2024-06-04T08:56:08.599Z

Interview
Der persönliche Kontakt mit seinem Kapitän Maximilian Löw (links) fällt für Schwaben-Trainer Halil Altintop zurzeit flach. Wann es für den Bayernligisten weitergeht, ist zurzeit nicht absehbar.
Der persönliche Kontakt mit seinem Kapitän Maximilian Löw (links) fällt für Schwaben-Trainer Halil Altintop zurzeit flach. Wann es für den Bayernligisten weitergeht, ist zurzeit nicht absehbar. – Foto: Walter Brugger

„Die Spieler müssen über die Runden kommen“

Ex-Profi Halil Altintop trainiert den Bayernligisten TSV Schwaben und kann sich nicht vorstellen, dass die Amateurligen zu Ende gespielt werden

Mannschaftstraining ist aktuell nirgends möglich, auch nicht beim abstiegsgefährdeten Bayernligisten TSV Schwaben Augsburg. Trainer Halil Altintop spricht im Interview mit Robert Götz über die Situation und die Zukunft.

Herr Altintop, wie geht es Ihnen und Ihrer Familie in diesen Zeiten der Ausgangsbeschränkungen und der Corona-Epidemie?

Altintop: Uns geht es gut, auch wenn es schon eine Umstellung ist, wenn alle vier Kinder den ganzen Tag zu Hause sind. Zwei davon gehen in die Grundschule, eines in den Kindergarten und der Jüngste ist ja erst sieben Monate alt. Für die Älteren sind meine Frau und ich nun am Vormittag die Lehrer.

Wie funktioniert das?

Altintop: Die Unterrichtsunterlagen und Hausaufgaben bekommen wir per Mail oder WhatsApp für die ganze Woche. Und dann müssen wir Eltern die Kinder am Vormittag so unterrichten, wie wenn sie in der Schule wären. Meine Frau und ich teilen uns das auf. Es ist wichtig, dass die Kinder weiter lernen.

Wie kann man drei Kinder nicht nur geistig, sondern auch körperlich beschäftigen, damit sie am Abend müde sind?

Altintop: Wir haben zum Glück einen Garten, in dem sie sich frei bewegen können. Natürlich versuchen wir auch als Familie, gemeinsam rauszugehen, immer unter Einhaltung der vorgegebenen Regeln. Wenn wir radeln, dann sind sie ja auf ihren Rädern, was ja schon einen gewissen Abstand erfordert. Und sie wissen genau, dass sie den auch einhalten müssen.

Wie geht der Familienvater Altintop mit dieser ganzen Situation um?

Altintop: Natürlich macht man sich Gedanken und versucht zu verstehen, was jetzt genau die Sachlage ist. Das ist nicht so einfach, weil sich viele Leute dazu äußern. Wir als Familie können nur an die Vernunft und Demut appellieren, dass alle mithelfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Wir versuchen einfach, so viel wie möglich zu Hause zu bleiben. Und wenn wir einkaufen gehen, dann geht nur noch ein Elternteil, ohne Kinder.

Sie haben viele Bekannte im Ausland. Wie erleben die die Krise?

Altintop: Mein Schwager lebt in den USA. Dort und in der Türkei ist es jetzt, mit etwas Verzögerung, wie bei uns. Eine gute Bekannte von uns lebt in der Nähe von Barcelona. Die haben eine Ausgangssperre und noch viel restriktivere Maßnahmen. Ich hoffe, das wird hier in Deutschland nicht nötig sein.

Und wie geht es Ihrer Mutter?

Altintop: Die lebt in Gelsenkirchen und hält sich strikt an die Regeln.

Wie halten Sie sich eigentlich fit?

Altintop: Ich passe mich den Umständen an und versuche so gut wie möglich Sport zu machen. Am liebsten mit den Kindern. Da spielen wir im Garten oft Fußball.

Fußball spielen, das will die Bundesliga auch. Wie sehen Sie als ehemaliger Profi das Bemühen, die Saison irgendwie zu Ende zu bekommen, um zu überleben?

Altintop: Wir alle werden Abstriche machen müssen. Nicht nur der Profisport und damit auch die Bundesliga werden sich verändern, sondern das ganze Leben. Natürlich steht auch bei der Bundesliga sehr viel auf dem Spiel. Ich denke da gar nicht so sehr an die Profis, sondern an die vielen Arbeiter und Angestellten in den Vereinen oder auch bei den anderen Firmen, die dieses Event erst ermöglichen. Die leiden am meisten darunter. Darum wäre es klasse, wenn man die Bundesliga irgendwie zu Ende bringen könnte.

Es gibt ja verschiedene Szenarien. Geisterspiele, sogar an ein Turnier an einem Ort wird angedacht. Was würden Sie bevorzugen?

Altintop: Ich als Profi, und da ging es vielen meiner Kollegen genauso, habe lieber gespielt als trainiert. Darum glaube ich es schon, dass man, wenn es die Situation erlaubt, alle paar Tage spielen könnte, um damit die Saison in kurzer Zeit zu Ende zu bringen. Die Kader sind groß genug. Da müssten dann halt auch Spieler ihre Chance bekommen, die sonst nicht so viel spielen.

Es ist unstrittig, dass es, wenn überhaupt, nur Geisterspiele gibt. Haben Sie schon ein Geisterspiel erlebt?

Altintop: Ja. Das war in der Türkei. Das war 2012 das Saison-Eröffnungsspiel zwischen Fenerbace und Trabszonspor. Die Zuschauer waren aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen, weil es bei den Derbys zuvor zu Ausschreitungen gekommen war. Das war eine öde Angelegenheit. Man hat jeden Pieps wie auf dem Trainingsplatz gehört. Das war alles ungewohnt. Aber nach so einer Phase wie jetzt, in der die Spieler zu Hause bleiben und alleine trainieren mussten, wird das keine große Rolle spielen. Die Spieler werden am Ende des Tages glücklich sein, ihren Beruf wieder ausüben zu können, egal ob mit oder ohne Zuschauer.

In immer mehr Vereinen verzichten Spieler auf einen Teil ihres Gehaltes oder spenden. Das ist doch ein wichtiges solidarisches Zeichen, oder?

Altintop: So ist es. Der Fußball ist in vielen Haushalten ein wichtiger Lebensinhalt geworden. Deswegen haben die Profis eine große Vorbildfunktion. Darum ist es wichtig, dass sie sich so verhalten. Denn eines lehrt diese Krise: Wir können sie nur gemeinsam durchstehen und das bezieht sich nicht nur auf den Fußball.

Weg vom großen Fußball. Sie trainieren den Bayernligisten TSV Schwaben Augsburg. Wie geht der Trainer Altintop mit den ganzen Einschränkungen um. Haben Ihre Spieler Trainingspläne mit nach Hause bekommen?

Altintop: Ja, das haben sie. Ich bin einfach so, dass ich mich auf jede Sache gründlich vorbereite und mit Vernunft herangehe. Ich muss aber ehrlich zugeben, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass im Amateurbereich die Saison regulär zu Ende gespielt werden kann.

Warum?

Altintop: Der Fokus der Verantwortlichen und der Spieler hier liegt verständlicherweise nicht auf dem Fußball wie im Profibereich. Die Spieler müssen arbeiten und schauen, dass sie in dieser schwierigen Lebensphase über die Runden kommen. Da ist ein enger Spielplan nicht möglich.

Sollte noch einmal gespielt werden, würde es wohl viele englische Wochen geben.

Altintop: Das denke ich auch, aber es kann nicht sein, dass wir da unter der Woche 170 Kilometer nach Hankofen nach Niederbayern fahren müssen, oder Donaustauf 160 Kilometer nach Augsburg. Das stelle ich mir schwierig vor. Schon unter normalen Umständen, schaffen es die Spieler nicht immer pünktlich ins Training. Und jetzt sollen die Spieler einen halben Tag Urlaub nehmen, wenn sie um ihren Job bangen? Das kann ich mir kaum vorstellen.

Wenn man die Saison nicht zu Ende spielen könnte im Amateurbereich, wie soll man dann die Liga werten?

Altintop: Da habe ich auch keine einfache Lösung.

Sollte man die Ligenzusammensetzung einfach beibehalten und die Saison neu spielen?

Altintop: Das ist sicher ein Szenario, das ich mir in einer Ausnahmesituation wie jetzt durchaus vorstellen kann.

Es wird auch ein Leben nach dem Coronavirus geben. Wie sehen Ihre Zukunftsplanungen denn aus?

Altintop: Ich sehe meine Zukunft weiter im Fußball. Aber was soll man in diesen Zeiten schon so weit vorausplanen. Meine Familie und ich, wir leben im Hier und Heute. Wir versuchen, das Bestmögliche daraus zu machen. Was jetzt zählt ist die Familie, der Zusammenhalt und die Solidarität gegenüber anderen Menschen. So werden wir aus dieser Krise kommen. Ich hoffe nur, dass niemand mehr dieses Virus auf die leichte Schulter nimmt.

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Aufrufe: 03.4.2020, 15:45 Uhr
Augsburger Allgemeine / Robert GötzAutor