2024-04-30T13:48:59.170Z

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Bad Schwalbachs Christoph Hassa im Interview der Woche. Nach der Saison zieht er sich zurück.
Bad Schwalbachs Christoph Hassa im Interview der Woche. Nach der Saison zieht er sich zurück. – Foto: stock.adobe/Hassa

"Brauche Zeit um festzustellen, ob ich auf Fußball verzichten kann"

Nachspielzeit mit Christoph Hassa +++ Der Sportliche Leiter der SG Bad Schwalbach/Langenseifen über seine kommende Auszeit, Fußball als Integrationsmöglichkeit und Eros Ramazotti

Bad Schwalbach. Mit zwölf Jahren kam Christoph Hassa mit seiner Familie aus Polen in den Rheingau. Dank seiner damaligen Klassenkameraden begann er seine fußballerische Laufbahn in Deutschland in der D-Jugend des FV Geisenheim 08, wechselte dann aber aufgrund seines Wohnortes bereits nach einem Jahr zum ersten Mal zum FSV Bad Schwalbach. Auch dort sollte der heute 40-Jährige zunächst nur ein Jahr bleiben, denn schon nach einer Saison zog es ihn weiter zur SG Orlen, für die er den Rest seiner Juniorenlaufbahn auflaufen und auch die ersten Schritte im Aktivenbereich gehen sollte. 1999 erfolgte dann der Rückwechsel zum FSV für den er seitdem, mit Ausnahme von kurzen Zwischenstationen, in Orlen, bei der TuS Niederneisen und der SG Meilingen, in verschiedensten Funktionen tätig ist. Einerseits stand und steht er für die Bad Schwalbacher auch heute noch regelmäßig auf dem Platz, andererseits engagiert er sich seit langer Zeit auch abseits des Feldes, mal als Jugendtrainer, Co-Trainer oder Hauptübungsleiter zusammen mit Julien Jourdan, mal im Vorstand. Seit nunmehr zwei Jahren ist er der Sportlicher Leiter der jungen SG Bad Schwalbach/Langenseifen, die er selbst mitinitiierte. Im Interview spricht Christoph Hassa über seine Entscheidung sich nach der Saison eine Auszeit zu nehmen, warum er Apps wie Spielerplus kritisch sieht und ein legendäres Foto in dem er als Eros Ramazotti verkleidet zusammen mit Tina Turner auftritt.

FuPa: Hallo Christoph, mit der SG steht ihr nach der Hinrunde auf dem elften Tabellenrang der iKreisliga A, habt dabei fünf Zähler Vorsprung auf die Abstiegsplätze. Wie fällt dein Zwischenfazit zur Saison aus?

Christoph Hassa: „Unser Ziel in dieser Saison war es dafür zu sorgen, dass die SG funktioniert, da diese ja noch sehr frisch ist. Auf Vorstandsebene und beim Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft ist das eingetreten was wir uns erhofft haben. Leider bleiben die sportlichen Erfolge aufgrund von verschiedenen Faktoren aus. Wir hoffen aber, dass wir an die letzten Spiele der Hinrunde anknüpfen und einige Siege holen können. Was mich aber enttäuscht, sind die kurzfristen Abgänge vor und während der Saison. Hinzu kommt die Unzuverlässigkeit bei einigen Spielern und die teilweise fehlende Einstellung zum Sport.“

FuPa: Woher kommt diese Unzuverlässigkeit deiner Meinung nach?

Christoph Hassa: „Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Bei der jüngeren Generation habe ich das Gefühl, dass sie bereits im Jugendbereich zu viel abgenommen bekommen und selbst zu wenig Verantwortung zeigen müssen. Dazu kommt, dass heutzutage die Prioritäten ganz anders gelegt werden. Wir sind früher mit einem Ball auf den Platz und waren zwei Stunden beschäftigt, heute habe ich das Gefühl, dass Studium und Arbeit einen anderen Stellenwert und Zeitaufwand in Anspruch nehmen. Vielleicht ist es aber auch ein Zeitmanagementproblem, denn ob man die zwei Stunden am Abend nicht entbehren kann, beziehungsweise noch lernen sollte, finde ich fraglich. Wenn man in einem Verein spielt, verpflichtet man sich nämlich, meiner Meinung nach, auch seinem Team gegenüber regelmäßig auf dem Platz zu stehen. Dieses Verantwortungsgefühl gegenüber der Mannschaft sehe ich leider schwinden. Auch das Überangebot im Profifußball tut den Amateurvereinen nicht gut, da es auch viele Spieler gibt, die sagen: „Heute spielt mein Verein, dazu ist das Wetter schlimm, dann bleibe ich lieber zuhause.“ Auch Apps wie Easy2Coach, Spielerplus oder WhatsApp sind ein großer Faktor, die Rückmeldung bekomme ich von einigen Trainern. Früher musste man seinen Coach noch anrufen, um für ein Training oder Spiel abzusagen, da hat man vorher schon zweimal darüber nachgedacht, ob man wirklich einen triftigen Grund hat nicht zu erscheinen. Inzwischen kann man dieser direkten Konfrontation mit einem einzigen Knopfdruck aus dem Weg gehen und muss seine Abwesenheit dabei nicht einmal mehr begründen. Das macht es für Trainer unglaublich schwer zu arbeiten, weswegen ich mir sicher bin, dass die Trainingsbeteiligung allgemein höher wäre, wenn man diese Apps abschaffen würde.“

FuPa: Kam es auch deswegen zu deiner Entscheidung, das nächste Jahr zu pausieren oder hatte dies andere Gründe?

Christoph Hassa: „Die sportliche Situation momentan hat dabei keine Rolle gespielt. Mein Ziel vor zwei Jahren, als ich als Sportlicher Leiter angefangen habe, war es die Spielgemeinschaft ins Leben rufen, den Verein damit anzuschieben und dann zu verschnaufen, da ich die letzten 20 Jahre sehr viel Energie in den Verein gesteckt habe. Ich brauche einfach mal Zeit, um runterzukommen und auch um für mich selbst festzustellen, ob ich komplett auf den Fußball verzichten kann. Alles andere, wie zum Beispiel die Einstellung der Spieler, werde ich sowieso nicht ändern können.“

Einen weiteren Artikel bezüglich Christoph Hassas Entscheidung findet ihr hier.

FuPa: Wie lange hast du mit der Entscheidung gerungen? Wann genau hast du den Beschluss gefasst?

Christoph Hassa: „Das war ein schleichender Prozess, als die SG kam war ich noch voll motiviert, voll drin. Als dann die Pandemie ihren Lauf nahm und wirklich mal ein halbes Jahr lang wenig, bis nichts um den Verein herum passiert ist, habe ich gemerkt, wie ich selbst zur Ruhe gekommen bin und mich entspannt habe. Da habe ich den Entschluss gefasst, dass ich das nicht mehr lange machen kann. Im Sommer habe ich diese Entscheidung, nach der Saison alle Ämter und Verpflichtungen niederzulegen, dann dem Vorstand mitgeteilt. Die Spieler haben erst kürzlich davon erfahren.“

FuPa: Was machst du jetzt mit deiner ungewohnt vielen Freizeit, und weißt du vielleicht auch schon, wie es nach dem Jahr für dich weitergeht?

Christoph Hassa: „Ich habe angefangen Tennis zu spielen, das macht mir mittlerweile mehr Spaß als Fußball, dementsprechend werde ich diesem Hobby definitiv noch häufiger nachgehen. Natürlich will ich die freie Zeit aber auch nutzen, um viel mit meiner Frau zu unternehmen, also am Wochenende auch mal irgendwo hinzufahren, zu verreisen, Konzerte besuchen und all das. Wie gesagt, es geht darum zu entspannen und keinen regelmäßigen Verpflichtungen nachgehen zu müssen. Ob man mich nach dem Jahr Pause wieder im Amateurfußball sehen wird, kann ich ehrlicherweise überhaupt nicht sagen. Es kann sein, dass es mich danach wieder juckt, aber auch, dass ich zu dem Entschluss komme: „Es waren einige schöne Jahre, aber jetzt ist genug.“ Selbst Fußball spielen werde ich aber höchstens noch bei den alten Herren, soviel weiß ich mit Sicherheit. Wir haben hier in Bad Schwalbach eine klasse Truppe, in der viele meiner ehemaligen Mannschaftskameraden spielen."

Sorgten für Lacherfolge: Die Betreuer Christoph Hassa als Eros Ramazotti (links) und Niels Lederer als Tina Turner.
Sorgten für Lacherfolge: Die Betreuer Christoph Hassa als Eros Ramazotti (links) und Niels Lederer als Tina Turner. – Foto: Archivfoto

FuPa: Wir haben in unserem Archiv ein altes Foto von dir als Eros Ramazotti, und Niels Lederer als Tina Turner, verkleidet, gefunden. Was ist die Story hinter diesem skurrilen Schnappschuss?

Christoph Hassa: „Oh Gott (lacht). So sind wir zweimal aufgetreten als wir circa 17 oder 18 waren, glaube ich zumindest. Einmal beim Abschlussball der Realschule und dann noch beim Abschlussfest der Ferienbetreuung, bei der wir jahrelang mitgeholfen haben. Dabei sollte auch das Bild entstanden sein.“

FuPa: Du bist mit zwölf Jahren aus Polen nach Deutschland gekommen, hast dich dann sehr schnell einem Fußballverein angeschlossen und warst, wie man auch an dem Bild sieht und an der Story dahinter hört, vollständig integriert. Wie sehr hat dir der Fußball dabei geholfen?

Christoph Hassa: „Das war brutal wichtig. Ich erinnere mich noch genau daran, wie der Trainer von Geisenheim damals in die Flüchtlingsunterkunft für Spätaussiedler kam, in der wir wohnten und mich dann einfach mitgenommen hat zum Training. Der Kontakt kam letzten Endes über meine Klassenkameraden zustande, insbesondere Pascal Sohns. Ich konnte zu Beginn noch kein Wort Deutsch, aber das war egal, weil es bei Kindern auf dem Fußballplatz nur eine Sprache gibt, nämlich der Sport an sich. Umso mehr Zeit ich dann im Verein verbracht habe, desto schneller habe ich dann auch Deutsch gelernt und Freunde gefunden. Weil ich diese Erfahrung gemacht habe, ist es auch mein größter Wusch, dass in einer einwohnerstarken Kreisstadt wie Bad Schwalbach auch wieder viel mehr Jugendfußball stattfindet. Wir hatten einmal eine gute Jugendarbeit, aber es wird immer schwieriger engagierte Leute zu finden. Leider läuft es nicht nur bei uns so schlecht in der Jugend. Wir haben hier in Bad Schwalbach viele Kinder mit Migrationshintergrund, leider hat aber auch Türk Spor Bad Schwalbach keine Jugendmannschaften, weswegen die Kinder nach Hettenhain fahren müssen. Das ist insgesamt einfach Schade, weil Jugendfußball und Fußball an sich die perfekte Möglichkeit bietet, um Menschen zu integrieren.“

Aufrufe: 010.2.2022, 06:00 Uhr
Tim StammAutor