2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview der Woche
 Foto: Christoph Hosseus//Stock.Adobe
Foto: Christoph Hosseus//Stock.Adobe

"Das tut extrem weh"

Nachspielzeit mit Tobias Balz +++ Sportlicher Leiter des TuS Biebelnheim zur Abmeldung der Herrenmannschaft +++ Abwärtsstrudel der letzten Jahre ließ sich nicht aufhalten

In unserer Interview-Rubrik "Nachspielzeit" befragen wir wöchentlich in lockerem Rahmen interessante Spieler, Trainer oder Persönlichkeiten der Region über ihren Verein und ihre persönlichen Ziele. Heute zu Gast: Tobias Balz. 18 Jahre lang erlebte das Urgestein des TuS Biebelnheim alles mit, vom Aufstieg in die Bezirksliga 2015 bis hin zum Rückzug in die C-Klasse 2020. Das bislang dunkelste Kapitel der jüngeren Biebelnheimer Vereinsgeschichte aber begann am Samstag, als der Sportliche Leiter gemeinsam mit dem Vorstand die Herrenmannschaft aus der C-Klasse vom Spielbetrieb abmeldete. Wie es dazu kommen konnte und wie es nun weitergeht, darüber hat der 39-Jährige mit uns gesprochen.

Tobias, was für eine traurige Nachricht, die uns da erreicht hat. Wie konnte es dazu kommen?

Es ist wirklich extrem bitter und uns ist diese Entscheidung auch alles andere als leicht gefallen. Aber man muss einfach sehen, dass wir die letzten Wochen und Monate, eigentlich sogar die komplette Saison schon ziemlich knapp besetzt waren. Auch die Trainingsbeteiligung hat nach der Corona-Spielpause arg nachgelassen. Gerade die vielen älteren Spieler im Kader haben gemerkt, dass sonntags auf der Couch sitzen oder mit der Familie Zeit zu verbringen auch was für sich hat. Viele Vereine sind nach der Corona-Spielpause mit Schwierigkeiten gestartet. Hauptsächlich hat es die kleinen Vereine getroffen, die keine A-Jugend, zweite Mannschaft oder eine AH im Hintergrund haben. Wir sind leider einer dieser Traditionsvereine, der es aus verschiedenen Gründen nicht geschafft hat, dies im Hintergrund aufzubauen oder zu erhalten.

Und das hat euch in eurem Entschluss bestärkt?

Absolut, in Rücksprache mit dem Vorstand haben wir entschieden, dass jetzt der Punkt erreicht ist, ab dem es keinen Sinn mehr macht. Zu einem Spiel sind wir ja schon nicht angetreten, das tut dem Verein dann auch immer finanziell arg weh. Daher haben wir nun die Notbremse gezogen, was mir vor allem für die Hand voll Spieler, die immer da sind echt leid tut.

Du sprachst von einem Prozess, der nun zur Abmeldung geführt hat. Wie meinst du das?

Traurigerweise muss man sagen, dass es schon in den letzten fünf Jahren stetig bergab gegangen ist. Eigentlich seit es keinen bezahlten Fußball mehr in Biebelnheim gab, weder Spritgeld, noch Punktprämien. Da hat man schon gemerkt, dass Jahr für Jahr weniger Leute kamen, was sicher auch daran liegt, dass der Fußball und die Einstellung der Spieler dazu sich sehr verändert haben. Viele kommen einfach nicht mehr nur zum Spaß, sondern wollen immer direkt etwas dafür haben. Das können und wollen wir bei uns aber nicht mehr.

Dass auch mal Geld gezahlt wurde, ist also mit Schuld?

Absolut, das hat hier und generell im Amateursport viel kaputt gemacht und die in dieser Zeit entstandene Abhängigkeit wird uns nun zum Verhängnis. Aber so ist das nun einmal, wenn man unter anderem auf Sponsoren angewiesen ist, und die dann abspringen, fällt das Kartenhaus irgendwann zusammen. In den letzten fünf Jahren habe ich gefühlt vier neue Mannschaften hingestellt. Am Ende sind die Leute trotzdem wieder weggelaufen.

Du hast immer alles dafür getan, den Verein am Leben zu halten. Was geht nun in dir vor?

Nach 18 Jahren bei Biebelnheim als Spieler, Spielertrainer und nun Sportlicher Leiter habe ich alles mitgemacht. Unser Verein hat immer von der tollen Gemeinschaft und dem Zusammenhalt gelebt. Dies ist von Jahr zu Jahr immer mehr verloren gegangen. Viele unserer Gegner, Kontrahenten oder Wegbegleiter können sich an legendäre Derbys, Schlachtfeste oder ähnliches erinnern. Es hieß immer, in Biebelnheim kann gefeiert werden und verdursten wird hier auch keiner. Diese Erinnerungen trage ich zum Glück immer mit mir. Jedoch sind es auch diese Erinnerungen, die mir so extrem weh tun. Da ich es nicht geschafft habe, eine solche Gemeinschaft wieder aufzubauen.

Was wünschst du dir für den Verein?

Mein größter Wunsch ist es, dass der Verein weiterhin bestehen bleibt. Wir sind einer der ersten Turn- und Sportvereine Deutschlands. Es gibt in Berlin ein Schild auf dem unser Name steht. Darauf bin ich stolz, als gebürtiger Gau-Odernheimer. Mit der Tanzfitness Gruppe, einer Rückenschule, einem Darts-Team und einer Bootcamp-Gruppe haben wir zum Glück noch Leute, die sich aktiv im Verein einbringen. Ansonsten muss man leider sagen, dass auch der Ort nicht mehr viel Freizeitaktivitäten zu bieten hat. Einen Gruß von meiner Seite aus an die freiwillige Feuerwehr, den Landfrauenverein, den Männergesangverein und den TJV, die auch das Ansehen unseres kleinen Ortes aufrecht erhalten.

Wie sieht es konkret mit dem Fußball beim TuS aus?

Im Jugendbereich haben wir noch drei Mannschaften mit Bechtolsheim zusammen. Mit den zurückgebliebenen Jungs wollen wir eine Art Hobbygruppe ins Leben rufen und das ganze am Leben erhalten. Da habe ich die Hoffnung, dass sich der Gemeinschaft wegen auch immer mehr Externe anschließen werden. Vielleicht kommen wir so ungezwungener Maßen zu einer AH-Mannschaft.

Was passiert mit den ganzen Spielern?

Ein Teil hat bereits signalisiert, dass er in die Hobbygruppe gehen wird. Aber natürlich sind andere auch schon von Vereinen aus dem Umland angefragt worden. Wichtig ist erstmal, dass der Fortbestand des Klubs gesichert ist. Wir werden uns sicher in Ruhe zusammensetzen und schauen, was der beste Weg für die Zukunft ist.

Glaubst du an ein Comeback des Aktivenfußballs?

Dazu muss ich ehrlicherweise sagen, dass mir für eine Prognose aktuell Motivation, Kraft und Inspiration fehlen. Ich brauche nach diesem Rückschlag erst einmal etwas Abstand. Das, was man alles für den Verein gemacht hat, war schon sehr ermüdend und ich muss mir erstmal Gedanken machen, ob ich bereit bin, weiter dafür zu kämpfen.

Eine undankbare Aufgabe ohne Frage…

Absolut, man findet ja ohnehin kaum noch freiwillige Helfer. Und das, was man alles für den Verein macht, bekommt man, von ein paar Ausnahmen abgesehen, auch nicht gedankt. Ob wir den Fußball nochmal wiederbelebt bekommen, kann heute keiner sagen. Natürlich gäbe es die Option einer Spielgemeinschaft, aber da muss man sich auch erstmal zu gegebener Zeit zusammensetzen. Stand heute sehe ich eine AH jedenfalls realistischer, als eine Aktivenmannschaft, so schade das auch ist.

Gibt es noch etwas, das du unbedingt loswerden willst?

Ich möchte mich bei meinem Freund und Sportlichem Leiter, Christoph Hosseus-Schönhals für die Zusammenarbeit und die Unterstützung bedanken. Auch unserem Trainer Yücel Güzey bin ich für alles dankbar!

Aufrufe: 026.10.2021, 10:30 Uhr
Martin ImruckAutor