2024-05-23T12:47:39.813Z

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Christian Nerlich hat seine Karriere beendet. Foto: Nerlich
Christian Nerlich hat seine Karriere beendet. Foto: Nerlich

Fuß runter vom Vollgas

NACHGETRETEN: +++ Nach über 600 Spielen beendet Christian Nerlich seine Karriere bei SG Reiskirchen/Saasen/Bersrod +++ Schluss dem Körper zuliebe +++ Filmtipps und viele Erinnerungen +++

Ob in der B-Klasse oder zuletzt beim Aufstieg in die Kreisoberliga - Christian Nerlich hat für Reiskirchen/Saasen/Bersord so ziemlich alles mitgemacht, von der F-Jugend bis heute. Doch nun sagt er Adieu, auch wenn es selbst seine Frau noch nicht so recht glauben mag. Als ganz normaler Zuschauer will er künftig am Sportplatz stehen. Doch wer ihn kennt, der weiß: Irgendwann hat der Fußball ihn wieder. In einem launigen Interview stand Christian Nerlich FuPa Mittelhessen Rede und Antwort. Über die Vergangenheit, die Zukunft, gute Filme und ebenfalls scheidende Mitspieler.

Hallo Christian, 650 Pflichtspiele für Reiskirchen, was eine Zahl zum Karriereende! Was waren denn deine schönsten Partien darunter?

Zuerst mal glaube ich, die Zahl auf unserer Facebookseite ist ein wenig übertrieben (lacht). Mit den Jugendpartien kommt das vielleicht hin, aber bei den Senioren dürften es schon deutlich weniger gewesen sein. Die schönsten waren tatsächlich in meiner letzten Saison. Ich habe hier ja alles erlebt: Als Vorletzter in der B-Klasse zum Beispiel, wenn drei Leute ins Training kommen. Ich wollte immer aufsteigen. Und dann findet sich hier so eine tolle Truppe, alles harmoniert wahnsinnig gut und dann steht am Ende sogar der KOL-Aufstieg! Klar, früher in der B-Klasse, bei Derbys gegen Burkhardsfelden oder Partien gegen Langd ging es auch heiß her – aber jetzt als Beispiel unser 3:2 gegen FSG Ober-Ohmen/Ruppertenrod/Ulrichstein, das war richtig heftig. Alle taktischen Zwänge wurde da über Bord geworfen, jeder auf dem Platz ging auf dem Zahnfleisch, weil beide Teams richtig stark drauf waren. Einfach brutal.

Wie war denn der Moment für dich, als dein langjähriger Jugendcoach Roland Kühn zu deiner letzten Partie kam?

Das war sehr emotional … Er und Gerd Hofmann haben mich von der F-Jugend bis in die A-Jugend begleitet. Und er hatte alte Fotos mitgebracht. Zu C-Jugendzeiten haben wir zwei Mal bei Hannover 96 spielen dürfen. Gegen Per Metresacker und die erste C-Jugend, die gefühlt alle zwei Köpfe größer waren, haben wir mit 0:11 richtig auf den Latz bekommen. Und hätte unser Keeper Christian Kühn nicht so überragend gut gehalten, wäre das Spiel 0:25 ausgegangen, mindestens (lacht). Immerhin, die dritte C-Jugend von 96 haben wir dann 2:0 besiegt. Wir waren auch mal Kreismeister und Kreispokalsieger. Generell sind mir die Jugendzeiten in sehr schöner Erinnerung, bis heute treffen sich einige von uns immer an Freitag, dem 13, da schwelgen wir dann in alten Zeiten. Es war eine fantastische Zeit.

Euer Verein hat Statements zu deiner Person gesammelt – bei all deinen ehemaligen Trainern. „Kampfsau, Vorbild, integrativ, torgefährlich, zweikampfstark“ – wie ergeht es dir bei solch lobenden Worten?

Dass ich nicht der begnadetste Techniker bin, wissen alle. Ich habe deswegen immer mit vollem Herzblut gespielt, um dieses Defizit wettzumachen. Gerade zuletzt hat es mir immer Spaß gemacht, die jungen Spieler mitzureißen. Ein Schönspieler war ich dagegen eben nie, aber das war auch in Ordnung so. Wenn solche Zitate als Tugenden hängebleiben, macht mich das auf jeden Fall stolz.

Warum hörst du angesichts solcher Stärken mit knapp 35 Jahren überhaupt auf?

Es geht darum, dass ich immer Vollgas geben will, wenn ich etwas tue. Dazu gehört für mich auch, in jedes Training zu gehen. Zuletzt musste ich mir aber immer wieder selbst in den Hintern treten. Ich wollte immer aufhören, solange noch soweit alles gut ist. Damit ist das jetzt ein toller Zeitpunkt und auch körperlich passend. Aber wie es mir dann ergeht, wenn ich die Jungs in der Vorbereitung sehe, muss man dann sehen. Ich hoffe ja, ich kann es von außen genießen (lacht). Die Entscheidung, aufzuhören, ist mir jedenfalls definitiv nicht leicht gefallen. Meine Frau glaubt auch nicht dran, dass ich die Fußballschuhe als Aktiver wirklich in die Ecke schmeiße. Man muss aber auf seinen Körper hören, und es ist an der Zeit, langsamer zu machen. Gerade bei meiner Spielweise muss ich sonst zu viel Tribut zollen.

Du bist ja nicht der einzige prominente Abgang bei der SG Reiskirchen/Bersrod/Saasen. Auch Alex Dahms, Alexander Antoni, Florian Hofmann und sogar der „ewige Pressewart“ Werner Klement beenden ihre Aktivität bei euch. Vielleicht kannst du auch ein paar Worte zu ihnen sagen.

Mohammed, unser syrischer Torwart, musste uns leider schon im November verlassen. Er ist einfach eine Granate. Eher zufällig hat er im Training den Weg ins Tor gefunden und sensationell gehalten. Er hat das Land bereichert, hatte einen Job, hat Deutsch gelernt, war menschlich klasse. Aber er hatte eben auch drei Jahre lang seine Frau und drei Kinder nicht sehen können. Da seine Familie leider nicht nachkommen durfte, ist er zurück nach Syrien gegangen. Ich würde mich sehr freuen, ihn irgendwann wieder zu sehen. Wir haben ihn im Verein ganz tief ins Herz geschlossen.

Patrick Heinl kenne ich seit der Fusion mit Saasen. Auch ein feiner Mensch, seinen Wechsel zu Beltershain kann ich nachvollziehen – übrigens Respekt an solche kleinen Vereine, die ganz alleine noch den Spielbetrieb stemmen. Trotzdem schade, dass Patrick geht.

Alex Dahms kenne ich schon seit einer Ewigkeit, ich glaube seit der E-Jugend (lacht). Er ist einfach der Knaller, ein supergeiler Typ. Wenn er im Raum ist, regiert der Spaß.

Alex Antoni ist ein Arbeitskollege von mir, wir telefonieren fast täglich. Nicht nur ein lustiger Typ, sondern auch gewissermaßen eine Maschine – so einer, der nach dem Training noch 50 Liegestütze auf eigene Faust durchzieht. Statt seines Alters haben wir deswegen immer „Level“ gesagt, jetzt ist er also in Level 38 angekommen. Meine Hochachtung vor seiner Fitness, ein total verlässlicher Typ, immer da trotz kleiner Tochter, Tischtennis und und und.

Werner Klement, unser langjähriger Pressewart, ist – die meisten kennen ihn ja – ein ganz höflicher, offener Mensch, der auch immer ein offenes Ohr für die Spieler hatte. Ich wünsche ihm, dass er die nächsten Jahre gesund genießen kann.

Florian Hofmann ist auch ein ganz enger Freund, da bin ich demnächst sogar Trauzeuge. Leider war er zuletzt sehr häufig und lange verletzt. Er wird der Mannschaft sportlich wie menschlich in der Kreisoberliga fehlen.

Gute Überleitung! Wie beurteilst du denn eure Chancen nächste Runde in der Kreisoberliga?

Es wird sehr schwer. Ich glaube nicht, dass wir sang- und klanglos untergehen, wenn die Gemeinschaft so gut bleibt. Das muss sie aber unbedingt, dann ist der Klassenerhalt realistisch. Es sind andere taktische wie physische Anforderungen, das muss man ganz klar sagen. Mit Oliver Bopp haben wir glücklicherweise einen Trainer, der einen total gut motivieren kann, ich bin immer mit Puls 180 auf den Platz. Und deswegen bin ich jetzt mal rein positiv mit meiner Prognose, lehne mich aus dem Fenster und sage: Wir packen den Ligaverbleib.

Euer Damenteam ist ja auch aufgestiegen, gemeinsame Feierfotos machten die Runde. Wie gut ist das Verhältnis? War das Zufall oder Alltag bei der SG?

Die Mädels sind eigentlich immer bei uns am Platz, wenn sie nicht selbst gleichzeitig spielen müssen. Auch bei den Vereinsfeiern ist das ein schönes Miteinander. Und sportlich muss ich mal loswerden: Das ist taktisch einwandfrei, was sie auf dem Platz abliefern.

Laut Ex-Coach Jens Ruppel verfügst du über guten Humor. Hau doch mal ein paar Empfehlungen an die FuPaner raus, was Filme und Serien angeht.

Also wo ich mich immer kaputtlachen könnte ist „Die nackte Kanone“, genauso bei „police Academy“ oder den Bud Spencer-Filmen. Serien schaue ich gar nicht so viel. Wobei, früher sehr oft die „Simpsons“, und jetzt schaue ich immer „Jerks“.

In welcher Funktion bleibst du denn dem Verein erhalten?

Erstmal am Spielfeldrand als normaler Zuschauer. Trainer zu sein ist glaube ich nichts für mich. Aber ich weiß das alles noch nicht so genau. Jetzt brauche ich erstmal eine Auszeit. Aber klar, ich bin Fußballer und werde immer einer bleiben. Irgendwie werde ich schon zurückkehren.

Zum Schluss darfst du traditionell noch jemanden grüßen!

Zuerst grüße ich meine Frau und unsere Tochter, und dann natürlich alle Jungs vom Verein. Es war mir eine Ehre, mit euch zu spielen! Auf dass sie die Kreisoberliga halten.

Aufrufe: 013.6.2018, 16:10 Uhr
Dennis BellofAutor