2024-05-10T08:19:16.237Z

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Harter Zweikampf bei einem Fußballspiel: Ein Gerichtsurteil in Schleswig-Holstein sorgt für Gesprächsstoff.
Harter Zweikampf bei einem Fußballspiel: Ein Gerichtsurteil in Schleswig-Holstein sorgt für Gesprächsstoff. – Foto: IMAGO, Karl-Heinz Hamacher, Jerome Gras und FuPa

„Fußballplatz ist kein rechtsfreier Raum“

Schadenersatzanspruch nach Foulspiel in der Kreisliga. Das sagen Trainer und Spieler aus der Region zu dem Urteil.

Es ist ein Urteil mit Signalwirkung und sorgt für Diskussionsstoff: Begeht ein Amateurfußballer vorsätzlich ein brutales Foulspiel im Sinne der Regeln des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), so haftet er für die dadurch hervorgerufenen Verletzungen seines Gegners. Diese Entscheidung hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts getroffen (Az. 7 U 214/1).

Im vorliegenden Fall war ein Stürmer bei einem Kreisliga-Spiel im Mai 2017 bereits in der achten Spielminute in Höhe des Mittelkreises von einem Verteidiger gefoult worden und erlitt dabei erhebliche Verletzungen. Der Schiedsrichter ahndete die Aktion mit der Roten Karte. Da der Kläger vor Gericht nun Recht bekam, hat er Anspruch auf eine Schadenersatzzahlung, und für künftig entstehende Schäden muss der Beklagte ebenfalls haften.

In der Begründung des OLG wird ausgeführt, dass nicht jeder Regelverstoß zwingend zu einer Schadenersatzverpflichtung führt. Entscheidend sei der Grad des Regelverstoßes und das Maß des Verschuldens. Der Beklagte habe die schwere Verletzung des Klägers billigend in Kauf genommen. „Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Beklagte ein ‚brutales Spiel’ im Sinne der Regel 12 des DFB begangen hat. Er hat dieses grobe Foul begangen, ohne dass die Spielsituation einen Anlass dafür bot. Er hatte keine realistische Möglichkeit, den Ball zu erobern“, heißt es in einer OLG-Mitteilung. Die Klage war zunächst vom Landgericht abgewiesen worden. Nach einer erfolgreichen Berufung wurde ihr aber in vollem Umfang stattgegeben. Das Urteil ist rechtskräftig.

Wir haben Trainer und Spieler zu der speziellen Thematik befragt:

Daniel Formberg (Trainer des Bezirksligisten Raspo Brand): „Also klar ist für mich, dass ein Fußballplatz kein rechtsfreier Raum ist, wo jeder tun und lassen kann, was er möchte. Sollte jemand vorsätzlich einen Gegenspieler verletzen, muss er mit Konsequenzen rechnen. Das Ganze zu beweisen, wird natürlich schwierig, da jeder ein Foulspiel anders wahrnimmt.“

Olaf Ramm (Trainer des Dürener A-Ligisten SC Kreuzau): „Die Einschätzung eines Fouls sehe ich problematisch. Gibt es dann gewisse Härtestufen eines Foulspiels? Manchmal kann auch eine leichte Berührung beispielsweise zu einem Kreuzbandriss führen. Aus meiner Sicht sollte man sich damit nicht weiter beschäftigen beziehungsweise das Thema ausweiten.“

Pascal Thora (Spieler des Bezirksligisten SG Union Würm-Lindern): „Es ist ein schwieriges Thema. Grundsätzlich kommt es auf die Situation an. Ein Verletzungsrisiko ist immer mit dabei, wenn man sonntags auf den Platz geht. Wenn ein Gegenspieler eine Verletzung aber bewusst in Kauf nimmt, dann muss er damit leben, dass seine vorsätzliche Handlung hart bestraft wird. Ich bin froh, dass ich so eine Situation bislang noch nie erlebt habe. Über allem steht: Es ist ein Hobby, das Spaß machen sollte.“

Sascha Hampel (Trainer des Dürener B-Ligisten SG Neffeltal): „Die Entscheidung halte ich für wichtig und richtig im Hinblick auf die Regel 12 des DFB. Natürlich ist es von elementarer Wichtigkeit, dass die Beweise und Zeugenaussagen ausgewertet werden, da jeder einen Zweikampf oder ein Foulspiel anders wahrnimmt. In diesem vorliegenden Fall ist es schon ungewöhnlich, dass erst in der Berufungsentscheidung dem Antrag des Klägers vollumfänglich stattgegeben worden ist. Dem Gefoulten könnten durch diese erheblichen Verletzungen durchaus Nachteile entstehen, zum Beispiel der Ausfall von Lohnzahlungen oder weitere gesundheitliche Einschränkungen. Der ‚Täter’ kommt mit einer Spielsperre davon. Somit ist eine Schadenersatzpflicht absolut legitim. Grundsätzlich möchte doch jeder von uns montags seinem geregelten Tagesablauf nachgehen.“

Tom Schruff (Trainer des Aachener B-Ligisten Eintracht Kornelimünster): „Auch wenn das viele anders sehen: Fußball ist in den unteren Klassen nicht mehr als ein Hobby. Unseren Lebensunterhalt müssen wir leider anders verdienen, und deswegen steht die Gesundheit an erster Stelle. Wenn also ein absichtlich grobes Foulspiel zu einer schweren Verletzung mit Arbeitsunfähigkeit oder bleibenden Schäden führt, bin ich ganz klar für Schadenersatz. Allerdings bin ich froh, nicht derjenige zu sein, der das nachher entscheiden muss.“

Dietmar Bozek (Trainer des A-Junioren-Bundesligisten Alemannia Aachen): „Ich bin der Meinung, dass grob fahrlässige und vorsätzliche Aktionen hart bestraft werden sollten, vor allem, wenn dem Geschädigten dadurch eine schwerwiegende Verletzung mit zum Teil weitreichenden Folgen zugefügt wird. Zumal die Gewalt auf dem Fußballplatz immer mehr zunimmt. Allerdings ist es schwierig, eine Grenze zu ziehen, was noch tragbar ist und wer das im ersten Schritt beurteilen soll.“

Nils Rütten (Ex-Profi und Spieler des Heinsberger B-Ligisten Germania Bauchem): „Ich finde Schadenersatz im Amateurfußball 100-prozentig richtig. Ich sehe die Sache auf dem Fußballplatz eigentlich nicht anders als außerhalb: Wenn man sich vorsätzlich falsch und regelwidrig verhält, beispielsweise jemandem das Bein brechen will, dann muss man halt dafür bestraft werden. Es ist natürlich klar, dass man sich bei einem Fußballspiel durch den Körperkontakt und die Zweikämpfe besonderen Gefahren aussetzt, deshalb sollte es auch keinen Schadenersatzanspruch für Verletzungen, die nach regelkonform geführten Zweikämpfen entstanden sind, geben.“

Aufrufe: 019.1.2021, 07:00 Uhr
Lars Brepols und Benjamin Jansen | AZ/ANAutor