2024-06-17T07:46:28.129Z

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"El Pulpo", der Krake: Dany Quintero aus Kuba. | Foto: Uwe Rogowski
"El Pulpo", der Krake: Dany Quintero aus Kuba. | Foto: Uwe Rogowski

Dany Quintero: "Beim Fußball sind alle gleich"

Der Torhüter vom FSV Rheinfelden flüchtete und fand in Deutschland eine Heimat

Sport verbindet. Er kann in diesen Tagen und Monaten, wo so viele Menschen nach Europa kommen wie wohl noch nie, ein Anfang sein. In den meisten Vereinen wird über Integration nicht groß geredet, sie wird gelebt. Fußball zum Beispiel ist bunt und international. Dany Quintero, Torhüter des Landesligisten FSV Rheinfelden, kam aus Kuba nach Deutschland. Er erzählt von seinen Anfängen in Europa und was der Sport dabei bedeutete.
„Als ich vor sechs Jahren mit der kubanischen Nationalmannschaft ins Trainingslager nach Düsseldorf sollte, stand mein Entschluss fest. Ich kehre nicht nach Kuba zurück. Es waren schwierige Momente für mich, denn mir war klar, dass das gleichbedeutend damit sein würde, meine Eltern, meinen Bruder, meine Onkels, die ganze Familie in Cienfuegos, auf unbestimmte Zeit nicht wiederzusehen, und auch damit, dass sie Ärger bekommen würden. In Kuba gibt es ja auch so etwas wie die Staatssicherheit, so wie man sie aus dem früheren Ostdeutschland kennt. Später erfuhr ich, dass mein Bruder, er war Nationaltorhüter der U17, nach meiner Flucht aus der Mannschaft genommen wurde. Ich war traurig, gespalten. Aber ich wollte unbedingt in Europa bleiben. Denn das Leben in Kuba war und ist schwierig. Du bist unfrei. Das Schlimmste: Es gibt keine Meinungsfreiheit – so wie in der DDR. Es ist besser geworden, hört man. Aber so wie es manchmal in den europäischen Medien dargestellt wird, ist es nicht. Vor zwei Wochen hatte ich mit einem Freund Kontakt, der jetzt in den USA ist. Er sagte: Eigentlich ist immer noch alles gleich, wie vor zehn Jahren. Der Entschluss nach Deutschland zu kommen und zu bleiben, war richtig.

Als ich mich am Frankfurter Flughafen abgesetzt hatte von der Nationalmannschaft war mein ganzer Besitz an meinem Körper: eine Uhr, eine Kette, der Trainingsanzug der „Seleccion“. Ich bin bei der Ankunft einfach nur gelaufen und habe nicht zurückgeschaut. Ein Bekannter half mir am Anfang. Ich heuerte in Portugal bei einem Drittligisten an, doch das ging nicht lange gut. Der Verein in einer Kleinstadt im Nordwesten des Landes hatte finanzielle Probleme und ich keine Aufenthaltsgenehmigung. Ich war inzwischen auf mich allein gestellt, kehrte nach Deutschland zurück, hatte kein Geld und musste einige Zeit in Flüchtlingsunterkünften verbringen. Dann hatte ich aber sehr großes Glück: ich kam bei einer unglaublich freundlichen und warmherzigen Familie in Lörrach unter. Dann gab es Kontakt mit Konrad Enz vom SV Nollingen, noch so ein Glücksfall. Alle halfen mir bei behördlichen Dingen: Asylverfahren, Arbeit… Ich weiß nicht, ob ich es allein geschafft hätte. Ich besuchte eineinhalb Jahre lang die Sprachschule Ifas in Lörrach, und Herr Enz brachte mich in das Vereinsleben, ich konnte Fußball spielen, Leute kennenlernen, Freundschaften schließen. Beim Fußball sind ja irgendwie alle gleich. Zugegeben: Fußball-Kreisliga in Nollingen war nicht das, wovon ich geträumt hatte. Ich war Nationaltorhüter gewesen. Aber ich war glücklich, integriert.

So wie ich es jetzt beim FSV Rheinfelden bin. Hier haben wir sehr viele Italiener, und die sind in der Mentalität uns Kubanern sehr ähnlich. Der Fußball, die Kollegen – das hat mir unglaublich geholfen bei der Integration. Als ich noch in Kuba war und den Entschluss gefasst hatte, das Land bei der nächsten Möglichkeit zu verlassen, habe ich über Deutschland nachgedacht. Es ist ein Land mit Anziehungskraft. Aber man hörte auch von Rassismus, ich war nicht sicher. Aus heutiger Sicht muss ich sagen: Es ist anders, und ich kann nur sagen, dass ich mich in Deutschland sehr, sehr wohl fühle. Natürlich gibt es, speziell in kleinen Dörfern, komische Leute, die sich an meiner Hautfarbe stören, mich beleidigen. Aber das ist nicht repräsentativ für Deutschland. Was ich allerdings manchmal in den Nachrichten sehe, gerade erst gestern wieder, macht mich betroffen. In Norddeutschland oder in Dresden, ganz traurig, was da zum Teil passiert. Dabei haben die meisten der Flüchtlinge gar keine andere Möglichkeit: Ihre Länder sind kaputt, sie haben dort keine Zukunft. Sie wollen ein neues Leben, für einen Neuanfang geben sie alles auf.

Ich persönlich hatte Glück, hatte viele gute Menschen um mich herum und den Vereinsfußball. Vergangene Woche habe ich die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt. Mit dem deutschen Pass darf ich vielleicht wieder nach Kuba einreisen. Meine Familie habe ich seit sechs Jahren nicht mehr gesehen.“

Dany Quintero, 30, ist Torhüter beim FSV Rheinfelden in der Fußball-Landesliga und arbeitet bei DHL als Paketzusteller. Er wurde 2009 kubanischer Meister und nahm 2007 als Ersatztorhüter der Nationalmannschaft am Gold-Cup in den USA teil. 2009 setzte er sich ab, als er nach Deutschland kam. Das Fußball-Magazin 11 Freunde schrieb über ihn: „Er brachte mit seinen langen Armen und Paraden die besten Stürmer des Landes zur Verzweiflung. Sie nannten ihn „El Pulpo“, den Kraken.“
Aufrufe: 024.8.2015, 22:00 Uhr
Aufgezeichnet von Uwe Rogowski (BZ)Autor