2024-04-25T14:35:39.956Z

Vereinsnachrichten
Der Ball ruht in den Amateurligen. Wegen des Saisonabbruches gibt es nun Ärger. ⇥Foto: dpa Lukas Schulze
Der Ball ruht in den Amateurligen. Wegen des Saisonabbruches gibt es nun Ärger. ⇥Foto: dpa Lukas Schulze
Die Abbruchs-Empfehlung des Fußballverbandes Mittelrhein stößt nicht bei allen Vereinen auf Gegenliebe

Die Einschätzung des ehemaligen Bremer Sportfunktionärs Franz Böhmert, dass die Tabelle nicht lüge, mag durchaus berechtigt sein. Dass sie aber den Unterschied zwischen Auf- und Nichtaufstieg mitunter verzerrt darstellt, zeigt sich gerade im Amateurfußball des Fußballverbandes Mittelrhein (FVM). So darf sich beispielsweise der B-Kreisligist Germania Impekoven aktuell über den Aufstieg ins Kreisklassen-Oberhaus freuen. Der Viertplatzierte der Staffel 2 hat in dieser Spielzeit nicht ein Mal die Tabelle angeführt und noch nicht gegen jedes Team der Liga gespielt. Dennoch würde er im Gegensatz zum tabellarischen Spitzentrio aufsteigen.

Möglich macht es die Quotientenregel, nach der der FVM einen Aufsteiger aus jeder Liga errechnet. Nur so können die Mannschaften bei unterschiedlicher Anzahl ausgetragener Spiele gleichgesetzt werden. Das Team mit dem höchsten Quotienten steigt auf. „Da gibt es durch sämtliche Staffeln hinweg ähnliche Fälle“, sagt Sebastian Groh, Vorsitzender der Sportfreunde Ippendorf. Der Tabellenzweite der Bonner A-Liga ist ein Härtefall. 0,04 Punkte trennen die Sportfreunde vom Aufstieg, Ippendorf hat ein Spiel weniger als Spitzenreiter Endenich II absolviert. Ein 1:0-Erfolg über Sechtem hätte Ippendorf zum Aufstieg gereicht. „Ich schätze Sechtem sehr und kann nicht sagen, ob wir gepunktet hätten“, sagt Grohs. „Aber darum geht es auch gar nicht. Mir geht es darum, dass noch vor wenigen Wochen für die Fortsetzung der Saison geworben wurde. Jetzt erlaubt die Landesregierung ab Ende Mai Mannschaftssport und auf einmal wird die Spielzeit abgebrochen? Das erschließt sich mir nicht.“

Tatsächlich hatte der FVM Ende April noch für die Wiederaufnahme der Spielzeit ab dem 1. September geworben. Dazu holte sich der Verband ein Meinungsbild per Online-Voting ein. Das Ergebnis der Umfrage zeigte den tiefen Spalt, der sich durch das ganze Verbandsgebiet zieht. Es war eine 50:50-Entscheidung. Nahezu die Hälfte der Befragten stimmte für die Fortführung, die andere dagegen. Weitere konkrete Szenarien, beispielsweise ob Abbruch mit oder ohne Wertung, hätten das Bild noch einmal differenziert. Schon dort wird das FVM-Präsidium geahnt haben, vor welcher schweren Aufgabe es nun steht. Wie will man es allen Vereinen recht machen?

„Die Enttäuschung bei den Verantwortlichen der SF Ippendorf ist verständlich. Angesichts der Covid-19-Pandemie müssen aber im gesamten DFB Entscheidungen getroffen werden, die nicht alle Vereine zufriedenstellen können. Ippendorf stellt einen solchen Härtefall dar“, sagt FVM-Präsident Bernd Neuendorf. „Das ist überaus bedauerlich. Und dennoch haben die spielleitenden Stellen sorgfältig abgewogen und einen Vorschlag unterbreitet, von dem wir hoffen, dass er unter den gegebenen Umständen für die allermeisten Vereine im Verbandsgebiet akzeptabel ist.“ Und so musste der FVM eine Entscheidung treffen. „Präsidium und Beirat des Verbandes sind dem Vorschlag der spielleitenden Stellen nach Anhörung des FVM-Beirates sowie des FVM-Jugendbeirates gefolgt. Jetzt müssen der Verbandstag und der Verbandsjugendtag abschließend entscheiden“, so FVM-Präsident Neuendorf weiter. „Die Vereine wünschen sich diese Klarheit.“ Nach den Verbandstagen am 20. und 21. Juni dürfte damit genau diese Klarheit herrschen. Eine Klarheit, die aber nicht alle Mannschaften zufriedenstellt.

„Das ist eine rein wirtschaftliche Lösung. Es wird auf die gehört, die am lautesten geschrien haben“, sagt Grohs. „Da sind Vereinsvertreter dabei, die den FVM-Präsidenten nach dem Vorschlag, die Saison fortzusetzen, öffentlich diffamiert und beleidigt haben, die ihn jetzt für die neue Entscheidung aber in höchsten Tönen loben. Das ist absurd.“ Auch deswegen hatten die Sportfreunde Bernd Neuendorf angeschrieben. „Hier wird der blanken Hektik und Hysterie von überregionalen Vereinen, die im Abstiegskampf stecken, gefolgt. Diesen Ansatz, nur den Lauten ein Recht zu geben, können wir nicht akzeptieren, weil er ein weiterer Schritt in die falsche Richtung wäre“, heißt es in dem Brief. Die Sportfreunde schlagen eine andere Staffelung mit kleineren Gruppen vor. Demnach sollen auch die Zweitplatzierten der Kreisligen aufsteigen.

Ein Vorschlag, der bei anderen Vereinen auf offene Ohren stößt und auch beim FVM nicht einfach liegengelassen wird. „Selbstverständlich werden sich die spielleitenden Stellen mit diesem Vorschlag noch einmal befassen“, sagt Neuendorf. „Aber es ist erkennbar, dass die Idee der Sportfreunde neue komplizierte Fragen aufwirft, die dann wieder an anderer Stelle zu Problemen führen. Es gibt leider nicht die einzige und allumfassende Patentlösung, die alle Vereine jubeln ließe.“

Die Empfehlung des Verbandes kommt dennoch überraschend. Schließlich sorgte sich der Verband vor einer Klagewelle, die jegliche Entscheidung am grünen Tisch mit sich bringen könnte. Das hatten die Kreise Bonn und Sieg schon in der Vorsaison schmerzhaft erfahren müssen, als sich ein Rechtsstreit über die gesamte Sommerpause zog und zu einem verspäteten Ligabeginn in Bonn führte. Nun warb Neuendorf für seinen Vorschlag, in dem er vor einer Klagewelle warnte. „Zunächst einmal hat jeder das Recht, Entscheidungen des Verbandes juristisch überprüfen zu lassen“, sagt Neuendorf. „Gleichzeitig hoffe ich, dass die Entscheidung des Verbandstages keine Klagen auslöst. Unser großer Wunsch ist es, dass die neue Saison pünktlich starten kann. Das muss auch im Interesse aller Vereine sein.“

Grohs erwartet keine weitere Kehrtwende des FVM. „Nein, das wird nicht passieren“, sagt der Vorsitzende der Sportfreunde. „Ich bitte aber um eine Nachbesserung der Regel.“ Wenn es sein muss, wollen die Sportfreunde auch weiterhin ihren Unmut öffentlich kundtun. „Ich werde heute oder morgen die überregionalen Vereine des FVM anschreiben und um Solidarität mit den Kreisligisten bitten, und dass diese unseren Vorschlag, die Tabellenzweiten mitzunehmen, aktiv unterstützen sollen.“, sagt Grohs. Ob der A-Ligist damit Erfolg hat, ist fraglich. Die Entscheidung über Auf- und Nichtabstieg scheint so gut wie gefallen zu sein. „Wenn man sich anschaut, dass es Tabellenletzte gibt, die nicht einen Punkt geholt haben und nicht absteigen, dann frage ich mich schon nach dem sportlichen Wert“, sagt Grohs. Auch da lügt die Tabelle nicht. Felix Magath schätzte die Floskel von Franz Böhmert ein wenig anders ein: „Die Tabelle, die ja nie lügt, täuscht ja oft.“

Aufrufe: 026.5.2020, 07:25 Uhr
General-Anzeiger BonnAutor