2024-06-14T06:55:53.576Z

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Zeigt stolz das Namensschild der B.R. Arena: Burkhard Reitzner vom FSV Dillheim. 	Foto: Tim Straßheim
Zeigt stolz das Namensschild der B.R. Arena: Burkhard Reitzner vom FSV Dillheim. Foto: Tim Straßheim

Ein Vereinschef mit Augenmaß

ENGAGEMENT: +++ Mit Burkhard Reitzner hört das Gesicht des FSV Dillheim nach 25 Jahren als Vorsitzender auf +++

Ehringshausen-Dillheim. Wer sich mit Burkhard Reitzner unterhält, braucht Zeit. Viel Zeit. Denn der 60-Jährige hat eine Menge zu erzählen. Über den Fußball. Über seinen Heimatverein. Über das Sportheim. Doch das Zuhören lohnt sich.

Wir treffen uns beim Vorsitzenden des FSV Dillheim zu Hause in Dillheim. Doch lange halten wir uns nicht dort auf. Reitzner möchte das Clubhaus zeigen. Mit seinem Auto fahren wir dort hin. Unterwegs hält er kurz an, spricht mit Mitarbeitern des Bauhofs. „Gegen Ende des Jahres“, berichtet er, „bekommen sie von mir immer eine Kiste Bier, eine Kiste Cola und eine Kiste Fanta, weil sie immer wieder mal Arbeiten am Sportheim mit erledigen.“ Für ihn in das eine Selbstverständlichkeit. Er spricht von Geben und Nehmen. Wobei schon bei seinen Worten zu erkennen ist: Das Vereinsgelände rund um den Sportplatz liegt ihm am Herzen. Das wissen sie alle in Dillheim. 1995, Reitzner war 2. Vorsitzender des Clubs, ist er mitverantwortlich dafür, dass der FSV das Gebäude in Eigenregie komplett restauriert. Der Funktionär erinnert sich gut an diese Zeit: „Wir hatten jeden Tag Betrieb. Nur an den Feiertagen haben wir nicht gearbeitet. Täglich gab es mehr Helfer, die uns unterstützen wollten.“

1996, kurz bevor die Mitglieder Reitzner zum Vorsitzenden des Vereins wählen, ist es soweit: Der Umbau ist erfolgreich abgeschlossen. Bis heute hat sich dort nicht viel geändert. Die Möbel sind immer noch die gleichen. Doch eine Sache ist anders: Denn das Haus heißt seit 2009 B.R. Arena. Die Initialen stehen – natürlich – für Burkhard Reitzner. Ein Schild mit dem Titel hängt über den Eingang. Das hat der Clubchef zu seinem 50. Geburtstag von der damaligen Mannschaft bekommen. „Ich habe geheult wie ein kleiner Junge“, erinnert sich Reitzner gut an seinen Jubiläumstag zurück.

Es ist eine von vielen Anerkennungen, die dem vierfachen Vater zu Teil werden. Für sein Engagement zeichnet ihn die Volksbank Mittelhessen zum Beispiel 2013 als „Heimlicher Held“ aus. Ein Jahr später erhält sein Vater Helmut diese Ehre. Der Vater stirbt 2018. „Familie ist unheimlich wichtig“, betont der 60-Jährige. Zwei gescheiterte Ehen hat der vierfache Vater hinter sich. Aktuell ist er mit Alexandra Pausch, einst Torhüterin bei den Frauen des FSV Dillheim, liiert „Wir machen alles gemeinsam“, betont Reitzner. Was alle bisherigen Lebensgefährtinnen gemeinsam haben: Sie halten ihm bei seinen Aktivitäten den Rücken frei. Ob beim FSV, beim Karnevalsverein, 18 Jahre in der Gemeindevertretung Ehringshausen oder als passives Mitglied bei der Feuerwehr Dillheim und beim SG Ehringshausen: Er packt mit an.

Doch nun ist auch für Reitzner die Zeit gekommen, kürzer zu treten. Dass er heute noch Vorsitzender des Fußballvereins ist, hat er dem Corona-Virus zu „verdanken“. Denn eigentlich wollte er am 27. März sein Amt niederlegen. Doch die geplante Jahreshauptversammlung muss der Verein verschieben. „So lange bleibe ich eben“, sagt Reitzner mit einem Lachen. Mittlerweile sitzen wir im Haus von ihm. Genauer gesagt in der Bar, wie Reitzner ein Zimmer im Keller nennt. Dort kann man erahnen, was er für ein Leben für die Vereine hinter sich hat. Ehrungen, Zeitungsartikel und Trikots hängen an der Wand.

Seine Dienstgrade bei der Bundeswehr, Reitzner war bis zu seiner Rente Berufssoldat, dürfen freilich nicht fehlen. Selbst sein Schiedsrichterbuch hat der 60-Jährige aufgehoben. 1983 fängt er mit dem Pfeifen an, schafft es bis in die damalige Landesliga. 1993 ist abrupt Schluss. Reitzner, zu diesem Zeitpunkt Lehrwart des Kreises Wetzlar, fühlt sich ungerecht behandelt. Der Schiedsrichterbeobachter hat Szenen von ihm analysiert, die in dieser Partie überhaupt nicht vorkommen. Beide Mannschaften bestätigten die Version des Unparteiischen. Dennoch scheitert er in Grünberg vor dem Sportgericht. „Ein Skandal. Ich habe dem Richter direkt nach dem Urteil meinen Schiedsrichterausweis hingeworfen. Ich konnte es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren“, ist er immer noch sauer, wenn er an diese Zeit zurückdenkt.

Doch vielleicht hatte das auch etwas Gutes. Denn somit hatte Reitzner noch mehr Zeit für seinen FSV Dillheim, dem er 1978 beitritt als Funktionär wohlgemerkt. „Ich war nie ein guter Fußballer“, gibt der Linksfuß ehrlich zu. Dafür ist er ein Vereinschef, der mit Augenmaß handelt. Selbst gegen interne Widerstände setzt er sich durch und ist Fürsprecher für eine Fusion mit der SG Ehringshausen. Norbert Claas, Vorsitzender der „Kleeblätter“, berichtet er von seinen Plänen. „Wir waren nicht immer die besten Freunde. Aber ich habe gemerkt, dass er nicht abgeneigt ist“, betont Reitzner. Schnell bildet sich ein Gremium, um über die weitere Vorgehensweise zu berichten. „Es ging sehr bestimmt zu, und es war laut“, sagt Reitzner, der aber auch betont: „Nach dem Gespräch konnten wir uns alle in die Augen sehen.“

Mit Erfolg: 2015 geht die SG Ehringshausen/Dillheim erstmals gemeinsam in der A-Liga Wetzlar an den Start und schafft auf Anhieb den Aufstieg. Mittlerweile ist sie eine Topadresse in der Kreisoberliga West. „Wir haben alles richtig gemacht. Ohne diesen Zusammenschluss gäbe es heute den FSV Dillheim nicht mehr“, glaubt der 60-Jährige.

Er muss es wissen, immerhin hat er etliche Höhen- und Tiefen miterlebt. Den Aufstieg des FSV in die A-Liga 2002 bezeichnet er als schönsten Moment seiner Laufbahn als Vereinschef. „Wir waren ein Verein. Alle hielten zusammen“, weiß Reitzner, der kurze Zeit später mit den Tränen kämpfen muss, als die Frage nach der schwierigsten Phase im Verein kommt. Das ist nämlich der Tod von Tanja Gegenheimer gewesen. Die Topstürmerin des FSV, die in einer Saison mal mehr als 50 Treffer erzielt, stirbt im Alter von 40 Jahren. „Das war ein Schock für uns alle“, sagt Reitzner.

Der 60-Jährige fordert Typen, die mit anpacken

Wir kommen in der Bar des Eintracht-Fans langsam zum Ende. Ein Ausblick auf die SG Ehringshausen/Dillheim darf natürlich nicht fehlen. Doch Reitzner hat Probleme, sie zu beantworten: „Ich weiß nicht, wie sich die Jugend entwickelt. Sie ist unser Faustpfand, um weiterhin erfolgreich zu sein. Wir brauchen Typen, die mit anpacken. Und wir brauchen Helfer, die Dienste übernehmen“, weiß der Funktionär. Natürlich bleibt auch er an Bord. Aber: „Ich will mal zu einem Spiel unserer Jungs kommen, wann ich will, und ich will gehen, wann ich will“, sagt er entschlossen.

Die Zeit mit Burkhard Reitzner vergeht wie im Flug. Drei Stunden sind es am Ende geworden. Der 60-Jährige hatte viel zu erzählen. Das wissen diejenigen, die ihn kennen. Und sie wissen: Das Zuhören lohnt sich.



Zur Person

Burkhard Reitzner erblickte am 15- November in seinem Elternhaus in Dillheim das Licht der Welt. Auch heute lebt er noch dort. Nach seiner Ausbildung als Schreiner, die er allerdings nur für ein paar Jahre ausübte, kam er am 1. Juli 1980 zur Bundeswehr und wurde dort Berufssoldat. Nach Stationen in Koblenz, Wetzlar und Rennerod ging er am 30. November 2012 im Alter von 53 Jahren in Pension. Reitzner hat vier Kinder. Anne (30), Lea (20), Nico (17) und Tom-Luca (12). Auf Wunsch seines Vaters traf er 1978 dem FSV Dillheim bei. Seit 1996 leitet er die Geschicke des Vereins. Seinen Plan, sich am 27. März als Vereinschef zurückzuziehen, verhinderte das Corona-Virus. (tis)

Aufrufe: 08.4.2020, 14:00 Uhr
Tim Straßheim (Dill-Post / Dill Zeitung)Autor