2024-06-17T07:46:28.129Z

Interview
Abtswinds Michael Herrmann traf sich auf dem TSV-Sportgelände zum Gespräch mit FuPa-Reporter Dieter Rebel.
Abtswinds Michael Herrmann traf sich auf dem TSV-Sportgelände zum Gespräch mit FuPa-Reporter Dieter Rebel. – Foto: Dieter Rebel

"Der Verein ist noch der, in den ich mich verliebt habe"

Michael Herrmann (28) ist nicht nur Kapitän beim TSV Abtswind, sondern auch der einzige Spieler im Bayernliga-Kader, der aus dem Kräuterdorf kommt

Die aktuelle Zwangspause bietet die einmalige Gelegenheit, zurück zu blicken, sich neu zu besinnen, die Zukunft zu planen. Genauso handhabt es derzeit auch Michael Herrmann. Der 28-Jährige hat eine überaus erfolgreiche Vergangenheit bei "seinem" TSV Abtswind hinter sich und sieht auch seine Zukunft im Kräuterdorf, gleichzeitig sein Heimatort. Im FuPa-Interview spricht der Kapitän des Nord-Bayernligisten über die überraschende Entwicklung des Dorfvereins, über immer wieder wechselnde Mitspieler - und natürlich über die aktuelle Coronakrise.

Michael, ist der aktuelle TSV Abtswind noch Dein TSV Abtswind?
Auf jeden Fall! (mit Nachdruck). Ich bin jetzt bereits im zehnten Jahr hier. Freilich hat sich die Mannschaft verändert, doch die Menschen drumherum sind gleich geblieben. Insgesamt ist der TSV Abtswind noch der, in den ich mich verliebt habe.

Hintergrund der Frage: Du bist im Bayernliga-Kader des Kräuterdorfes der einzige Spieler, der direkt aus dem Ort kommt. Findest Du diese Entwicklung traurig – oder ist sie nebensächlich?
Um diese Frage beantworten zu können, muss ich weiter ausholen. Gerade in unserer zweiten Mannschaft gibt es sehr viele Spieler, die direkt aus dem Ort kommen und die auch ab und an mal im Kader der Ersten stehen. Hinzu kommen einige einheimische Jungs aus dem Nachwuchsbereich, die das Zeug für die Bayernliga haben. Die Leute im Ort akzeptieren es so, wie es ist. Die Abtswinder sind stolz darauf, dass wir so hoch spielen und nehmen es dann auch in Kauf, dass nur ein Bayernliga-Spieler aus dem Ort kommt.


Trainer Carsten Weiß und seine Schlüsselrolle

Du warst in den vergangenen zehn Jahren bei der rasanten Entwicklung des TSV hautnah dabei. Welche Faktoren haben zusammengespielt, sodass Abtswind von der damaligen Bezirksoberliga in die Bayernliga durchmarschiert ist?
Ein Jahr, bevor ich hergekommen bin, ist das Team von der früheren Bezirksoberliga in die Bezirksliga abstiegen. Beim sich anschließenden Neuanfang hat man einen neuen, richtungsweisenden Kurs eingeschlagen. Von da an haben die Verantwortlichen nicht mehr auf Ex-Profis gesetzt, sondern auf junge Nachwuchskräfte aus der Region. Hinzu kam mit Carsten Weiß ein Schlüsseltrainer nach Abtswind, der aus Schweinfurt viele Talente mitgebracht hat. In den ersten beiden Jahren nach dieser Umstellung sind wir in die Landesliga durchmarschiert - der Grundstein für die Bayernliga wurde gelegt. Nach sechs Jahren in der Landesliga, wir waren immer die Gejagten und wurden kurz vor Schluss abgefangen, haben wir dann unter Petr Skarabela endlich den Aufstieg gepackt - eine gute Ausgangsposition für die Zukunft.

Kehrseite der Medaille: Als Fünftligist verliert der TSV immer mehr seinen Charakter als Dorfverein, oder?
Wie bereits vorher kurz angeschnitten, ist man auf Spieler angewiesen, die nicht auf Abtswind kommen, um dieses Niveau zu erreichen und dann zu halten. Durch die Aufstiege hat sich der TSV auch immer weiter professionalisiert, um Bayernliga-Fußball überhaupt erst möglich zu machen. Die Funktionäre und Ehrenamtlichen, die sich für den Verein engagieren, sind jedoch die gleichen geblieben. Insofern kann man durchaus noch von einem Dorfverein sprechen.

Michael Herrmann ist seit zehn Jahren beim TSV Abtswind und inzwischen Kapitän im Kräuterdorf.
Michael Herrmann ist seit zehn Jahren beim TSV Abtswind und inzwischen Kapitän im Kräuterdorf. – Foto: © PresseFoto Evans/ EvRy

Irgendwie passen die vielen Trainerwechsel in dieser Saison zu diesem Thema. Wie beurteilst Du die Entwicklung auf Eurer Bank?
Hier muss man etwas differenzieren. Zuletzt unter Thorsten Götzelmann waren wir nicht so unerfolgreich, er wollte jedoch selber seinen Abschied und ist nun sportlicher Leiter. Deshalb würde ich diesen Trainerwechsel eher nicht miteinberechnen. Und vorher? Unter Mario Schindler hatten wir einfach die ewig lange Durststrecke mit elf Spielen ohne Sieg. Dass dann die Vereinsführung nervös ist, muss man als Spieler nachvollziehen. Und über die Sache mit Uwe Neunsinger möchte ich eigentlich keine Worte verlieren.

Ist die Bayernliga nun das Ende der Fahnenstange - oder glaubst Du, dass Abtswind noch mehr Potenzial hat?
Ich glaube, wir sind an einem Punkt angekommen, an dem man sich klar sein muss, dass wir nur ein Dorfverein sind. Würden wir noch weiter nach oben klettern, würde der TSV Abtswind seinen Charme verlieren. Dann wäre das alles hier nicht mehr so familiär, wie es ist und wie wir es lieben.


"Ich sehe mich hier nicht als Einzelkämpfer..."

Du bist seit zehn Jahren mit dabei, Kapitän der Truppe. Wie gehst Du generell mit der hohen Fluktuation, den vielen Ab- und Zugängen jede Saison, um?
Es ist natürlich schade, wenn uns am Ende einer Saison immer wieder Jungs verlassen. Nichtsdestotrotz muss man die Entscheidungen dieser Spieler und der Vereine akzeptieren. Auf der anderen Seite ist es immer wieder spannend, neue Menschen kennen zu lernen und zu integrieren. Gerade für einen Führungsspieler ist es eine herausfordernde Angelegenheit, dann wieder eine Einheit zu formen. Ich sehe mich hier aber nicht als Einzelkämpfer, sondern als Team gemeinsam mit meinen Ersatzkapitänen und dem Mannschaftsrat.

Gilt für Dich: Einmal TSV Abtwind, immer TSV Abtswind?
Meine Jugend habe ich beim Kontrahenten Wiesentheid verbracht. Mit dem Wechsel in den Herrenbereich bin ich nach Abtswind gekommen. Eigentlich wurde ich für die Reserve verpflichtet, doch ich habe mich überraschenderweise schnell durchgesetzt in der damaligen Bezirksliga-Truppe. Das alles hat dazu geführt, dass ich mir hier viel aufgebaut haben - neben dem Standing als Kapitän auch viele Freundschaften. Alles in allem wird es für andere Vereine schwer werden, mir das bieten zu können.

"Ich glaube, wir sind an einem Punkt angekommen, an dem man sich klar sein muss, dass wir nur ein Dorfverein sind"
"Ich glaube, wir sind an einem Punkt angekommen, an dem man sich klar sein muss, dass wir nur ein Dorfverein sind" – Foto: Hans Will

Mit 28 gehörst Du inzwischen, so hart es vielleicht klingen mag, zu den älteren Spielern. Ist die nachkommende Generation wirklich anders? Gehen gewisse Tugenden wie Ehrgeiz und Wille tatsächlich verloren?
Es gibt auch in der nachkommenden Generationen solche und solche. Ich glaube aber, dass die immer besser werdende fußballerische Ausbildung dazu führt, dass Spieler auf das Fußballerische begrenzt werden. Und das ist nicht gut. Taktisch und Technisch sind die Jungs top, keine Frage. Aber andere Tugenden wie Wille und Ehrgeiz müssen sie oft im Herrenbereich erst lernen. Das ist keine Charakter-, sondern eine Systemfrage.

Wir kommen nicht drumherum: Die Coronakrise. Wie beurteilst Du die aktuelle Lage?
Ich finde es spannend zu sehen, wie sich unsere Gesellschaft vor diesem Hintergrund entwickeln wird. Beispielsweise die aktuelle Entschleunigung durch die Krise ist sehr interessant. Man wird ausgebremst, merkt, welchen Stress man im Alltag hat, und besinnt sich wieder auf das Wesentliche. Im Vordergrund steht aktuell natürlich unsere Gesundheit. Es ist schon sehr schlimm, wie viele Menschenleben diese Pandemie kostet.

Wie stehst Du zur Ausgangsbeschränkung?
Diese Entscheidung der Politik war der richtige Schritt. Man hat in anderen Ländern gesehen, wie sehr sich Corona ausbreitet, wenn nicht derartige restriktive Maßnahmen ergriffen werden.

Glaubst Du, dass die aktuelle Situation den Fußball ändert?
Ich denke schon, dass mich sich künftig wieder etwas mehr auf die Grundwerte besinnt. Vielleicht kommt man wieder etwas mehr weg vom immer mehr zunehmenden Kommerz im Sport. Geld ist im Fußball nicht alles.

Vielen Dank für das Interview - gesund bleiben!

Aufrufe: 06.4.2020, 12:05 Uhr
Dieter RebelAutor