2024-04-25T14:35:39.956Z

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Max Pflücke stand lange im Schatten seines großen Bruders Patrick. Nach zwei langen Verletzungspausen genießt er nun bei Basara Mainz in der Verbandsliga wieder den Fußball, die Blockade im Kopf ist dafür weg.
Max Pflücke stand lange im Schatten seines großen Bruders Patrick. Nach zwei langen Verletzungspausen genießt er nun bei Basara Mainz in der Verbandsliga wieder den Fußball, die Blockade im Kopf ist dafür weg. – Foto: stock.adobe/Basara

"Größtes Problem, dass ich immer der kleine Bruder war"

Serie - Teil 21: Der 22-Jährige begleitet seinen großen Bruder Patrick auf Schritt und Tritt +++ Zwei Verletzungen warfen ihn zurück +++ Bei Basara wieder aufgeblüht

Mainz. Pflücke, bei dem Namen klingelt es bei Fußball-Interessierten. Patrick Pflücke, der von U15 bis U19 alle Junioren-Nationalmannschaften durchlief, für jede einzelne traf und als Top-Talent von Mainz 05 galt, zählte zu den wenigen Spielern, die der FSV im Nachwuchs aus weiter entfernten Regionen geholt hat. Damals, 2011, kam der Linksfuß aus Dresden. Die ganze Familie siedelte von der Elbe an den Rhein über. Mit ihm: Maximilian Pflücke. Das Beispiel seines drei Jahre älteren Bruders begleitete ihn seither auf Schritt in Tritt.

Ganz oder gar nicht, lautete der Beschluss im Hause Pflücke. Die beiden Brüder waren und sind ein Herz und eine Seele. Als „meinen besten Freund“ bezeichnet der 22-jährige Max den 25-Jährigen, der inzwischen bei Roda Kerkrade in den Niederlanden spielt. In ihrer Kindheit in der sächsischen Landeshauptstadt spielten die beiden häufig zusammen, meist zog es sie dabei auf den Fußballplatz. Auch bei Dynamo waren sie eine Zeit lang parallel am Ball. Bis Pflücke sich auf den Radar der Spielerberater und Top-NLZs wirbelte.

"Einige Vereine abgeklappert"

Die Auswahl war groß. Bayern? Dortmund? „Mein Bruder hat einige Vereine abgeklappert“, erzählt Maximilian Pflücke, „in Mainz haben wir uns sofort wohl gefühlt.“ Die familiäre, weniger förmliche Atmosphäre, die sofort spürbare Zugänglichkeit der Stadt, die Freundlichkeit, mit der Christian Heidel, Thomas Tuchel und Co. die Pflückes in Empfang nahmen, das machte Eindruck.

In der U19 wird die Konkurrenz zu groß

„Es war eine große Umstellung, alle Freunde zurückzulassen“, sagt Max, „aber lange musste ich mir meine Zustimmung nicht überlegen.“ Bestimmt ein Jahr habe er gebraucht, um sich so richtig einzuleben. Der Vorteil in der Sportklasse an der neuen IGS war, dass auch einige Teamkollegen dabei waren. Denn auch Maximilian Pflücke wurde 05er, zeitgleich mit seinem Bruder.

„Ich wollte nicht, dass sie mich nur wegen meines Bruders nehmen“, erinnert er sich – und setzte darauf, sich im Probetraining zu beweisen. Sascha Meeth war es, der damals zuschnappte. Bis zur U17 blieb der jüngere Pflücke-Bruder am Bruchweg, dann zeigte ihm U19-Trainer Thomas Krücken schon früh im Februar die Perspektiven auf. Tenor: Du kannst gern bleiben, aber die Konkurrenten auf der Position heißen Ridle Baku und Jayson Breitenbach. Der eine inzwischen A-Nationalspieler, der andere Profi bei den Offenbacher Kickers. Aussicht auf Spielzeit: null. „Für mich war klar, dass ich wechsle“, erinnert er sich.

Nicht schon wieder die Freunde verlassen

Aber wohin? Eine Grundsatzentscheidung stand an. Max Pflücke war in der Oberstufe, strebte das Abitur an – und schaute sich potenzielle neue Arbeitgeber in Bochum und Braunschweig an. Seine Eltern drängten, wie auch bei seinem Bruder, darauf, die Schule zu Ende zu bringen. Und wieder die Freunde verlassen, mit ungewisser Aussicht – nein, das sollte es nicht sein. Babak Keyhanfar, damals Trainer des SV Gonsenheim, bot ihm an, als junger A-Jugend-Jahrgang bei den Oberliga-Aktiven mitzutrainieren.

Harte Landung auf Oberliga-Niveau

Rudi Baku hatte ein Jahr zuvor denselben Weg eingeschlagen und schaffte den Sprung zurück, über den Bruchweg in den Profifußball. Es war eine harte Landung. „Das war richtig heftig“, erinnert sich Pflücke an sein erstes Training mit all den gestandenen Oberligaspielern. „Ich habe gemerkt – das wird nicht so einfach wie gedacht.“ Tempo, Körperlichkeit, Robustheit, das hatte schon im Training mit Jugendfußball nichts mehr zu tun. „Aber es hat mega Spaß gemacht, die Mannschaft hat mich toll aufgenommen.“

Zweimal monatelange Verletzungen

Über die U19-Regionalliga robbte er sich ran. Leider blieb das Verletzungspech sein stetiger Begleiter. Während Patrick Pflücke annähernd unbeschadet durch seine Karriere kommt, schoss es Maximilian gleich zweimal in der Vorbereitung für Monate raus – einmal zwei Tage vor dem Testspiel gegen das Bundesligateam der 05er.
„Das hat mich ziemlich geknickt“, erzählt er. Als die folgende Saison wieder so misslich begann, zog Maximilian Pflücke den Stecker. „Für den Kopf war das richtig heftig. Ich habe ein halbes Jahr komplett pausiert, bin nur noch ins Fitnessstudio gerannt, mindestens sechsmal die Woche.“

Wechsel zu Basara eine top Entscheidung

Die Hoffnung, über Gonsenheim den Sprung in den bezahlten Fußball zu schaffen, hatte sich zerschlagen. Doch die Lust aufs Kicken kam wieder. Und die Sinne für präventives Kraft- und Stabi-Training waren geschärft. Seit Sommer 2020 spielt Pflücke für den FC Basara Mainz, wieder auf Keyhanfars Vermittlung hin. Als „eine der besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe“, bezeichnet der Außenverteidiger den Wechsel zu den „Diamanten“ in die Verbandsliga. „Die Mannschaft ist mega cool, ich wurde vom ersten Tag an so behandelt, als wäre ich schon drei Jahre da. Das Training ist klasse, wir haben viel Spaß, aber auch Ambitionen.“ Bis auf eine fünfwöchige Auszeit aufgrund eines Faserrisses – in Pflückes Rechnung eine „kurze Pause“ – blieb er seither verletzungsfrei. „Die Blockade im Kopf war weg.“ Fußball wurde wieder Genuss.

Patrick "hat vorgemacht, wie es ist viel zu geben"

Als damals, vor elf Jahren, der Sprung nach Mainz anstand, „hatte ich mega Schiss“, erinnert er sich. Was, wenn es nicht klappt, Anschluss zu finden? Diese Sorge war schnell verflogen. „Das größte Problem war für mich, dass ich immer der kleine Bruder vom Patrick war. Ich bin mega stolz auf ihn und empfinde keinerlei Neid. Vor seinem ersten Bundesligaspiel gegen Bayern war ich nervöser als er.“ Aber das Ziel, aus dem Schatten zu treten, musste Max Pflücke aufgeben. „Er hat mir vorgemacht, wie es ist, sehr viel dafür zu geben. Wir waren beide nie weg, sind nie mitgegangen, wenn Freunde feiern waren.“

Im Hinterkopf geistert dieser Traum immer noch herum. „Ich hadere überhaupt nicht, bereue nichts“, sagt Max Pflücke. Auch und erst recht nicht, damals nicht nach Braunschweig gegangen, Familie und Schule hinter sich gelassen zu haben. Aktuell studiert er und jobbt zudem in einem Corona-Testzentrum. Fußball ist ungetrübte Freude derzeit. „Was kommt, das kommt.“

Zur Serie: In dieser Reihe porträtieren wir ehemalige NLZ-Spieler, die den Sprung zum Profi nicht gepackt haben und nun bei Amateurteams aus der Region spielen. Sie erzählen uns, wie nah dran sie wirklich am großen Traum Profifußball waren und welche Ambitionen sie jetzt haben - sowohl auf als auch neben dem Platz.

- Teil 1: Linus Wimmer (SV Eintracht Trier)
- Teil 2: Lukas Fischer (TSG Bretzenheim)
- Teil 3: Lars Hermann (TSV Schott Mainz)
- Teil 4: Nik Rosenbaum (SV Alemannia Waldalgesheim)
- Teil 5: Joshua Iten (SG Hüffelsheim)
- Teil 6: Bilal Marzouki (FC Maroc Wiesbaden)
- Teil 7: Kevin Frey (VfB Bodenheim/TSG Mainz Futsal)
- Teil 8: Giorgio del Vecchio (TSV Schott Mainz)
- Teil 9: Marco Waldraff (SV Niedernhausen)
- Teil 10: Manuel Konaté-Lueken (RW Walldorf)
- Teil 11: Sandro Loechelt (Wormatia Worms)
- Teil 12: Marvin Esser (SG Walluf)
- Teil 13: Patrick Huth (TSG Pfeddersheim)
- Teil 14: Ilker Yüksel (Hassia Bingen)
- Teil 15: Tim Burghold (SV Niedernhausen)
- Teil 16: Noel Wembacher (RW Darmstadt)
- Teil 17: Tobias Schneider (RWO Alzey)
- Teil 18: Noah Michel (Türkgücü Friedberg)
- Teil 19: Marleen Schimmer (San Diego Waves)
- Teil 20: Deniz Darcan (SG Eintracht Bad Kreuznach)

Aufrufe: 01.3.2022, 07:00 Uhr
Torben SchröderAutor