2024-04-30T13:48:59.170Z

Im Nachfassen
Die Meistermannschaft der Westfalenliga Staffel 2 2018/2019: der RSV Meinerzhagen.   Foto: Verein
Die Meistermannschaft der Westfalenliga Staffel 2 2018/2019: der RSV Meinerzhagen. Foto: Verein

Die Erfolgsgeschichte des RSV Meinerzhagen

Binnen drei Jahren gelingt der Sprung aus der Bezirksliga in die Oberliga Westfalen

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Die Selbstverständlichkeit, mit der der RSV Meinerzhagen seine Westfalenliga-Spiele bestritt, die Gegner über Ballbesitzfußball und Offensivgeist dominierte, machte schon fast vergessen, dass die Volmestädter ein Liganeuling waren. Kein Absteiger, versteht sich. Nein, der RSV war als Meister der Landesliga in die Saison 2018/19 gegangen. Dass es sich keinesfalls um den klassischen Aufsteiger handelt, der als erster Abstiegskandidat antritt, war zwar allen bewusst. Doch die Art und Weise, wie Meinerzhagen die neue Herausforderung anging, ließ aufhorchen. Die Aufschrift „Wir sind wieder Eins“ ziert die Meistershirts der Meinerzhagener, eine Anspielung auf die Tatsache, dass dies nach dem Bezirksliga-Triumph 2017 und dem Landesliga-Titel 2018 zum dritten Mal in Serie der Fall ist. Zufall? Mitnichten.

Ein Rückblick in das Jahr 2015: als Tabellen-13. gelingt dem RSV Meinerzhagen der Klassenerhalt in der Bezirksliga. Im Sommer darauf verändern sich jedoch die Ambitionen des Vereins. Nuri Sahin, Deutscher Meister mit Borussia Dortmund und ehemaliger Spieler des FC Liverpool und von Real Madrid, kündigt an, bei seinem Heimatverein aktiv zu werden und dem Klub etwas zurückzugeben, bei dem seine fußballerische Laufbahn begann. Mit Mutlu Demir und Sahins Bruder Ufuk als Trainergespann ging der RSV in die Spielzeit 2015/16 und beendete diese auf Rang drei. Ein Jahr später folgte der Aufstieg in die Landesliga, mit komfortablen neun Punkten Vorsprung vor dem SV Ottfingen. Für die Landesliga-Spielzeit 17/18 rüstete der Verein auf, konnte mit Julian Jakobs (Sportfreunde Siegen), Nik Kunkel (FC Iserlohn), Musa Sesay (Ennepetal) oder im Winter Raphael Gräßer, der ebenfalls aus Iserlohn kam, viel höherklassige Erfahrung dazu gewinnen. „Wir haben ganz am Anfang in der Bezirksliga gesagt, dass wir in die Westfalenliga wollen“, sagt Demir heute.

Den hohen Ambitionen ließen sie auch in der Landesliga Taten folgen. 73 Punkte nach 30 Spielen, der souveräne Durchmarsch. 2018 spielte der RSV Meinerzhagen somit in der Westfalenliga, Ziel erreicht. Könnte man meinen. Denn was in dieser Saison folgte, knüpfte nahtlos an an die Erfolge der vergangenen beiden Jahre. Erneut wurde der Kader mit viel Qualität ergänzt, Spieler wie Til Baumann aus Norderstedt, ehemals für Siegen aktiv, Matthieu Bengsch von Westfalia Rhynern oder auch Tim Teude vom TuS Erndtebrück untermauerten die Ansprüche, auch in der Westfalenliga eine sehr gute Rolle spielen zu wollen. Demir blickt zurück: „Wir haben uns vorgenommen, gut zu starten und von Spiel zu Spiel zu denken. Wir hatten hohen Respekt vor der Aufgabe, aber wollten jedes Spiel mit der Einstellung angehen, es gewinnen zu wollen.“


Eine Philosophie, die Meinerzhagen durch die Saison trug, die die Spieler, wie es scheint, tief verinnerlicht hatten. Denn so legten sie dann auch los, übernahmen am sechsten Spieltag erstmals die Tabellenspitze, wiesen den heiß gehandelten DSC Wanne-Eickel mit 4:1 in die Schranken und bezwangen auch die – wie sich am Ende herausstellen sollte – beiden ärgsten Konkurrenten TuS Sinsen und Finnentrop/Bamenohl deutlich mit 5:0 respektive 3:0. Erst am zehnten Spieltag verlor der RSV zum ersten Mal, 2:4 bei YEG Hassel. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie sich längst in den Top-Drei der Liga festgesetzt. Trotz nur einer Pleite in der Hinserie beendete Meinerzhagen diese „nur“ auf Platz zwei, weil Sinsen noch ein wenig konstanter war. „Jede Woche hat uns unserem Ziel näher gebracht. Wir haben gemerkt, dass wir mehr tun müssen, als nur gut zu spielen. Es gab immer wieder Spiele, die uns einen Schub gegeben haben“, schildert Demir, nennt den Last-Minute-Sieg beim TuS Hordel am 13. Spieltag, als es nach 86 Minuten noch 2:1 für die Gastgeber stand, ehe Kunkel und Bengsch die Partie drehten.

Apropos Hordel. Mit dem Transfer des Hordelers Ron Berlinski, zudem der Verpflichtung des Ex-Zweitliga-Profis Marcel Kandziora aus den USA, setzte Meinerzhagen im Winter ein klares Zeichen an die Konkurrenz. Offen ausgesprochen wurde es zwar nicht, doch die beiden Personalien machten unmissverständlich deutlich, dass der dritte Aufstieg in Folge nun die Zielsetzung war.

Der Start in die Rückserie erwies sich dann aber entgegen der Erwartungen als Reinfall. Erst ein 0:1 gegen Bamenohl, dann ein 2:3 gegen Wanne-Eickel – der RSV wankte, aber er fiel nicht. Auch wenn es kurzzeitig den Anschein hatte. Die Wende brachten vier Tage Ende März. Bereits zwei Mal war das Gipfeltreffen in Sinsen abgesagt worden, im dritten Anlauf nutzte Meinerzhagen seine letzte Chance. „Wir sind realistisch genug: elf Punkte, dass ist schon fast unmöglich. Wichtig ist, dass wir Platz zwei zurückerobern“, hatte der RSV-Coach noch vor der Begegnung gesagt. Wie schnell sich die Welt im Fußball doch dreht. Ein verdientes 3:0, den Rückstand auf acht Punkte verringert. Dann der nächste Wendepunkt: der TSV Marl-Hüls zog seine Mannschaft zurück, Meinerzhagen machte weitere Zähler gut. Auch eine Niederlage daheim gegen Wiemelhausen (3:4), direkt am Sonntag nach dem Sieg in Sinsen, konnte die Mannschaft nicht stoppen, auch wenn sich ihr Trainer im Anschluss doch merklich angeschlagen zeigte.

„Es gab auch viele Schlüsselmomente im Training, das war teilweise auch grandios. Und die Comebacks im Kreispokal waren wertvoll, sowie das Kampfspiel in Iserlohn“, erklärt Demir. Dem etwas glücklichen 3:1 im Hemberg-Stadion folgte ein Heimspiel gegen Hassel, vor dem der Trainer eine Aussage traf, die die Herangehensweise des RSV an den Fußball prägt: „Wir wollen das Maximale rausholen, aber Step-by-Step.“ Mit 6:0 wurde Hassel nach Hause geschickt, Meinerzhagen stand erstmals seit dem sechsten Spieltag wieder rechnerisch vor Sinsen. Step-by-Step die elf Punkte Rückstand wieder aufgeholt.

„Wir haben niemals aufgegeben, haben immer an die Mannschaft geglaubt. Sie hat an sich geglaubt. Wir haben uns in allen Bereichen entwickelt, sowohl mannschaftstaktisch, als auch individuell. Aller größten Respekt an den Siegeswillen der Jungs“, lobt der B-Lizenz-Inhaber, der in diesen Tagen an seiner Elite-Lizenz arbeitet. Seine Jungs hielten die Spitzenposition bis zum Ende inne, machten mit einem 1:1 beim BSV Schüren sogar schon am vorletzten Spieltag den Titel klar. Den dritten in Folge. Eine sehr intensive Aufgabe sei es gewesen, sagt Demir. Viele Trainerkollegen hätten sein Team unheimlich herausgefordert. „Demut haben wir uns ganz groß auf die Fahne geschrieben“, erklärt er. Ein bekannter Song von Andreas Bourani beginnt mit den Worten „Ich heb' ab“ - davon ist man in Meinerzhagen auch durch die Bodenständigkeit des Trainerteams weit entfernt.

Nun also zurück in die Gegenwart. Drei Jahre, drei Aufstiege, drei Meisterschaften. Sogar das "Double" machte der RSV kürzlich perfekt, zum zweiten Mal in Folge, bezwang den Bezirksligisten TuS Plettenberg im Endspiel mit 5:2 und sicherte sich den Lüdenscheider Kreispokal. Besser könnte es nicht laufen für den Verein aus dem Sauerland. „Jeder Aufstieg ist schön, eine Einordnung mit besser oder schlechter gibt es nicht“, findet Demir, muss aber dennoch zugeben, dass es „diesmal für Verein und auch die Stadt etwas besonderes war“, das ihn „mega stolz“ macht.

Die "Meistermacher": Marco Sadowski (l.) und Mutlu Demir (r.)

Auch wenn in der Zeit viele neue Gesichter dazu gekommen sind, gibt es neben den Trainern, zu denen sich in dieser Saison Marco Sadowski gesellte, immernoch einige Spieler, die schon in der Bezirksliga mitwirkten. Stürmer Andreas Spais, damals mit 37 Treffern Torschützenkönig, gehört dazu, ebenso wie Hakan Demir, Jonas Ermes, Nils Buchwalder, Fisnik Zejnullahu und Ali Özdemir. „Das sind alles super Charaktere. Ali hat eine riesen Entwicklung gemacht“, freut sich Demir.

Wie so oft ist die richtige Mischung einer der Schlüsselfaktoren für den erneuten Durchmarsch. Ein toller Teamgeist ist ein weiterer, der den Trainern am Herzen liegt. Auch die erfahrenen Spieler sind in ihre Führungsrollen hineingewachsen, haben sich weiterentwickelt. Kapitän Julian Jakobs beispielswiese „bringt wirklich das mit, was wir wollen“, so Demir, Til Baumann „hat eine Bomben-Saison gspielt und ist ein super Typ“. Außerdem sitzen die Neuverpflichtungen. Marcel Kandziora bringt reichlich Erfahrung mit, blieb zwar in dieser Saison noch etwas hinter seinen Möglichkeiten zurück und kam deshalb auch nur auf fünf Spiele über die komplette Dauer, könnte aber in der nächsten Spielzeit einer der Eckpfeiler des Teams werden. Ron Berlinski erwies sich als Volltreffer, traf in zwölf Partien 13 Mal und sicherte sich mit 29 Treffern den Titel des besten Torschützen der Saison. „Sein Engagement ist bewunderswert. Er hat gesagt, er will unbedingt aufsteigen. Wenn er die Möglichkeit hat, legt er vor dem Tor auch nochmal quer“, huldigt der Trainer seinem Schützling.

Dass die Perspektive, mit und unter jemandem wie Nuri Sahin zu arbeiten, der „mit seiner professionellen Einstellung den Weg ebnet“, wie es Demir formuliert, ein wichtiger Baustein für die starken Zugänge der Meinerzhagener ist, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Fäden in dieser Hinsicht zieht aber der Teammanager Yalcin Akbal. Er führt die Gespräche mit potentiellen Neuverpflichtungen, hat seine finanziellen Grenzen, die bei weitem nicht so hoch sind, wie immer wieder kolportiert, betont das Trainerteam. Demir: „Yalcin macht tolle Arbeit, hat gut selektiert. Man sieht an zig Beispielen, dass auch eine zusammengekaufte Truppe nicht immer funktioniert. Da gehört sehr viel Fleiß und Können dazu.“ Der Fleiß zahlt sich aus. Das trifft auch auf Sahin zu. Er hat die Erfolgsstory „ins Rollen gebracht“ (Demir), gerade seine sportliche Unterstützung sei grandios. Er lebe vieles vor, sei für die Spieler da. So oft wie möglich steht der Bundesliga-Profi von Werder Bremen am Seitenrand, ansonsten coacht er auch telefonisch. „Es ist unglaublich, was hier gerade passiert“, sagte Sahin jüngst gegenüber der Meinerzhagener Zeitung. Und Demir betont: „Wir sind froh und stolz, dass er dabei ist. Für ihn ist die Mannschaft der Star.“

Nach der Sommerpause startet der 1921 gegründete RSV Meinerzhagen dann also zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte in der Oberliga Westfalen. „Man merkt, dass gerade ein Ruck durch die Stadt geht. Wir wollen uns gemeinsam mit ihr entwickeln“, wünscht sich der Trainer. Knapp 1200 Zuschauer pilgerten zum letzten Saisonspiel der Meinerzhagener ins Stadion an der Oststraße. Eine beeindruckende Kulisse, die aber auch verdeutlichte, dass der RSV in Sachen Infrastruktur nun nachziehen muss. Step-by-Step eben.


Dem schnellen sportlichen Erfolg soll auch die Weiterentwicklung des Stadions folgen. „Die Zuschauer sollen sich wohl fühlen. Dafür brauchen wir ein neues Vereinsheim und eine Überdachung“, erläutert Demir. Denn das Vereinsheim neben dem Sportplatz (Bild) lässt tatsächlich zu Wünschen übrig. Oberliga-Format hat das nicht. Doch auch in diesem Punkt wird es Bewegung geben. Stadt und Politik wollen den RSV bei ihrem Vorhaben unterstützen, die gemeinsame Entwicklung vorantreiben. Vielleicht gelingt es dadurch, dass ein ähnlicher Andrang wie gegen Westfalia Wickede (3:1) mehr Regel als Ausnahme wird.

Der Kader wird wohl weitestgehend zusammenbleiben. Kaum verwunderlich, denn die sportliche Perspektive zeigte bislang immer steil nach oben. Wie sich Meinerzhagen in der Oberliga schlagen wird, darf mit Spannung erwartet werden. „Punktuelle Verstärkungen müssen sein, vor allem auch, um sich intern gegenseitig zu entwickeln“, deutet der Übungsleiter schon an, dass es im Sommer Bewegung geben wird. Ein Neuzugang steht mit Pascal Beilfuß vom FC Iserlohn bereits fest. Gezielte weitere Verstärkungen dürften folgen. Mindestens genauso wichtig ist es aber, den aktuellen Stamm beisammen zu halten. Denn die Leistungen werden auch höherklassigen Vereinen nicht verborgen geblieben sein. Auch auf der Abgangsseite hat sich eine Personalie bereits entschieden. Marco Sadowski, der das Trainergespann aus Demir und Sahin komplettierte, wird sich nach nur einem Jahr wieder zurückziehen. Für ihn ist der zeitliche Aufwand des Trainerjobs neben Familie und Beruf nur schwer zu stemmen, weshalb sich seine Prioritäten nun verändern. Da auch Demir schon in der Westfalenliga zeitlich an seine Grenzen kam, wird er für die gesteigerten Anforderungen der Oberliga noch mehr Entlastung brauchen als bisher. Ein Nachfolger für Sadowski wird gesucht.

In der jüngsten Vergangenheit waren die Fortschritte riesig. Welche Entwicklung ist dem RSV Meinerzhagen mittelfristig zuzutrauen? „Eine schwierige Frage“, lacht Demir und gibt seine Antwort: „Wir wollen, dass sich Vereine wie Siegen oder Wiedenbrück auf uns freuen und den Zuschauern was bieten. Der Qualität der Mannschaft trauen wir eine Menge zu. Wir wollen gut in die Oberliga starten und eine ordentliche Rolle spielen.“ Das lässt viel Interpretationsspielraum zu. Klar ist: sie werden es Schritt für Schritt angehen, Step-by-Step, so wie bisher auch. Wohin das führen kann, haben die letzten Jahre gezeigt...

Aufrufe: 03.6.2019, 10:00 Uhr
Milan KaufmannAutor