2024-05-24T11:28:31.627Z

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Auch beim SV Erbenheim in seinem Element: Achim Euler in der Coachingzone als „12. Mann“ seiner Mannschaft. Links verfolgt der damalige Klub-Vize Martin Gertig das Geschehen, rechts Spielausschuss-Chef Jürgen Schiebel.
Auch beim SV Erbenheim in seinem Element: Achim Euler in der Coachingzone als „12. Mann“ seiner Mannschaft. Links verfolgt der damalige Klub-Vize Martin Gertig das Geschehen, rechts Spielausschuss-Chef Jürgen Schiebel. – Foto: VRM-Archiv

Auf Mauritius im Hexenkessel der 15.000 Fans

Aufstiegsexperte Achim Euler hat nicht nur mit dem SV Hallgarten viel erlebt +++ Erfolgreich bei legendären Entscheidungsspielen +++ Mit 73 durchaus noch Lust auf mehr

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Wiesbaden. Wäre seine Fußballer-Laufbahn ein Gemälde, es wäre ein farbenprächtiges. Joachim Euler, zumeist Achim gerufen, hat als Spieler und Trainer Ungewöhnliches erlebt: Legendäre Entscheidungsspiele und eine ganze Palette von Aufstiegen bilden ein Füllhorn an Ereignissen. Gekrönt durch TV-Präsenz und unvergessene Fernreisen. Er könnte sich in seinem Haus in Erbenheim mit seiner Ehefrau Dorothea, die ihm auf all seinen Wegen im Sport stets den Rücken gestärkt hat, mit nunmehr 73 Jahren locker zurücklehnen, doch der Fußball, zurzeit nur per TV im Profibereich zu sehen, fesselt ihn noch immer.
Auf die Frage, ob er sich ein Comeback vorstellen könne, antwortet er spontan: „Die Frage habe sich mir auch schon gestellt. Es käme darauf an, was ein Verein vorhätte, welche Überzeugungen dahinterstehen. Selbst in meinem Alter kann ich mir das vorstellen – in welcher Funktion auch immer.“

Wie sehr das Feuer noch in ihm lodert, zeigte sich 2018, als er ein drittes Mal beim SV Italia Anker warf, mit den Azzurri sensationell das große Hallenturnier der Schiedsrichter gewann und in der Saisonendphase den Kreisoberliga-Klassenerhalt bewerkstelligte. Um plötzlich nach internen Turbulenzen in der Führung zu Beginn der neuen Runde ohne Kader dazustehen. Italia zog sein Team zurück und für Euler wurde es nach der Rettung ein bitterer Abschied. Wo er doch als Coach stets das Optimum an positiver Motivation und taktischem Know-how ausgeschöpft hatte. „Die Zusammenarbeit mit jungen Leuten macht nicht nur Spaß, sie sorgt auch dafür, dass du jung bleibst“, weiß er.

Tolle Zeit beim SVW mit Besuch im „Blauen Bock“

Ausgebildet beim Traditionsverein FC Hanau 93, gelangte Euler im Aktivenlager zum aufstrebenden FC Hochstadt. Vom FC Bayern war 1969 Hans Nowak als Spielertrainer gekommen, dirigierte hinten als Libero, während ihm Euler quasi in der Rolle des „Katsche“ Schwarzenbeck zur Seite stand. Im 3000-Einwohnerort hätten im Schnitt 1300 Zuschauer zugeschaut, erinnert sich Euler, der Spielführer wurde, zwei Aufstiege bis hinauf in die Hessenliga miterlebte. Um 1971 zum SV Wiesbaden zu wechseln. Das bot sich an, denn der gelernte Maurer war im Rahmen seiner zweiten beruflichen Ausbildung zum Polizeimeister ohnehin in der damaligen Polizeischule Kohlheck ständig in der Landeshauptstadt.
Es war die Zeit, als Willy K. Ullrich als Präsident und Mäzen den Kurs vorgab, der Bulgare Stefan Abadjiev Coach war, die Mannschaft um Willy Hummel, Hartmut Freudenberg, Rainer Hirschberg, Uli Eske, Schwabbel Schäfer und Johnny Hayer die Hessenliga besonders beim 1:0 vor 8000 Zuschauern gegen den späteren Meister VfR Bürstadt um Spielertrainer Lothar Buchmann aufmischte. Die SVW-Spieler glänzten seinerzeit auch als Gäste im vom Nauroder Heinz Schenk präsentierten Samstagnachmittag-TV-Klassiker „Zum Blauen Bock“. SVWler Kurt Feser habe das damals organisiert, erinnert sich Euler, der im schmucken orangefarbenen Trikot von der Kamera eingefangen wurde.

Kennt den Wiesbadener Amateurfußball wie kaum ein anderer: Achim Euler.
Kennt den Wiesbadener Amateurfußball wie kaum ein anderer: Achim Euler. – Foto: Timo Babic


Parallel fand er als Bautechniker beim Wiesbadener Tiefbauamt, dem er 42 Jahre angehören sollte, seine endgültige Berufung abseits des Fußballplatzes. 1973 wechselte Euler zur Germania, die unter Herbert Kautzmann auf dem damaligen Waldstraßen-Hartplatz spielte. Parallel mündete seine Wissbegierigkeit für den Trainerpart in den Erwerb der B- und A-Lizenz.

Beim SV Hattersheim führte er erstmals als Spielertrainer Regie. In der erfolgreichen Zeit des FSV Bad Schwalbach in der zweithöchsten hessischen Amateurklasse war Euler (unter anderem mit den Spielern Kurt Abel und Werner Hammelbacher) Trainer, ehe es von 1979 bis 1982 zu Biebrich 02 ging. Ausgerechnet gegen seinen Ex-Klub SV Hattersheim ging es in Kelsterbach vor über 3500 Zuschauern um den Aufstieg in die Landesliga (heute Verbandsliga). Die 117. Minute, als Jogi Kehrs Versuch am Querbalken landete und Micki Lauf zum 2:1-Siegtor vollendete, ist ihm noch vor Augen.

TV-Kameras für Hallgarten, nicht für Andy Brehme

In Delkenheim waren es am 20. Mai 1984 über 1700 Fans, die dem Aufstiegskrimi zwischen Eulers SV Erbenheim und dem TuS Nordenstadt zur Bezirksliga (heute Kreisoberliga) beiwohnten. Treffer von Thorsten Kleber, Thomas Hatzel, Ralf Moosler und Peter Neumann (86.) ließen Erbenheim nach 1:3-Rückstand mit Einwechselspieler Euler bei Gegentoren von Deul, Lottig und Hörner als 4:3-Gewinner jubeln. Seinem Ruf als Aufstiegsexperte wurde Euler auch beim SV Hallgarten gerecht. Dank der Unterstützung von Sponsor Günther Drees ging der Höhenflug bis in die Landesliga. Garniert mit zwei dreiwöchigen Trainingslagern im Inselstaat Mauritius. „Einmal saß Andreas Brehme mit uns im Flieger und dachte, dass die einheimischen Fernseh-Teams wegen ihm gekommen waren. Doch das galt uns. Es war schon berauschend, bei 30 Grad und bei unseren Spielen im Hexenkessel der über 15000 Zuschauer dabei gewesen zu sein“, zeigt sich Euler im Rückblick noch immer fasziniert. Als ein Zyklon aufzog, waren außerdem bange Momente zu überstehen.

Die TSG Wörsdorf zwischen 1991 und 1994 mit der Bezirksoberliga-Meisterschaft und dem Verbandsliga-Aufstieg, zweimal der SV Mörfelden, insgesamt dreimal der SV Italia, der TuS Nordenstadt und nochmals der SV Erbenheim waren weitere erfolgreiche Stationen. Beim RSV Würges ging es 1997 schief. „Es gab zwei Fraktionen im Team, ich wurde als Trainer zerrieben und habe vielleicht auch Fehler gemacht“, schaut er auf die damalige Entlassung zurück. Aber im Regelfall führte sein Mix aus Kompetenz, menschlichem Miteinander und Motivation zum Erfolg. Und – wer weiß – womöglich kommt Achim Euler, der Freiburgs Christian Streich als Vorbild bezeichnet, nach dem Re-Start des Amateurfußballs tatsächlich nochmals zum Zug.

Aufrufe: 08.2.2021, 10:30 Uhr
Stephan NeumannAutor