2024-04-30T13:48:59.170Z

Ligabericht
Schon für einige Vereine in Niederbayern hat Ondrej Bublik gespielt. Hier noch im Trikot des 1.FC Passau, inzwischen für die SG Teisnach/Gotteszell aktiv. F: Meier
Schon für einige Vereine in Niederbayern hat Ondrej Bublik gespielt. Hier noch im Trikot des 1.FC Passau, inzwischen für die SG Teisnach/Gotteszell aktiv. F: Meier

Das Geschäft mit den tschechischen Fußballspielern

Viele niederbayerische Fußballvereine setzen auf tschechische Bezahl-Spieler. Ein Blick hinter die Kulissen.

Das Wichtigste gleich vorweg: Botschaft dieses Berichtes ist keinesfalls die Diskriminierung einer gewissen Gruppe von Menschen. FuPa distanziert sich mit Nachdruck von Ausländerfeindlichkeit, Rassismus o.ä.. Intension dieser Geschichte ist vielmehr ein Blick auf die immer größer werdende Zahl an bezahlten Spielern im Amateurbereich, im Fußballkreis Niederbayern Ost. Und auf Kreisebene sind es eben vorrangig tschechische Kicker, die mit Geld geködert werden - und nur für regionale Vereine auflaufen, weil sie ein nettes Zubrot verdienen. Das Motto der "11 Freunde" war gestern, das Geschäft mit den tschechischen Fußballspielern ist heute.

Ursachenforschung. Warum haben es beispielsweise A- oder Kreisklassisten nötig, überhaupt Geld für bezahlte Kicker auszugeben - obwohl die Vereinskassen landauf landab sowieso oft nicht prall gefüllt sind? Warum gehen diese Teams das Risiko ein, durch derartige Verpflichtungen das im Amateursport so wichtige Mannschaftsgefüge durcheinander zu bringen? Und: Wie gehen diese Vereine damit um, dass drei, vier Spieler nach jeder Saison ausgewechselt werden?


Ohne Tschechen gäbe es wohl keinen Fußball mehr in Patersdorf

Die wenigsten Vereine, die auf tschechische Bezahl-Spieler setzen, tun dies, um die Qualität in der Mannschaft zu steigern und womöglich den langersehnten Aufstieg doch noch irgendwie zu schaffen. Oftmals ist "Geld für Beine" der letzte Ausweg, um den weit verbreiteten Personalproblemen entgegenzuwirken. Wie beispielsweise in Patersdorf, Kreisklasse Regen.

Mit Michal Brada, Michal Kulhanek und Pavel Dobry gehören drei tschechische Legionäre der Spvgg an - und sorgen somit dafür, dass Fußball in Patersdorf überhaupt noch möglich ist. "Uns fehlt der komplette Unterbau - wir haben weder eine A- noch eine B-Jugend", berichtet Spvgg-Teammanager Matthias Steinbauer. "Und bevor wir absteigen und uns dann womöglich weitere eigene Spieler verlassen, greifen wir auf Tschechen zurück, um die Mannschaft am Leben zu erhalten."


100 Anfragen, 100 Absagen

Den 38-Jährigen ärgert selbst die Tatsache, dass die Spielvereinigung auf bezahlte Spieler zurückgreifen muss. Auch ihm wäre es lieber, wenn die Elf ausschließlich mit Einheimischen bestückt wäre. "Doch das ist halt einfach leider so. Man bekommt ohne Geld keine auswertigen Spieler mehr." Rund 100 potenzielle Neuzugänge kontaktiert Steinbauer nach jeder Saison - Zusagen: Fehlanzeige.

Und deshalb muss Steinbauer immer wieder tschechische Legionäre als Lückenfüller an Land ziehen. Bei der Verpflichtung hat der Funktionär aber klare Vorstellungen: "Zunächst einmal müssen diese Spieler besser sein als unsere Kicker. So können wir deren Bezahlung gerechtfertigen", macht der einstige Oberliga-Kicker deutlich. "Außerdem müssen sie an mindestens einem Training pro Woche da sein und dürfen maximal aus Pilsen kommen. Die Fahrzeit ist somit überschaubar, sie können nach den Spielen etwas bleiben, es klappt mit der Integration besser und die Spieler bleiben länger als eine Saison."


Klingenbrunn verzichtet bewusst

100-150 Euro kostet FuPa-Infos zufolge ein tschechischer Spieler pro Spiel, ein Training mitinbegriffen. Finanziert wird das Ganze bei Patersdorf durch verschiedene Veranstaltungen. "Natürlich gibt es auch innerhalb des Vereins Kritiker hinsichtlich dieser Vorgehensweise. Deshalb ist es wichtig, dass die bezahlten Kicker gute Leistungen abliefern und auch menschlich in Ordnung sind", erklärt Matthias Steinbauer, der davon ausgeht, dass es in naher Zukunft noch schwieriger wird mit dem Personal. "Dann werden wir an einer SG nicht Drumherum kommen."

Ähnliche Probleme hat auch Ligarivale TSV Klingenbrunn. Nach dem langersehnten Aufstieg in die Kreisklasse kämpft die "Fatima"-Elf nun gegen den Abstieg - und gegen den Personalmangel. Trotz der dünnen Personaldecke verzichtet der TSV jedoch aus zwei Gründen ganz bewusst auf bezahlte Spieler. "Zum einen könnten wir uns das gar nicht leisten", betont Abteilungsleiter Josef Schafhauer. "Zum anderen wollen wir durch Auswärtige den großen Zusammenhalt, der uns auszeichnet und am Leben hält, nicht aufs Spiel setzen."


So arbeitet ein Spielervermittler

Spartenleiter Schafhauser und Trainer Michael Wolf werden deshalb wohl keinen Kontakt zu Christian Dobler aufnehmen. Der Physiotherapeut aus Fürstenstein betreibt gemeinsam mit dem ehemaligen Profi Milan Fukal seit sechs Jahren die Spielervermittlungsagentur Playersfriends. Jeden Sommer transferieren die beiden Freunde bis zu 20 Spieler von Tschechien nach Deutschland.

Ein Netzwerk aus Trainern, Spielern und Scouts füttern immer wieder die Playersfriends-Datenbank, sodass Christian Dobler auf umfangreiche Informationen über "etliche hundert" tschechische Spieler zurückgreifen kann. Hinterlegt ist dort neben der Preisvorstellung auch ein fußballerischer Steckbrief des jeweiligen Kickers. "Alles ist nach Positionen sortiert. Außerdem haben wir eine WhatsApp-Gruppe, in der wir relativ schnell weitere Details erfragen können."


Gründung einer Spielergewerkschaft in Tschechien

Im Gegensatz zu vielen zwielichtigen Beratern stehe bei Dobler und Fukal der Mensch im Mittelpunkt, der Spieler wird nicht als Material gesehen, mit dem man Geld verdienen kann. "Leider gibt es in dieser Branche immer mehr schwarze Schafe. Wir distanzieren uns von deren Vorgehensweisen. Aus diesem Grund haben wir zum Beispiel in Tschechien eine Spielergewerkschaft gegründet, die sich für die Rechte der dortigen Sportler einsetzt."

Der Wechsel eines tschechischen Legionärs sei mit viel Arbeit verbunden. Playersfriends ist von der A-Klasse bis zur 2. Bundesliga aktiv. Zu all den Vereinen und zu betreuenden Spielern muss ständig Kontakt gehalten werden. Dobler kümmert sich nicht nur dem den Transfer an sich, sondern hilft im Fall der Fälle auch bei der Arbeits- und Wohnungssuche sowie bei Ämtergänge. "Und für diesen Aufwand verlangen wir eine kleine Entschädigung. Manchmal machen wir es aber auch umsonst, weil wir einfach helfen wollen."


"Viele schwarze Schafe missbrauchen diese Macht"

Die Vermittlung von Spielern sei auch oft mit allerlei Problemen verbunden, wie Christian Dobler betont, und sei deshalb "kein Zuckerschlecken". Manchmal seien die aufnehmenden Vereine mit den Zahlungen unzuverlässig oder bemühen sich nicht, die Neuverpflichtungen zu integrieren. Manchmal seien aber auch die Spieler charakterlich nicht einwandfrei. "Dann müssen wir handeln - und die Zusammenarbeit vorzeitig auflösen. Klar ist aber: Wir wollen ein nachhaltiges Verein-Spieler-Verhältnis aufbauen."

Die Worte von Christian Dobler zeigen auf, wie schwierig es ist, als Berater zu arbeiten und Spieler von Tschechien nach Deutschland zu transferieren. Nach der Unterhaltung mit dem Macher von Playersfriend bleibt nur wenig vom schönen Bild des Spielervermittlers, der sich im Glanze seiner Kicker sonnt und über Wohl und Wehe von Karrieren und Vereinen entscheidet. "Viele schwarze Schafe missbrauchen diese Macht", betont Dobler in diesem Zusammenhang.


Ondrej Bublik: Neun Vereine seit 2013

In der Folge wechseln tschechische Legionäre teilweise jeden Sommer den Verein, werden zu Wandervögeln, die der Ruf vorauseilt, lediglich für Geld zu spielen. Freilich spielt der Verdienst eine nicht kleine Rolle bei der Entscheidung vieler Kicker aus unserem östlichen Nachbarland, in Deutschland spielen zu wollen. Es geht aber auch oft um eine bessere sportliche oder berufliche Perspektive, die im ehemaligen Ostblock-Staat weiterhin oft fehlt. So auch bei Ondrej Bublik.

Seit 2013 war der 27-Jährige für neun niederbayerische Vereine aktiv - ist somit der typische tschechische Wandervogel und befeuert die Klischees rund um die ausländischen Bezahl-Spieler. Doch der fußballerische Lebenslauf des gebürtigen Pragers muss differenziert betrachtet werden. Ondrej Bublik ist ob seiner vielen Vereinswechsel selber verwundert - und relativiert das Ganze etwas: "Ich bin einfach oft enttäuscht worden - menschlich und auch sportlich", berichtet der 27.Jährige in einer Mischung aus Hochdeutsch und Bairisch.


"Ich sehe hier meine Zukunft"

Nachdem er die Motivation verloren hatte, in Tschechien Fußball zu spielen - das System dort ist oft noch etwas rückständig, Gehälter werden regelmäßig verspätet oder gar nicht ausbezahlt - , wechselte er auf Vermittlung eines Freunde nach Bernried. Es folgten sieben weitere Teams, ehe er bei der SG Teisnach/Gotteszell gelandet ist. "Mir ist wichtig, dort zu leben und zu arbeiten, wo ich Fußball spiele. Deshalb bin ich nun mit meiner Familie nach Teisnach gezogen."

Bei der Wahl, welchen Team er sich anschließt, spiele Geld zwar eine Rolle, aber auch nur eine untergeordnete. Maßgeblich sind vor allem die sportlichen Ambitionen. "Ich würde nie in die A- oder Kreisklasse gehen, nur weil ich dort mehr verdienen kann. Ich möchte so hoch wie möglich spielen, mich weiterentwickeln - Fußballerisch und Menschlich."


Jiri Nemecek kam 1998 - und blieb

Ondrej Bublik ist also nur auf den ersten Blick der typische Fußball-Söldner. Ein Ruf, der vielen tschechischen Legionären vorauseilt. Oft auch zurecht. "Ja, das stimmt. Viele meiner Landsleute spielen nur des Geldes wegen in Deutschland. Bei mir ist das nicht so. Für mich ist Niederbayern zur Heimat geworden. Ich sehe hier meine Zukunft - auch nach meiner Fußballkarriere."

Ähnlich ist es bei Jiri Nemecek. Der weitum bekannte Torjäger wechselte 1998 von Prachatitz nach Karlsbach - und blieb 16 Jahre. Freilich, auch der 46-Jährige ist, wie er offen zugibt, für seinen Aufwand entschädigt worden - immerhin trennen seinen Heimatort und Karlsbach rund 50 Kilometer. Der Verein aus dem Stadtgebiet von Waldkirchen ist jedoch zu einer Herzensangelegenheit von Nemecek, der in Deutschland arbeitet, geworden. Auch jetzt, über vier Jahre nach seinen Abschied, ist er noch regelmäßig in Karlsbach anzutreffen.


"...das ist ja auch nicht verwerflich"

"Karlsbach ist mein Verein. Ich liebe diesen Verein und die Menschen hier. Ich bin zu 100 Prozent Karlsbach", schwärmt der Torjäger, der zuletzt gemeinsam mit seinem Sohn für den SV-DJK spielte. Über 20 Tore pro Saison hatten logischerweise zur Folge, dass Jiri Nemecek während seiner Karriere zahlreiche Angebote bekam. Er hätte viel mehr Geld verdienen können mit seinem Hobby, berichtet er. Doch er blieb Karlsbach treu. Ehrensache für ihn.

Doch auch der Prachatitzer, der noch heute in seiner Heimat aktiv ist, kennt die negativen Seiten des Geschäftes mit den tschechischen Spielern. Er weiß von vielen Kickern, die nur in Deutschland spielen, um Geld zu verdienen. Denen das Drumherum ihrer Vereine nicht interessiert, denen es egal ist, welchen Charakter der Mitspieler hat oder welche Sorgen den Teamkameraden plagen. "Das ist leider so", stellt Nemecek fest.

"Vielen Tschechen geht es nach wie vor finanziell nicht gut. Da ist es eine willkommene Sache, mit dem Hobby dazu zu verdienen. Und wenn es Vereine gibt, die zahlen wollen, ist das ja auch nicht verwerflich."

Aufrufe: 04.3.2019, 11:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor