2024-04-30T13:48:59.170Z

Halle
Ex-Profi Mike Probst (blauer Kopfschutz) und Blinden-Nationalspieler Sebastian Schäfer im Clinch um den Ball.  Foto: Stöcker
Ex-Profi Mike Probst (blauer Kopfschutz) und Blinden-Nationalspieler Sebastian Schäfer im Clinch um den Ball. Foto: Stöcker

Blinden-Kicker schlagen Sternstunden 9:0

Der eigentliche Sieger der Partie beim Kelheimer Hallenturnier war aber die gute Sache +++ Über 600 Fans machten keinen Mucks

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Innerhalb einer Minute verwandelte sich der brodelnde Hexenkessel der Mehrfachhalle in den vielleicht stillsten Ort in Kelheim, an dem jemals mehr als 600 Menschen gleichzeitig versammelt waren. Keine wummernden Bässe aus den Lautsprechern mehr, keine rufenden Fans: Was jetzt kam, hatten weder Zuschauer noch Spieler schon gesehen, geschweige denn erlebt: Das Blindenfußball-Bundesliga-Team des BFW/ VSV Würzburg trat in einem Benefizmatch gegen die Auswahl des FC Sternstunden an. Ein Fußballspiel nach Gehör.

,,Ich war draußen und hab' geschaut, ob die Zuschauer vielleicht alle beim Rauchen sind oder sich was zu trinken holen", sagte Martin Birkl, Sprecher des ATSV Kelheim nach dem Spiel. ,,Aber da war keiner. Die Fans waren alle in der Halle und alle waren wirklich so leise. Das war der Hammer." Die Organisatoren des 40. Hallenturniers des ATSV waren sich im Vorfeld nicht sicher, ob es funktionieren würde - ob die Halle leise genug sein würde, damit die Spieler auf dem Feld die Kommandos von der Bande und vor allem den Ball würden hören können. ,,Aber das Publikum war toll."

,,Es hat riesen Spaß gemacht"

Es sieht schon ein wenig eigentümlich aus, wenn ein Blindenfußballer mit dem speziellen Rassel-Ball dribbelt. Links, rechts, links, rechts - kleine, kontrollierte Schritte. Dazu die eng am Körper angewinkelten Arme und immer wieder der Ruf ,,Voy!",um Gegenspieler und eigene Mannschaft über die eigene Position zu informieren. Das verleiht dem Gang mit dem Ball etwas Vogelartiges. Offene Münder und anerkennende Lacher und ,,Ooohs" kamen von der Tribüne, als Würzburgs Ramon Pryssok zum ersten mal durch die Reihen der Sternstunden-Kicker navigierte - und sie einfach stehen ließ. Oder wenn die Würzburger mit Sven Lotter, Sebastian Schäfer, Manuel Beck, Bernd Bergmann, Ansgar Lipecki und Torwart Enrico Göbel präzise ihre Anspielpartner fanden.

Selbst ehemalige Vollblut-Profis wie Mike Probst wirkten zunächst hilflos. Ein Fußballleben mit Stationen bei 1860 München, Unterhaching sowie ein UEFA-Pokal-Sieg und eine Vizemeisterschaft mit dem FC Bayern München konnten ihn nicht auf das vorbereiten, was auf dem Parkett auf ihn wartete. ,,Wenn einem der wichtigste Sinn genommen wird, ist das für einen Fußballer das Schlimmste", sagte er nach dem Spiel. Trotzdem: ,,Das war eine einmalige Erfahrung, die ich nicht hätte verpassen wollen. Es hat riesen Spaß gemacht."

Auch Willi Dillmann (Unterhaching), Horst Schädl, Rudi Böck (FC Wacker, FC Bayern, SV Lohhof), Christian Schellewald (SV Neukirchen), Bernhard Schmid (TSV 1860 München) im Tor und der Kapitän des ,,Sternstunden"-Teams am Spielfeldrand, Ehrenspielführer Karsten Wettberg, konnten der haushohen Überlegenheit des Blinden-Bundesliga-Teams nichts entgegensetzen. Eigentlicher Sieger des 9:0-Matches war die gute Sache. Der ATSV Kelheim hatte gesammelt. Am Ende des Einlagenspiels gab es zwei Schecks über je 1250 Euro für die Sternstunden und den BFW/VSV Würzburg.

Rückspiel ist ausgemacht

Die Sternstunden-Kicker wollen die Niederlage nicht auf sich sitzen lassen. ,,Wir werden trainieren und wollen auf alle Fälle ein Rückspiel", lachte ein gelöster Bernd Walter vom Sternstunden-Team-Management hinterher. ,,Wir spielen seit mehr als 20 Jahren für die gute Sache, haben alleine mit Kicken inzwischen mehr als 1,2 Millionen Euro für die Aktion Sternstunden erspielt. Aber so was wie heute bei unserem 240. Spiel haben wir noch nicht erlebt." Normalerweise ist der Terminplan der Promi-Kicker sehr eng. ,,Wir sind im Schnitt auf zwei Jahre ausgebucht", sagte Walter. ,,Aber diese Erfahrung hat uns besonders gereizt - deshalb haben wir es spontan möglich gemacht."
Aufrufe: 011.1.2015, 17:00 Uhr
Heiner StöckerAutor