2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
F: Sulzbach
F: Sulzbach

Ausschläge zum Saisonende immer größer

38-Jähriger aus Waldlaubersheim ist Spieler, Trainer sowie Vereinsvorstand und nun auch Schiedsrichter +++ Beleidigungen und Tätlichkeiten verunsichern vor allem die jungen Kollegen

BAD KREUZNACH. Fast alle erdenklichen Blickwinkel kennt Björn Strack vom SV Viktoria Waldlaubersheim. Der 38-Jährige ist viele Jahre aktiver Spieler, Trainer sowie Vorstandsmitglied und seit 2013 auch Schiedsrichter. Diese besondere Konstellation – nämlich zu wissen, welche Gefühlslagen alle beteiligten Protagonisten durchleben – sieht Strack als großen Vorteil, auch wenn ihn einige zunächst belächelt haben. „Der macht ja schon alles, jetzt auch noch Schiedsrichter“, habe so mancher in seinem Umfeld gesagt und auch Strack hatte diese Entwicklung nicht kommen sehen: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Schiedsrichter werde.“ In der Regel sei es nicht verkehrt, zumindest einmal ein Spiel zu leiten. „Es gibt natürlich auch immer Menschen, die dazu nicht geschaffen sind“, meint Strack, der Obmann Christian Wendel mittlerweile auch bei der Schiedsrichter-Ansetzung für die Spiele im Kreis unterstützt. Wir sprachen mit dem 38-Jährigen über seinen neuen Blickwinkel auf das Spiel und die Entwicklung in Sachen Gewalt gegen Schiedsrichter.

Herr Strack, seit knapp vier Jahren sehen Sie Spiele nun auch aus der Perspektive des Schiedsrichters. Was hat sich seitdem für Sie konkret verändert?
Ich nehme das Spiel auf jeden Fall anders wahr. Als Stürmer ist man natürlich immer mitten im Geschehen und muss auch ordentlich einstecken. Da beschwert man sich auch mal beim Schiedsrichter, das ist ganz normal. Aber ich merke es jetzt schon extrem, wenn du selbst Schiedsrichter bist, nimmst du dich mehr zurück und akzeptierst eher das was der Schiedsrichter pfeift. Natürlich gibt es immer Spiele, wo vieles gegen dich läuft, aber dann sage ich es in einem vernünftigen Ton.

Mit Erfolg?
Naja, wenn der Schiedsrichter eine Entscheidung getroffen hat und sich sicher ist, dann sollte er auch dabei bleiben. Trotz der Beschwerden sollte man sich dem Schiedsrichter gegenüber aber immer fair verhalten.

Wie steht es im Ihre Akzeptanz als Schiedsrichter? Die meisten Leute aus der Region kannten Sie ja erstmal nur als Spieler oder Trainer?
Es gibt viele, die mich dafür gelobt haben, wie ruhig ich die Spiele leite. Natürlich hast du auch immer deine drei oder vier Vereine die nörgeln, aber ich selbst habe überwiegend gute Resonanzen bekommen. Klar mache ich auch Fehler und habe mal einen schlechten Tag, aber grundsätzlich würde ich sagen, dass ich es sehr gut einschätzen kann, wenn ich mal daneben gelegen habe. Natürlkich gibt es immer Spieler, Trainer oder Zuschauer, die das Meckern einfach nicht lassen können.

Wie geht man mit solchen Problemfällen um?
Ich sage denen immer: Dann pfeift doch selbst mal ein Spiel. Dann würden sie, wenn sie ehrlich zu sich sind, auch erkennen, dass man die Entscheidungen nicht immer mit 100-prozentiger Sicherheit treffen kann. Dennoch gibt es immer wieder Trainer- und Spielertypen, die permanent auf den Schiedsrichter gehen. Das nimmt definitiv zu und da muss man sich auch wirklich Gedanken machen, wie es in Zukunft weitergehen soll. Noch haben wir im Kreis Bad Kreuznach eine stabile Zahl an Schiedsrichtern - auch durch den Neulings-Lehrgang, den wir anbieten - aber es hören auch immer wieder junge Kollegen auf, weil sie beleidigt oder angegangen wurden und nicht damit klarkommen.

Worauf kommt es bei der Verarbeitung und Einschätzung solcher Beleidigungen an?
Ich versuche es mal so zu erklären: Seit meinem fünften Lebensjahr bin ich auf dem Sportplatz. Wenn jemand mit mir meckert, dann regt mich das innerlich natürlich schon auf, nach außen aber nicht. Das geht links rein und rechts wieder raus, dann lächel ich das weg und gut ist. Aber es gibt auch Schiedsrichter, die sich das sehr zu Herzen nehmen, was zu ihnen und über sie gesagt wird. Irgendwann ist das Maß dann voll und sie hören auf. Die haben einfach nicht die Erfahrung, die du hast, wenn du 30 Jahre selbst gespielt oder trainiert hast und weißt, wie es manchmal auf dem Platz zugeht.

Sind ähnliche Sachen auch schon bei Ihnen vorgefallen?
Nein, bei meinen Spielen war es bislang vergleichsweise ruhig. Dass ich tätlich angegriffen wurde ist noch nie passiert, auch weil ich glaube, dass meine Spielleitung dann einfach von beiden Seiten akzeptiert wurde. Ich sehe bei solchen Eskalationen zwei Hauptursachen: Einmal wenn der Schiedsrichter wirklich großen Mist pfeifft und zum andern, wenn in einer Mannschaft eine gewissen Mentalität vorherrscht. Meistens rappelt es ja richtig, wenn eine Mannschaft auf die Verliererstraße geraten ist, dann gerät der Schiedsrichter bei jeder kniffligen Situation unter Druck.

Gibt es weitere Einflüsse?
Der Saisonverlauf spielt natürlich auch eine Rolle, ebenso wie Derbys, bei denen es immer heiß zugeht.
Die B-Klasse war in diesem Jahr beispielsweise extrem spannend und da werden die Ausschläge jedes Jahr größer. Wenn es um was geht und Punkte gebraucht werden, schlagen die Beteiligten öfter über die Strenge. Bei den Kracherspielen sind wir von der Schiedsrichtervereinigung eigentlich auch immer vor Ort und schauen uns das an.

Sie sind als Trainer und Spieler in Waldlaubersheim aktiv, wie lassen sich die Einsätze als Schiedsrichter da drum herumbauen?
Das ist gar nicht so leicht, aber dennoch habe ich diese Saison rund 40 Spiele geleitet. Meistens lege ich mir die Termine dann unter die Woche. Am liebsten bin ich dann auch in einem Kreis unterwegs, wo man mich nicht so gut kennt. In der Pfalz oder Alzey-Worms zum Beispiel. Da habe ich meine Ruhe. Sobald es aber hier im Kreis ist, geht es los: "Der spielt doch in Waldlaubersheim. Das geht doch nicht, dass er das Spiel pfeift." Aber genau da liegt das Problem.

Nämlich?
Die Antwort auf die Frage, warum pfeift der Strack da? Das passiert, weil zum Beispiel am Wochenende von der Schiedsrichter-Vereinigung nicht alle Spiele besetzt werden konnten. Es kommt ja auch mal vor, dass ein Schiedsrichter absagt und dann springe ich ein. Es ist nun mal vorgeschrieben, dass dann die Klassen von oben herab besetzt werden. Wir versuchen, sowas natürlich zu vermeiden, das geht jedoch nicht immer. Dann hast du solche Konstellationen, die aber nicht alle Vereine verstehen können.

Wie geht es bei Ihnen nun weiter, immernoch in dreifach Funktion als Spieler, Trainer und Schiedsrichter?
Als ich damals Schiedsrichter geworden bin, war einer der Hauptgründe dafür, dass ich dem Fußball unbedingt verbunden bleiben möchte. Über diese Entscheidung bin ich auch sehr glücklich. Im Dezember werde ich 39 und durch die ganze Vereinsarbeit habe ich auch immer weniger Zeit zu trainieren. Es langt zwar noch zum Spielen, aber wir haben auch einfach viele junge Spieler, die den Schritt in die erste Mannschaft machen sollen. Denen gegenüber wäre es auch unfair ohne Training zu spielen, da nehme ich mich weiter zurück. Und wenn es irgendwann gar nicht mehr geht, bleibe ich dem Fußball weiter treu. Das war mir wichtig.

Aufrufe: 021.6.2017, 11:00 Uhr
Martin ImruckAutor