2024-04-30T13:48:59.170Z

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Ein Jahr lang ging im Jugendfußball im Bereich des Fußballverbands Niederrhein praktisch nichts.
Ein Jahr lang ging im Jugendfußball im Bereich des Fußballverbands Niederrhein praktisch nichts. – Foto: Meiki Graff

Ferdinand Karo: "Der Jugendfußball hat ein Jahr verloren"

Ferdinand Karos, der Vorsitzende des Jugendausschusses des Kreises Kleve/Geldern, spricht über die Folgen der Pandemie.

Der zweite Lockdown für den Amateursport dauert mittlerweile schon mehr als fünf Monate. Seitdem gab es bis auf wenige Tage im März, als ein Gruppen-Training für Kinder im Alter bis 14 Jahren möglich war, für die Fußball-Klubs der Region keine Chance, Übungseinheiten für den Nachwuchs auf dem Platz anzubieten. Ferdinand Karos, Vorsitzender des Jugendausschusses im Fußball-Kreis Kleve/Geldern, sieht dies mit großer Sorge. Der Kranenburger spricht im Interview über die aktuelle Situation, mögliche Folgeschäden durch die lange Auszeit wegen der Corona-Krise und die Perspektiven.

Der Fußball-Verband Niederrhein hat die Saison auch bei der Jugend noch nicht offiziell abgebrochen. Glauben Sie daran, dass in dieser Spielzeit noch Partien stattfinden können?

Ferdinand Karos Wir hatten uns einmal den Plan zurechtgelegt, dass wir im Fußball-Kreis Kleve/Geldern noch auf 50 Prozent der Partien und somit eine sportliche Wertung kommen könnten, wenn ab Mitte April trainiert werden kann. Der Plan ist ja nicht mehr umzusetzen. Deshalb rechne ich damit, dass die Saison annulliert werden muss. Das heißt aber nicht, dass wir für unsere Vereine im Fußball-Kreis nicht noch eine Spielmöglichkeit organisieren würden, wenn das ab Anfang Juni erlaubt wäre

Wie könnte das aussehen?

Karos Man könnte die laufende Saison vom Zeitpunkt der Unterbrechung aus weiterspielen und die Begegnungen als Freundschaftspartien ansetzen, um den Vereinen einen organisierten Spielbetrieb anzubieten. Das ist eine Möglichkeit, die wir auf freiwilliger Basis für die Klubs schaffen könnten. Wenn Vereine das nicht nutzen und wegen der Pandemie lieber nicht spielen würden, dann hätten wir alles Verständnis dafür. Doch jetzt müssen wir erst einmal abwarten, wann es Grünes Licht für eine Rückkehr auf den Fußballplatz geben wird. Wir haben auf jeden Fall Pläne in der Schublade und sind gerüstet.

Einen kurzen Hoffnungsschimmer gab es im März, als wenige Tage ein Gruppentraining für Kinder im Alter bis 14 Jahren erlaubt war.

Karos Von dieser Möglichkeit haben aber nur wenige Vereine Gebrauch gemacht. In den meisten Klubs gab es gesundheitliche Bedenken. Dafür habe ich vollstes Verständnis. Denn wer will als ehrenamtlich arbeitender Funktionär in den Vereinen die Verantwortung übernehmen, wenn sich Kinder oder Trainer beim Training angesteckt hätten.

Wie groß ist Ihrer Ansicht nach der Schaden für den Jugendfußball durch die Pandemie?

Karos Ich denke, dass der Fußball einige Schäden davontragen wird. Ich gehe davon aus, dass nicht mehr alle Kinder und Jugendliche nach dem Ende des Lockdowns zurückkehren werden. Es ist zweifelsohne einiges von dem in Gefahr, dass die Vereine und wir über Jahre aufgebaut haben. Für den Jugendfußball ist es seit dem Ausbruch der Pandemie ein verlorenes Jahr. Es konnte kaum trainiert werden, die kontinuierliche Ausbildung der Jugendspieler wurde unterbrochen. Das wird man merken und kann so einfach nicht aufgeholt werden. Und es darf sich niemand der Illusion hingeben, dass alles so weitergeht, wie es einmal war, wenn die Vereine auf die Sportplätze zurückkehren dürfen.

Befürchten Sie einen Rückgang der Mannschafts-Meldungen für den Spielbetrieb?

Karos Ich rechne damit, dass es dazu kommen wird. Schließlich haben die Vereine auch ein Jahr lang keine Chance gehabt, neuen Nachwuchs anzuwerben. Viele Klubs waren sehr erfindungsreich, haben eine Menge versucht, virtuell etwas für den Nachwuchs anzubieten. Doch das kann kein Präsenz-Training ersetzen. Wir mussten schon vor der Pandemie einen leichten Abwärtstrend bei den Mannschafts-Meldungen verkraften. Diese Tendenz wird sich durch Corona verschärfen.

Welche Altersklassen werden Ihrer Meinung nach besonders betroffen sein?

Karos Es werden die Altersklassen sein, die uns in den vergangenen Jahren ohnehin schon Sorgen bereitet haben. Der Fußball verliert ab der D-Jugend Spieler, das ist seit Jahren ein kontinuierlicher Prozess. Und ich befürchte, dass die Verluste in diesen Klassen jetzt noch größer werden, weil Jugendliche gemerkt haben, dass es auch ohne Fußball geht. Davon wird aber nicht nur der Fußball, sondern der gesamte Sport betroffen sein.

Wie können die Verbände und Vereine darauf reagieren?

Karos Man muss versuchen, die sportlichen Angebote attraktiver zu machen. Zum Beispiel durch neue Spielformen. Da sind nicht die Vereine gefordert, sondern die Verbände. Der Deutsche Fußball-Bund hat sich mit seinem neuen Konzept für den Kinderfußball schon auf den Weg gemacht. Die Bambini und F-Junioren, also die jüngsten Altersklassen, sollen künftig in kleineren Gruppen auf einem Feld mit mehreren Toren spielen. Dadurch sollen einerseits Einzelkönner gefördert werden, weil mehr Dribblings möglich sind und sie mehr Ballkontakte haben werden. Es verschafft andererseits auch eher schwächeren Spielern die Möglichkeit, sich zu verbessern. Und weil mehr Tore fallen, gibt es mehr Erfolgserlebnisse, was für die Kinder enorm wichtig ist.

Wie beurteilen Sie die Chance, dass die neue Saison unter relativ normalen Bedingungen gestartet werden kann?

Karos Das ist schwer zu beantworten, weil es wie ein Blick in die Glaskugel ist. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass die Pandemie den Amateursport so einschränken würde? Ich habe damals meine Hoffnungen auf die jetzt schon wieder so lange unterbrochene und vor der Annullierung stehende Saison gesetzt. Aber daraus ist ja auch nichts geworden. Über eines sollten wir uns allerdings im Klaren sein. Das Virus wird uns nie mehr verlassen. Wir müssen lernen, damit zu leben.

Wie sehen Sie die Perspektive für eine baldige Rückkehr auf den Fußballplatz?

Karos Das haben wir nicht in der Hand. Die Politik gibt die Rahmenbedingungen vor. Wir müssen sehen, wie wir damit zurechtkommen. Ich glaube, dass die Entscheidung der Politik richtig war, den Amateursport in den Lockdown zu schicken. Und wenn sie den Lockdown wieder lockert, dann ist es erst einmal wichtig, dass die Kinder ins Training kommen, wieder Kontakt untereinander und Spaß am Sport haben. Das Risiko in der Pandemie besteht nicht beim Training im Freien, sondern beim Spielbetrieb mit den Fahrten zu den Partien. Beim Jugendfußball sind Fahrgemeinschaften die Regel. Und da ist die Ansteckungsgefahr groß.

Aufrufe: 018.4.2021, 23:00 Uhr
RP / Joachim SchwenkAutor