2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Schnell, wendig und inzwischen auch ein alter Hase: Patrick Schüller hat seiner SG Ehringshausen/Dillheim immer die Treue gehalten und wird es auch weiterhin tun.	Foto: Tobias Ripl
Schnell, wendig und inzwischen auch ein alter Hase: Patrick Schüller hat seiner SG Ehringshausen/Dillheim immer die Treue gehalten und wird es auch weiterhin tun. Foto: Tobias Ripl

Alles beginnt mit fremdem Trikot

KOL WEST: +++ Patrick Schüller ist bei der SG Ehringshausen/Dillheim nicht mehr wegzudenken +++

Ehringshausen. An sein erstes Spiel bei den Aktiven kann sich Patrick Schüller noch sehr gut erinnern. Als damals 18-Jähriger steht der Fußballer im Kader des Gruppenligisten SG Ehringshausen. Gegner im Pokal ist der zwei Klassen höher spielende SC Waldgirmes. Der Favorit setzt sich ohne Probleme durch. 6:0 oder 7:0. Schüller weiß es nicht mehr genau. Was er aber noch weiß: „Unser Trainer Peter Endrulat brachte mich zwei Minuten vor dem Ende. Ich hatte keinen Ballkontakt“, muss der Linksfuß lachen, wenn er daran zurückdenkt. Dabei steht seine Einwechslung auf der Kippe: Denn als sein Coach ihn ruft, stellt er fest, dass er überhaupt kein Trikot hat. Lars Jung, der nicht zum Einsatz kommt, überlässt ihm schließlich sein Oberteil.

Von solchen und ähnlichen Anekdoten kann Schüller nahezu im Minutentakt berichten. Seit nun bald 25 Jahren geht er ununterbrochen für die SG Ehringhsausen, die seit 2015 mit dem FSV Dillheim fusioniert, auf Torejagd. Sein Pass ist auf den 17. November 1995 ausgestellt. Viel hat er in dieser Zeit erlebt. Aufstiege, Kreismeisterschaften in der Jugend, aber auch bittere Abstiege. Ohne Probleme schafft er den Sprung in die erste Mannschaft. „Ich wollte immer für mein Dorf spielen. Schon als Kind war ich auf dem Platz, als unsere ,Erste‘ vor 200 Zuschauern auflief. Da war noch richtig was los“, berichtet „Paddy“, wie ihn sein Freunde nennen.

Mit dem frisch aus der Jugend aufgerückten Schüller leitet der Verein einen Umbruch ein. Der Abstieg in die Kreisoberliga kommt nicht überraschend und ist zu verschmerzen. Niemand aber ahnt, dass die „Kleeblätter“ bis in die A-Liga durchgereicht werden. Nach dem zweiten Abstieg in Folge stehen dem Club nur noch sieben Akteure zur Verfügung. Darunter: Patrick Schüller. „Das war eine verrückte Zeit. Beim Einkaufen im Dorf sprachen mich Leute, die ich überhaupt nicht kannte, an und fragten, warum wir so schlecht sind“, sagt der heute 29-Jährige, der mit einem Grinsen anfügt: „Ich war damals aber auch nicht gut. Dennoch hatten wir eine super Kameradschaft. Die Zeit möchte ich nicht missen.“

Trotz des Abwärtstrends denkt er nicht an einen Wechsel. Hungrige Talente wie Tim Rußmann oder Niklas Will rücken auf. Nach zwei Jahren steigt die SG Ehringshausen wieder auf. Im alles entscheidenden Duell in der Relegation gegen Eintracht Haiger rückt Schüller ungewollt in den Mittelpunkt. Nach 17 Minuten sieht er beim Stand vom 1:0 die Rote Karte. Seine erste und bisher einzige in seiner Laufbahn. „Der Platzverweis war aber auch verdient“, sagt er ehrlich. Doch seine Truppe hält dem Druck stand, gewinnt am Ende mit 3:0. Zwei Jahre hält sich die SGE in der Kreisoberliga, ehe es zurück in die A-Klasse geht.

Dann aber ändert sich durch die Fusion mit dem FSV Dillheim vieles. „Ich war der größte Zweifler, ob dieser Zusammenschluss Sinn macht“, nimmt der Linksverteidiger kein Blatt vor den Mund. Schüller geht in die Offensive. Mit Spielern des FSV trifft er sich, um zu sehen, ob die Chemie stimmt. Er stellt fest: Sie stimmt. Bei der Abstimmung setzt er sein Kreuz schließlich bei Ja. Eine kluge Entscheidung. Mit dem neuen Trainer Rolf Zabel, der nach den ersten acht Spielen sein Amt antritt, kehrt die Euphorie zurück. Überlegen steigt die SG Ehringshauen/Dillheim auf. „Es hat menschlich von Anfang gut gepasst. Klar, wir waren erfolgreich, aber viel wichtiger war, dass wir alle an einem Strang gezogen haben“, erklärt Schüller. Ein wichtiger Faktor dabei ist Zabel. „Er hat die Leute ins Boot geholt und uns die Möglichkeiten aufgezeigt“, sagt der 29-Jährige.

Der Übungsleiter ist es auch, der Schüller in einer schweren Zeit beisteht. Denn bei einem Zweikampf verletzt er sich an Fuß und Bein. Nahezu alles ist kaputt. „Er war erst zwei Wochen dabei und hat mich gleich besucht“, erinnert sich der Defensivstratege, der zuvor schon einen doppelten Bruch des Handgelenks (zweimal) und eine Knieverletzung hinnehmen musste. „Natürlich habe ich daran gedacht, aufzuhören“, gibt Schüller ehrlich zu. Doch es kommt anders. Der schnelle und wendige Linksverteidiger kämpft sich zurück. Stammspieler ist er – bis auf seine Verletzungspausen – ohnehin immer.

Schnell findet er zurück zu seiner alten Leistung. Vor zwei Jahren ernennt ihn Zabel schließlich zu seinem Kapitän. Ein Traum geht für Schüller in Erfüllung. Doch kein Zweifel: Das Amt hat er sich verdient. Zu wichtig ist er für die Mannschaft. Aber auch für den Verein: Denn „Paddy“ packt immer mit an, wenn es nötig ist. Mehrere Jahre setzt er sich auf den Rasentraktor und pflegt den alten Platz in Ehringshausen, der mittlerweile durch Kunstrasen ersetzt ist. Dazu nimmt er bei Feiern Thekendienste wahr, ist Mitglied des Vorstands. „Das muss für jeden eine Selbstverständlichkeit sein. Ich bin so erzogen worden. Dazu habe ich das so von anderen Spielern vorgelebt bekommen. Das Vereinsleben gibt einem so viel“, nennt der Abteilungsleiter einer Firma, die Kunststoff herstellt, Gründe für sein Engagement. Auch in der Jugendarbeit hinterlässt er seine Spuren. Den Jahrgang 2002 begleitet er von den Bambinis bis zur A-Jugend, steigt mit den Talenten in die Gruppenliga und einmal auch in die Verbandsliga auf. Einige spielen nun Seite an Seite mit ihm in der ersten Mannschaft. „Die Jungs sind genial. Mit allen habe ich noch Kontakt. Die Jugend ist unser Faustpfand, und sie einzubinden, gehört zur Philosophie des Vereins“, sagt Schüller.

Ein Konzept, das bisher gut klappt. Die SG Ehringshausen/ Dillheim beendet die Saison als Vierter in der Kreisoberliga West. „Wir haben viel Qualität. Bisher sind wir noch ein bisschen unkonstant. Aber daran arbeiten wir. Wir wollen uns Stück für Stück verbessern. Für uns ist die Kreisoberliga eine interessante Klasse. Wir haben viele Derbys. Es passt“, betont Schüller, der von sich selbst sagt: „Diese Liga ist genau richtig für mich.“ Ohnehin ist für ihn klar, dass er den Verein nicht mehr wechseln wird. Anfragen anderer Clubs gibt es dennoch. Auch aus höheren Ligen. „Geld interessiert mich nicht. Dafür spiele ich nicht Fußball. Jeder Anruf ist zwecklos“, sagt er mit einem Lachen.

Einen Plan für das Ende einer Karriere hat er nicht. Doch er weiß: Das Amt des Trainers ist nichts für ihn. Auch bei den Junioren nicht. „Vielleicht mache ich mal Ausnahme, wenn ich Kinder habe und sie trainiere. Aber was im Jugendfußball passiert, ist nicht mehr meine Welt. Ständig wechseln Spieler, die Eltern ziehen da mit. Das ist nichts für mich.“

Einen Wunsch hat er noch: Irgendwann möchte er für einen Jugendlichen, der besser als er ist, Platz machen und sich in die Altherrenmannschaft verabschieden. „Das wäre schön. Damit hätte ich auch keine Probleme. Ich habe meine Jahre gehabt“, sagt Patrick Schüller, der – wie damals bei ihm – gerne sein eigenes Trikot an einen Jüngeren weitergeben würde.



Aufrufe: 023.6.2020, 14:30 Uhr
Tim Straßheim (WNZ)Autor