2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
Die Karriere von Noah Michel gleicht einer Berg- und Talfahrt. Jüngst gipfelte sie wieder in einem Erfolg: Durch seinen Treffer schmiss Friedberg den SVWW aus dem Hessenpokal.
Die Karriere von Noah Michel gleicht einer Berg- und Talfahrt. Jüngst gipfelte sie wieder in einem Erfolg: Durch seinen Treffer schmiss Friedberg den SVWW aus dem Hessenpokal. – Foto: FuPa/Jaux

Der Wiesbadener Pokal-Schreck

Serie - Teil 18: Der Mittelstürmer schoss den SVWW sehenswert aus dem Hessenpokal +++ einstiges Profidebüt für Jahn Regensburg +++ Gegen Bayern München im DFB-Pokal?

Mainz/Friedberg. Es läuft die 44. Minute der Partie. Der Querpass im Spielaufbau missrät auf dem nahezu unbespielbaren Geläuf. Ein grober Schnitzer, den Noah Michel gerochen hat. Der rothaarige Mittestürmer spritzt dazwischen. Kurze Annahme, schnelle Drehung und der Abschluss aus 30 Metern. Der Flugball senkt sich über den falsch positionierten Torhüter hinweg ins Tor. Ekstase. Diese Bude bedeutet für Türkgücü Friedberg die nächste Runde im Hessenpokal. Die Überraschung gegen den SV Wehen Wiesbaden ist perfekt. Es ist der gleiche Kontrahent, gegen den Noah Michel vor einigen Jahren auch sein Drittligadebüt feierte.

Alles kommt anders als man denkt

Den Verlauf seiner Karriere hatte Noah Michel so nicht geplant. Das war auch nicht möglich. In der Retrospektive weiß Noah das einzuordnen. Seine Vergangenheit habe ihn gelehrt, nicht zu weit im Voraus zu denken, sondern eher in kleinen Schritten. „Es kommt immer anders, als man annimmt“, betont er. Betrachtet man seine fußballerische Laufbahn, so war sie ein einziges Auf und Ab. Doch in der Jugendzeit war eben das noch nicht abzusehen.

Doppeltes Pech bei der Eintracht

Es verlief bis zur U19 alles wie an der Schnur gezogen. Der Junge, der in Lich geboren wurde und in Stockheim im Wetteraukreis aufwuchs, machte früh den Schritt ins Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) von Eintracht Frankfurt. Dort kickte er bis er 19 Jahre alt war – lediglich unterbrochen durch ein einjähriges Intermezzo im NLZ von Rot-Weiß Erfurt.

In seinem letzten A-Jugendjahr bei der Eintracht glänzte er konstant. Sein Talent war nicht zu übersehen – 16 Scorerpunkte in 21 Spielen sprachen für sich. Ein Vertrag für die U23 lag vor. Es fehlte nur noch die Unterschrift. Und er zögerte, obwohl er unterzeichnen wollte. Denn es kursierten Gerüchte, die sich kurz darauf bewahrheiteten. Die Reserve der SGE wurde abgeschafft. Es war der erste herbe Dämpfer in seiner Karriere. „Die Enttäuschung war groß, denn ich wäre auch definitiv in die U23 gegangen – die haben damals Regionalliga gespielt. Das hätte ich als Sprungbrett nutzen können“, bedauert Noah die damalige Entscheidung der Verantwortlichen. Zudem befand sich Michel zu dieser Zeit mitten in einer Ausbildung zum Kaufmann für Büro-Management bei der Eintracht. „Das musste ich alles fallen lassen und mir etwas Neues aufbauen“, entsinnt sich Noah.

Kindheitstraum geht in Erfüllung

Der Rückschlag in Frankfurt war wie eine Katharsis für Michel. Plötzlich taten sich ganz neue Möglichkeiten auf, denn Profiteams waren hinter ihm her – ihnen waren seine herausragenden Leistungen nicht entgangen. Er hatte die Wahl und schlug Angebote von 1860 und dem 1.FC Nürnberg aus. "Mein Kindheitstraum wurde in Regensburg wahr. Einen Profivertrag zu unterschreiben – Profi zu werden“, berichtet Michel – „das Gesamtpaket hat gepasst“.

Drittligadebüt und Vertragsauflösung

Eine Erinnerung ist Noah bis heute präsent, sie lebt immer wieder auf: sein „erstes Drittligaspiel von Anfang an – und das sogar gegen Wiesbaden! Da habe ich 90 Minuten durchgespielt. Daran werde ich mich immer erinnern“. Doch auf diese Errungenschaft folgte der nächste Rückschlag. Er saß das komplette nächste Spiel auf der Bank – ohne Begründung und ohne Aussprache. Aber wieso? „Diese Frage stelle ich mir heute tatsächlich selbst noch“, antwortet Noah etwas verbittert. Es folgten noch drei Spiele für den Jahn. Durch eine Verletzung verlor er die Bindung zum Team allerdings komplett – Resultat: einvernehmliche Vertragsauflösung. Auch sein halbjähriges Gastspiel bei Bayern Alzenau war im Anschluss nicht von Erfolg gekrönt.

Berg- und Talfahrt

Noahs Karriere glich einer Berg- und Talfahrt. Auf Höhen folgten Tiefen – und umgekehrt. Logisch, dass es nach seinem Aus in Alzenau wieder gut lief. Dieses Mal in Nidda. Zwar zwei Klassen tiefer, aber 25 Tore schießt man trotzdem nicht einfach so nebenbei. „Es war ein Schritt nach unten, aber es fühlte sich auch nach einem Schritt zurück zu den Wurzeln an“, beschreibt Noah, für den es dank einer neuen Ausbildungsstelle nun auch privat rund lief.

In seiner Aufstiegssaison mit Viktoria Nidda war Michel fast nur durch unfaire Mittel zu stoppen..
In seiner Aufstiegssaison mit Viktoria Nidda war Michel fast nur durch unfaire Mittel zu stoppen.. – Foto: Andreas Volz

Freundin, Hochzeit: Privates wird wichtiger

Als amtierender Torschützenkönig der Verbandsliga fand sich Michel eine Saison später in Gießen wieder. Seine 17 Scorerpunkte trugen ein ums andere Mal maßgeblich zu einem Aufstieg bei. Noahs Hoffnungen auf eine Profikarriere schlugen erneut Triebe. Regionalliga – er war wieder so nah dran. Doch es flatterte ein Jobangebot rein, mit dem er nicht rechnete. Ein Umdenken fand statt: „Man wird älter. Da beginnt man sich einen Kopf zu machen. Freundin, Hochzeit im Sommer, Zukunftsplanung – man will Sicherheit“. Zum ersten Mal in seinem Leben stellte Noah sein Privatleben über den Fußball.

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Sag niemals ‚nie‘

Nebenher war Hessenliga für Noah allerdings noch drin. Daher ging es zu Türkgücü Friedberg. In dieser Saison läuft es für seine Mannschaft durchwachsen. Doch man spielt noch um den Hessenpokal mit. Und das obwohl man sich bereits mit einem Drittligisten messen musste. Es ist eine Geschichte wie David gegen Goliath, lediglich neu erzählt. Noch vier Siege bis zum DFB-Pokal. In der nächsten Runde lauert Fernwald – ebenfalls Hessenligist. Im Angesicht des jüngsten Erfolgs eine machbare Aufgabe. Dann wären es nur noch drei Siege bis zum großen Auftritt. Rein theoretisch natürlich, doch die Träumerei beginnt unweigerlich. Es würde ein großer Gegner warten. Welchen Kontrahenten wünscht man sich in der ersten Runde da wohl am Meisten? „Es ist natürlich noch ein langer Weg, aber Bayern München wäre schon schön“, flaxt Noah.

Im Dress von Türk Gücü Friedberg nutzt Noah Michel sein Tempo, um die gegnerischen Abwehrreihen zu durchbrechen.
Im Dress von Türk Gücü Friedberg nutzt Noah Michel sein Tempo, um die gegnerischen Abwehrreihen zu durchbrechen. – Foto: Stefan Tschersich

In der nächsten Saison gegen Bayern München. Michel kann sich das Lachen nicht verkneifen. Es klingt surreal. So etwas wagt man kaum zu träumen. Doch eines hat ihn seine Vergangenheit gelehrt: „Nach meiner Laufbahn würde ich das Wort ‚nie‘ nicht in den Mund nehmen“.

Zur Serie: In dieser Reihe porträtieren wir ehemalige NLZ-Spieler, die den Sprung zum Profi nicht gepackt haben und nun bei Amateurteams aus der Region spielen. Sie erzählen uns, wie nah dran sie wirklich am großen Traum Profifußball waren und welche Ambitionen sie jetzt haben - sowohl auf als auch neben dem Platz.

- Teil 1: Linus Wimmer (SV Eintracht Trier)
- Teil 2: Lukas Fischer (TSG Bretzenheim)
- Teil 3: Lars Hermann (TSV Schott Mainz)
- Teil 4: Nik Rosenbaum (SV Alemannia Waldalgesheim)
- Teil 5: Joshua Iten (SG Hüffelsheim)
- Teil 6: Bilal Marzouki (FC Maroc Wiesbaden)
- Teil 7: Kevin Frey (VfB Bodenheim/TSG Mainz Futsal)
- Teil 8: Giorgio del Vecchio (TSV Schott Mainz)
- Teil 9: Marco Waldraff (SV Niedernhausen)
- Teil 10: Manuel Konaté-Lueken (RW Walldorf)
- Teil 11: Sandro Loechelt (Wormatia Worms)
- Teil 12: Marvin Esser (SG Walluf)
- Teil 13: Patrick Huth (TSG Pfeddersheim)
- Teil 14: Ilker Yüksel (Hassia Bingen)
- Teil 15: Tim Burghold (SV Niedernhausen)
- Teil 16: Noel Wembacher (RW Darmstadt)

- Teil 17: Tobias Schneider (RWO Alzey)

Aufrufe: 019.2.2022, 05:00 Uhr
Benedikt PalmAutor