unserer Mannschaft und wissen auch, dass die Jungs so gefestigt sind, um diesen Spagat zu bewältigen. Ob`s dann am Ende reicht, kann ich natürlich noch nicht sagen. Wir würden aber schon ganz gerne möglichst lange ganz vorne stehen. (schmunzelt)

Heribert Ketterl ist in Hankofen wahrlich kein Unbekannter. Vor über 20 Jahren führte der den Verein von der Kreisliga in die Bezirksoberliga.
Heribert Ketterl ist in Hankofen wahrlich kein Unbekannter. Vor über 20 Jahren führte der den Verein von der Kreisliga in die Bezirksoberliga. – Foto: Hofer Paul


Tobias Beck: Ich glaube, für die Spieler ist es noch schwerer als für uns als Trainerteam. Wir sprechen viel mit den Jungs, sie bauen sich selbst Druck auf, das kristallisiert sich heraus. Unsere Aufgabe ist es jetzt, diesen Druck bis zum 19. Februar, wenn`s wieder losgeht, komplett von der Mannschaft wegzunehmen. Weil nur so werden wir funktionieren, wenn wir ohne Druck und als Team agieren können. Klar ist auch, so eine Situation hatten wir in der Vergangenheit noch nicht.

Die Ausgangslage ist mehr als komfortabel. Elf Punkte sind`s auf den Tabellenzweiten. Heißt aber auch im Umkehrschluss, ihr habt jetzt durchaus auch etwas zu verlieren.
Heribert Ketterl: Ich glaube nicht, dass wir viele Spieler im Kader haben, die noch von der großen Profikarriere träumen. Aber wenn sich die Chance ergibt, in eine halbprofessionelle Liga wie die Regionalliga aufzusteigen, dann würde für viele ein Traum in Erfüllung gehen. Denn jeder möchte doch so hoch spielen wie möglich. Wir müssen jetzt eben zusehen, dass wir nicht verkrampfen. Wir wissen was wir können, wir wissen aber auch, was die anderen können. Es ist eine Gratwanderung.

Bislang ist die Mannschaft erstaunlich gelassen mit dem Höhenflug umgegangen und hat sich vom Hype nicht anstecken lassen.
Tobias Beck: Wir haben viele Spieler drin, die genau einschätzen können, welch harte Arbeit hinter den Ergebnissen stecken. Sie halten die Mannschaft am Boden. Wir sprechen bestimmte Dinge als Trainer natürlich an, aber zu großen Teilen regelt das die Mannschaft alleine.

Richard Maierhofer: Von alleine läuft in keiner Mannschaft etwas. Tobi und Heri machen das hinsichtlich der Mannschaftsführung einfach ganz herausragend. Sie haben ein super Gespür dafür, wann sie eingreifen müssen, oder wann sie mal was laufen lassen können.


Abenteuer Regionalliga: Es würde eine Menge Geld kosten...


Die Winterpause war für die Spieler eine entspannte Zeit. Für die Vereinsfunktionäre im Hintergrund eher weniger. Die SpVgg muss sich auf den Erfolgsfall Aufstieg vorbereiten. Richard, was heißt das konkret und wo siehst du die größten Hürden auf dem logistischen Weg Richtung 4. Liga?
Richard Maierhofer: Ich bin mir sicher, dass wir das Ganze grundsätzlich schaffen können. Im November waren schon zwei Abgesandte vom BFV da und haben unser Stadion unter die Lupe genommen. Wir benötigen eine Kapazität von 2.500 Zuschauern, aber das wussten wir schon vorher. Wir müssen also noch eine Zusatztribüne schaffen plus einen Gästeblock für Risikospiele - mit allem was dazugehört. Sprich Kiosk, Toiletten, Fangzaun und separatem Zugang. Es ist machbar, wird uns aber richtig viel Geld kosten. Wie schon bekannt, haben wir uns als Verein bereits klar positioniert und werden - auch wenn große Investitionen nötig sind - die Lizenzierung beantragen. Bis 8. April müssen die Unterlagen beim Verband abgegeben werden. Wir tun alles dafür, diese Dinge auf die Reihe zu bekommen. Wichtig ist für uns, dass Mannschaft und Trainer sich darüber keine Gedanken machen müssen und sich voll und ganz aufs Sportliche konzentrieren können.

Der Kostenfaktor ist auf dem Weg in die Regionalliga nicht zu unterschätzen. Da trifft es sich gut, dass eure Heimspiele im Herbst richtig Geld in die Kassen gespült haben. Mit 700 Zuschauern im Schnitt seid ihr auch in dieser Kategorie der Bayernliga-Krösus. Die Stimmung ist bei den Gegnern gefürchtet. Hat euch das einige Punkte gesichert?
Tobias Beck: Wenn du vor 1.000 Zuschauern spielst, ist das natürlich was anderes, wie wenn du in Pullach vor 50 spielst. Unser Stadion hat sich zu einer Festung entwickelt, wir haben noch kein Heimspiel verloren. Das ist schon ein großes Plus. Du gehst schon anders in eine Grätsche oder einen Zweikampf, wenn du von draußen lautstark angefeuert wirst. (lacht)

Lässt sich kaum aus der Ruhe bringen: Mit seinen 27 Jahren ist Tobias Beck auf dem Platz ein Stratege.
Lässt sich kaum aus der Ruhe bringen: Mit seinen 27 Jahren ist Tobias Beck auf dem Platz ein Stratege. – Foto: Paul Hofer


Heribert Ketterl: In diesem Zusammenhang möchte ich explizit drei Spiele nennen. Gegen Schwaben Augsburg hatten wir keinen guten Tag erwischt. Wir haben überhaupt keinen Fuß auf den Platz gebracht. Da haben uns wirklich die Zuschauer gerettet, weil sie uns trotz unserer mauen Vorstellung bis zum Schluss nach vorne gepeitscht haben. Ja und dann macht halt der Vogl David mit einem super Volleyschuss das entscheidende 1:0. Ingolstadt II kam mit vier, fünf Spielern aus dem Profikader zu uns. In diesem Spiel haben wir das beste Pressing aufziehen können, weil von außen super Unterstützung kam. Und dann natürlich das Donaustauf-Spiel, da hat`s richtig geknistert rundherum. (schmunzelt) Wir haben schon auch Durchhänger, so ist es nicht. Da tut es gut, eine Zuschauerschar hinter uns zu haben, die uns nach vorne peitscht.

Wenn es um Hankofens Stärken geht, wird gerne mannschaftliche Geschlossenheit genannt. Was aber noch auffällt: Ihr könnt 90 Minuten marschieren und wirkt enorm fit. Das verlangt aber große Disziplin von jedem einzelnen Akteur.
Tobias Beck: Wir haben mittlerweile einen großen Kader und jede Position fast doppelt besetzt. Jeder muss Gas geben im Training. Und wenn`s natürlich so gut läuft, willst du unbedingt spielen. Klar, die Tabellensituation wirkt sich auch auf die Eigenmotivation aus. Wenn ich zum Beispiel Matthias Lazar hernehme. Er hat an Gewicht verloren, ich habe ihn selten so fit gesehen. Als Tabellenführer trainierst du leichter, als wenn du hinten drin stehst.

Heribert Ketterl: Tobi Lermer hat in einem Interview gesagt, er würde am liebsten die Fußballschuhe gar nicht mehr ausziehen. Das beschreibt den Willen der Mannschaft recht gut. Da kommt keiner mit einem hängenden Gesicht zum Training.


»Der Beck hat doch da eh nix zu sagen!«


Auf den ersten Blick seid ihr ein ungleiches Trainerduo. Aber offensichtlich harmoniert ihr perfekt. Was ist euer Erfolgsgeheimnis?
Tobias Beck: Wir haben prinzipiell die gleiche Herangehensweise, wie wir Fußball spielen wollen. Die Kommunikation ist uns beiden extrem wichtig. Alle Entscheidungen treffen wir miteinander. Es will keiner stur sein Ding durchziehen, das ist auch ganz wichtig. Viele haben am Anfang gesagt: Der Beck hat doch da eh nix zu sagen! Aber es funktioniert, wenn man es richtig angeht. Wir suchen immer zusammen nach Lösungen. Mir war auch noch wichtig, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der nicht stur auf seinen alten Prinzipien beharrt. Weil da gibt`s genug davon. (grinst)

Heribert Ketterl: Durch meine Tätigkeit beim BFV konnte ich mich ständig weiterentwickeln. Es ist jetzt definitiv nicht so, dass ich auf dem Stand von vor 20 Jahren stehen geblieben bin und auf überholten Prinzipien beharre. (lacht) Und zudem haben wir beide Hankofener Wurzeln. (lacht) Ich war früher schon zehn Jahre Trainer hier, Tobi ist fast gebürtiger Hankofener, weil sein Vater hier aufgewachsen ist und unter mir schon gespielt hat. Für Tobi und mich ist es wichtig, auch das wahre Leben mit reinzunehmen. Wir wollen Dinge reinbringen, die die Spieler zum Nachdenken animieren. Damit die Jungs auch geistig gefordert werden und merken, Fußball ist nicht nur ackern.

Richard, klopfst du dir eigentlich manchmal selbst auf die Schulter, Heri reaktiviert zu haben?
Richard Maierhofer: Wir sind schon froh und stolz, dass er wieder bei uns in Hankofen ist. (lacht) Er hat damals schon super Arbeit geleistet und uns von der Kreisliga bis in die Bezirksoberliga geführt. Wir haben also gewusst, was wir an ihm haben. Die eigentliche Intention bei Heris Rückkehr war ja, Gerry (Huber, Anm.d.Red.) zu stärken. Die beiden sind gut befreundet. Leider kam es dann anders und wir mussten die Reißleine ziehen. Es war dann für uns als Verein naheliegend, dass Heri und Tobi die Verantwortung übernehmen sollen. Dass es nun so herausragend läuft ist natürlich auch ein Verdienst von Tobi, der für sein Alter und angesichts seiner ersten Trainerstation bereits jetzt top ist bezüglich Umgang mit den Spielern und taktischem Verständnis. Das Auftreten der beiden Trainer und die Präsentation nach außen machen sie zu einem Sympathieträger der Spvgg. Hankofen.

Das Interview führte Mathias Willmerdinger. Im zweiten Teil blicken wir auf die Vorbereitung, wie ein möglicher Kader für die Regionalliga aussähe und große Augen, wenn der Bayern-Bus nach Hankofen kommen würde.

Aufrufe: 010.2.2022, 08:30 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor