2024-06-14T14:12:32.331Z

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Das ostbayerische Trio Tobi Zellner, Christoph Janker und Wolfgang Beller (v. l.) nahm sich Zeit für uns.
Das ostbayerische Trio Tobi Zellner, Christoph Janker und Wolfgang Beller (v. l.) nahm sich Zeit für uns.

Europa auf Dauer schwer, aber Bundesliga ist drin

Die ostbayerischen Größen in Diensten des FC Augsburg gaben sich für uns die Ehre rund ums Training

Weil die Schwaben halt im Gegensatz zu anderen Konkurrenten noch bodenständiger und damit zugänglicher sind, war es kein Problem: Dass unser Mitarbeiter Thomas Mühlbauer seine Idee verwirklichte, den schon so lange grundsätzlich so erfolgreichen Augsburgern beim Training zuzuschauen und mit den ostbayerischen Größen Janker, Beller und Zellner über ihren Alltag zu sprechen. Chefcoach Markus Weinzierl hatte dagegen eine andere mediale Verpflichtung. Doch bevor sich die auch mit dem Fußball im Landkreis Cham behafteten Augsburger Größen ausfragen ließen, mussten sie erst ihren Job erledigen beim täglichen Üben im Schatten der WWK-Arena. Augsburgs prominenter Manager Stefan Reuter, Weltmeister 1990 und Europameister 1996, sorgte derweil für gute Laune mit Autogrammen für die vielen Trainings-Kiebitze des FCA.

Warum es denn traditionell zu Saisonbeginn nicht laufe, wurde Tobi Zellner gleich mit harten Fakten konfrontiert: ,,Wir haben am Anfang Kleinigkeiten nicht immer richtig gemacht, dann hast du einfach die Ergebnisse nicht. Irgendwann haben wir Veränderungen vorgenommen, defensiver zu agieren und so haben wir den Turn-Around geschafft, plaudert der Ex-Miltacher über die Feinheiten. Wolfgang Beller, Ex-Trainer des ASV Cham und FC Bad Kötzting, stimmt zu: ,,Durch die Euphorie, im Europapokal zu sein, haben wir gedacht, dass wir mit unserem erfrischenden Fußball so weitermachen können. Da haben uns die Gegner kalt erwischt". Zellner kennt das Geschäft: ,,Dass wir uns da wieder rausgekämpft haben, spricht für die Mannschaft", lieben Zellner und Kollegen das in solchen Situationen ruhig bleibende Umfeld.

Den Trainingsalltag verinnerlicht auf seiner dritten Bundesliga-Station hat Christoph Janker, der gebürtige Chamer und Ex-Jugendspieler des ASV sowie der DJK Vilzing: ,,Am Dienstag bin ich um acht Uhr aufgestanden, frühstücke ganz normal, so wie jeder normale Arbeitnehmer auch. An so einem Tag haben wir zwei Mal Training, so gegen halb sieben fahre ich wieder heim, weil man meist noch Behandlungen hat oder Krafttraining macht."

,,Wo war ich vor zehn Jahren?"

Für die Trainer wie Wolfgang Beller sieht der Ablauf etwas anders aus: ,,Wir treffen uns meist am Wochenanfang, dann wird der Ablauf besprochen. Anfangs werden Spielformen und Torschuss geübt. Am Dienstag mache ich die Video-Analysen mit unserem Spezialisten. So ist genau geplant, wer wann welche Aufgaben hat", klärt der ,,Wolfi" auf. Am Dienstag sind es zwei Einheiten, am Mittwochvormittag wird noch einmal trainiert, ehe es am Donnerstagnachmittag mit Schwerpunkt auf den taktischen Abläufen weitergeht. ,,Entscheidend ist, dass die Kicker am Spieltag frisch sind, das ist die entscheidende Kunst, dies immer wieder so hinzubekommen", war Beller schon immer Ordnungs-Fanatiker.


Weinzierls "Co" Tobias Zellner gibt im Kollektiv-Training die Richtung vor.

Da bleibt eine Frage für einen Reporter aus der Heimat natürlich unausweichlich: ,,Hätten sich ein Wolfgang Beller und Tobias Zellner, lange nur in der Landesliga unterwegs, vor zehn Jahren träumen lassen, einmal an der berühmten Anfield Road zu einem Europacup-Duell auf der Trainerbank zu sitzen?" - Wolfgang Beller ganz direkt: ,,Vor zehn Jahren, wo war ich da überhaupt? Ich habe es mir auch vor zwei Jahren nicht träumen lassen, umso schöner ist es natürlich jetzt", hat der Aiterhofener seine Berufung und Erfüllung gefunden.

Christoph Janker will die Emotionen ebenfalls nicht missen: ,,Natürlich ist das toll. Das Stadion in Bilbao war sehr impulsiv, auch die Geschichte in Belgrad war sehr interessant. Das kann ich nicht ganz ausblenden, aber das hat auch was mit Anspannung zu tun und die tut jedem gut." Zum Thema ,,Liverpool" fügt Zellner an: ,,Generell für das Image des Vereins ist das mit Geld nicht zu bezahlen, für den Verein eine wunderbare Konstellation".

Doch es ist schwierig, den Schalter zwischen Europa und Bundesliga regelmäßig umlegen zu können: ,,Wenn man gegen Bayern, Dortmund oder Gladbach spielt, ist die Qualität in der Bundesliga viel höher. Liverpool ist natürlich vom Namen und von den Spielern her ein unglaublicher Gegner, mit dem Hype jetzt um Trainer Jürgen Klopp", freut sich Christoph Janker. Und die Doppelbelastung? - ,,In der Vorbereitung haben wir etwas mehr in der Grundlagenausbildung gemacht. Aber wenn man ehrlich ist, als wir schlecht gestartet sind, hatten wir keine Doppelbelastung", ist Janker froh, dass die optimale Mischung zwischen frischen und etablierten Kräften gefunden zu sein scheint.

Janker sieht die Konkurrenz locker

Zu Chancen aufs Weiterkommen gegen den FC Liverpool bleibt Janker vorsichtig: ,,Wir sind der Außenseiter, aber chancenlos sind wir in keinster Weise", trifft Janker den Tenor von Beller und Zellner. Der Ex-Herthaner und Ex-Hoffenheimer war in der Bundesliga bisher freilich alles andere als Stammkraft. Und für die Rückrunde holte der FCA mit dem Holländer Jeffrey Gouweleeuw einen neuen Innenverteidiger. Weitere Konkurrenz für Janker? - Der sieht die Situation entspannt: ,,Ich bin Profi, da kommen in jeder Transferperiode neue Spieler. Qualität tut uns allen gut, dass wir auch in der Breite weiter wachsen".

Und warum kommt ein Christoph Janker in der Europaliga regelmäßig zum Einsatz und in der Bundesliga nur selten? -,,In der Bundesliga haben wir zuletzt ja kaum Gegentore bekommen, da gibt es für den Trainer fast keine Gründe, etwas zu verändern", kennt der Chamer das Auf und Ab in diesem Beruf.
Ex-Welt- und Europameister Stefan Reuter gibt die Autogramme beim FCA. Fotos: Mühlbauer

Zur Arbeitsaufteilung im Trainerteam zwischen Tobias Zellner und Wolfgang Beller gibt es nur eine Meinung: ,,Grundsätzlich machen wir viel gemeinsam, aber jeder hat seinen Schwerpunktbereich. Tobias Zellner ist mehr damit beschäftigt, was rund ums Training passiert. Verantwortlich für Vor- und Nachbearbeitung, organisatorische Sachen. Wolfgang Beller ist mehr der Experte, wenn es um die Gegner-Analyse geht. Als Spielbeobachter ist der ehemalige Bad Kötztinger Thomas Linzmeier, Lehrer in Regensburg, mit im Boot. ,,Von dem bekommen wir am Montag einen großen Bericht über den nächsten Gegner, den er angeschaut hat. Der wird dann von mir gleich ausgearbeitet", so Beller. In der großen Trainersitzung wird die Strategie der Woche ausgearbeitet samt erster Einschätzung des Gegners.

Bekanntlich wollten schon mehrmals große Bundesliga-Clubs Markus Weinzierl als Trainer von Augsburg loseisen, der würde dann wohl auch sein Trainerteam mitnehmen, wie es üblich ist. Tobias Zellner hat natürlich auch Träume: ,,Es ist für jeden das Ziel. Wir haben jetzt die Euroliga mitgemacht, das ist schon eine tolle Erfahrung, es wäre gelogen, wenn man sagt, man wehrt sich dagegen, sowas dauerhaft zu haben. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch eine Belastung und sehr stressig. Grundsätzlich gibt es für jeden Sportler oder Trainer das Ziel höchstmöglich zu arbeiten", hält der ,,Tobi" nicht hinterm Berg.

Christoph Janker weiß, dass die Heimat auf ihn schaut: ,,Der Roland Dachauer ist ab und zu im Stadion. Mein Vater schaut sich die Heimspiele oft an, wenn es zeitlich passt. Was Christoph Ranzinger macht beim ASV, einer meiner besten Kumpel aus der Jugend, verfolge ich natürlich auch." Wolfgang Beller kramt derweil in Erinnerungen: ,,Die Abläufe in der Landesliga sind zwar nicht so umfangreich aber ähnlich. Man ist aber genauso eingespannt, denkt auch 24 Stunden an Fußball und hat dieselben Probleme mit den Spielern", lacht Beller aus Erfahrung. ,,Die Trainer an der Basis haben es nicht leichter, haben teilweise mit ganz anderen Problemen zu kämpfen", denkt Beller an ,,nicht so disziplinierte Spieler wie die unseren".

Der Sepp wollte Lehrer bleiben

Die Frage, die jetzt kommen muss: Warum ist Wolfgang Beller in der Bundesliga und sein im Amateurbereich so erfolgreicher Bruder Sepp als Ex-Profi (Ingolstadt, Ulm) nicht? -,,Ich habe ihn als Profi ständig mit verfolgt, er ist Vorbild gewesen in der Familie. Wir treffen uns regelmäßig, dabei wird der Fußball dann schon in seine Einzelheiten zerlegt. Da haben wir ein sehr gutes Verhältnis". Warum hat Wolfgang Beller den Sprung in den Profibereich geschafft und ist Sepp Beller im Amateurbereich geblieben? - ,,Als der Sepp seine Anfangsjahre im Amateurbereich gemacht hat, noch ganz jung war, hätte sich die Möglichkeit ergeben, aber er hat immer ganz klar gesagt, er will seinen Lehrer-Job weitermachen und nur nebenbei einen Amateurverein trainieren", plaudert der jüngere Beller aus dem familiären Nähkästchen.

Es hat einfach nicht ganz gereicht

Vor seinem Wechsel zum FC Augsburg musste Christoph Janker in Berlin lange verletzt pausieren. Ein Karriereknick? - ,,Es ist ein sehr schnelllebiges Geschäft, vor allem ab einem gewissen Alter, weil die jungen Spieler nachdrängen. Ich bin froh, dass ich immer noch in der ersten Liga spielen kann. Es ist unglaublich schwierig, sich immer wieder heranzukämpfen", war Janker damals drei Wochen im Krankenhausbett gelegen.

Tobias Zellner machte unter Thomas Brunner damals ein Bundesliga-Spiel für den 1. FC Nürnberg. Warum nur eines? - ,,Es war der vorletzte Spieltag vor der Winterpause, dann ist ein neuer Trainer gekommen. Das Glück hatte ich nicht, dass sich die Sachen richtig ergeben hätten. Aber im Grunde hat es einfach nicht ganz gereicht für die erste Liga. Im Nachhinein bin ich aber ganz zufrieden."

Zellner und Beller haben auch zur weiteren Splittung des Bundesliga-Spieltages eine klare Meinung: ,,Es geht es nur um die Fernsehgelder, wie in England mit fast allen zwei Stunden ein Spiel. Wir sehen das schon skeptisch. Ich bin kein Freund von einem Montag-Spieltag", so Beller.

Thema ,,Werksvereine", die werden immer mehr: ,,Das sind meistens die ersten sieben der Tabelle. Rein vom finanziellen Aspekt her ist jedes Jahr ein echter Überlebenskampf für den FCA", weiß Beller aus direkter Erfahrung. Wie war das, als Keeper Marvin Hitz in Köln den Elfmeterpunkt präparierte? - ,,Wir haben es erst hernach gesehen, es war nicht grundsätzlich ausschlaggebend, dass der den Elfmeter dann verschossen hat", so Beller und Zellner.

Dann mussten die drei FCAler wieder weiter, die Zeit drängte. Nur noch eins: Hat Augsburg eine Zukunft im Europacup? - ,,Ein Verein wie der FCA kann nur zu besonderen Spielzeiten überraschen, wenn alles stimmt", grinst Tobi Zellner zum Abschied.

Aufrufe: 029.1.2016, 18:00 Uhr
Thomas MühlbauerAutor