2024-05-02T16:12:49.858Z

Spielvorbericht
Ein Wiedersehen nach langer Zeit feiern Steffen Geisendorf (links) und Dimo Raffel (rechts).
Ein Wiedersehen nach langer Zeit feiern Steffen Geisendorf (links) und Dimo Raffel (rechts). – Foto: © Brennpunkt Orange / Marcel Minar

Als Geisi das Schlauchboot auspackte

Es gibt sie bei jedem Amateurverein: Die Geschichten, die sich noch in vielen vielen Jahren mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht erzählt werden.

Eine solch besondere Story erlebten auch 2013 Steffen Geisendorf und sein damaliger Innenverteidiger beim SV SCHOTT Jena Dimo Raffel. Nun treffen Beide acht Jahre später im Landespokal-Halbfinale aufeinander.

„An die Schlauchboot-Tour kann ich mich noch erinnern, als wäre es gestern. Vor dem DFB-Pokalspiel gegen den Hamburger SV hatten wir Hochwasser in Jena. Wir sind dann mit dem Schlauchboot zum Trainingsplatz gefahren und Dimo war der Kapitän“, erzählt Thüringen Jenas Coach Steffen Geisendorf aus den Geschichtsbüchern. „Das werde ich nie vergessen. Dort wo wir fast täglich standen, paddelten wir nach dem Hochwasser nun mit Boot, Bier und Musik. Das Spiel gegen den HSV stand auf der Kippe, Ausweichszenarien standen im Raum. Es war zwar kein Training möglich, aber wir gewannen (fast) jedes Ligaspiel am Wochenende - vielleicht auch wegen solch unvergesslichen Team-Events“, kramt auch Dimo Raffel in seinem Kopf.

Seit dem ist viel mehr Wasser die Saale herabgeflossen. Steffen Geisendorf ist seit Jahren beim FC Thüringen Jena in der Kreisoberliga an der Seitenlinie aktiv, Dimo Raffel fand über Thüringen Weida den Weg zum FC An der Fahner Höhe und in die Oberliga. Die „Schlauchboot-Tour“ von damals wird beide Akteure auf Lebzeit verbinden. „Ich freue mich auf Geisi und seine fußballverrückte Art. Ich hatte viele tolle und sehr erfolgreiche Jahr mit ihm, wir haben zusammen auf dem Fußballplatz viel erlebt. Der Kontakt ist bisher nie abgebrochen – nach bestimmten Spielen haben wir uns immer mal geschrieben. Am Sonntag ist es Premiere, dass wir uns auf dem Platz als Gegner duellieren. Es wird sicher für beide in Erinnerung bleiben, weil beide Vereine Geschichte schreiben“, spricht Raffel über die Verbindung zum Ex-Trainer. Am Wochenende wird aber diese Freundschaft für mindestens 90 Minuten ruhen. Denn es geht um was Einmaliges für beide Klubs - den Einzug in das Landespokal-Endspiel. Für den FC Thüringen Jena wohl deutlich unfassbarer als für die Gäste von den Fahner Höhen.

Dimo Raffel schaffte 2013 unter Trainer „Geisi“ das Pokalwunder von Jena. Im Endspiel schoss Benny Bahner den SV SCHOTT zum Sensationserfolg gegen Drittligist FC Rot-Weiß Erfurt und in den DFB-Pokal. Alleine aus diesen Erinnerungen weiß der Fahner-Verteidiger, wie Steffen Geisendorf einen Underdog zu Höchstform pushen kann: „Geisi wird sein Umfeld, vom Kassenwart bis zum letzten Feldspieler, so anstacheln, dass auf und neben dem Platz richtig Bambule sein wird. Nickeligkeiten, Provokationen und Vollgas-Fußball werden uns erwarten. Nichtsdestotrotz müssen wir kühlen Kopf bewahren, unser Spiel durchdrücken und das Ticket nach Meuselwitz buchen. Köpfchen, Geduld und Cleverness, aber auch die weitere Gier nach Erfolg werden als Favorit in so einem Halbfinale sehr hilfreich sein“, blickt der 29-Jährige auf das Halbfinale am Sonntag (ab 15 Uhr unterhalb des Jenzig - LIVE im FuPa-TICKER).

Der FCTJ-Trainer sonnt sich indes in der gewohnten Außenseiter-Rolle, die er schon bei den Siegen gegen SCHOTT Jena, SV 09 Arnstadt & Büßleben inne hatte. „Das Team um das Team, der Verein und die Spieler sollen es einfach genießen. Wir gehen da ohne Erwartungen ran. Wenn man die Rechnung aufstellt, dass pro Ligaklasse drei Tore fallen, dann verlieren wir wohl mit 0:9. Wir lassen die Kirche im Dorf. Was wir bisher erreicht haben ist der Wahnsinn“, so der 43-jährige Trainer.

Natürlich ist die Favoriten-Rolle klar bei den Gästen aus der Gemeinde Dachwig/Döllstädt/Gräfentonna. Die Elf von Tobias Busse wird aber wohl einen Teufel tun, den Gegner zu unterschätzen. Denn ein Pokalfinale wäre auch für sie einmalig. Erst recht nach den ganzen Begleiterscheinungen, die der Pokalwettbewerb im Corona-Sommer mit sich brachte. „Ich fand es gut, dass sie geklagt haben und der Wettbewerb fortgesetzt wurde. Am Ende haben sie ja auch mit dem Halbfinal-Einzug von der Sache profitiert, wie wir auch. Ich freue mich auf das Spiel“, so Steffen Geisendorf. Sein Gegenüber Tobias Busse will mit dem FCADFH diesen Sommer noch Fußballgeschichte schreiben. „Wir haben das Selbstbewusstsein und den Anspruch das Spiel zu gewinnen. Das Endspiel wäre was einmaliges für uns. Wenn wir die Geilheit auf den Erfolg aus dem Erfurt-Spiel mitnehmen, dann schaffen wir es. Allerdings sehe ich den FC Thüringen Jena nicht als Kreisoberligist an. Sie haben in ihrem Kader Qualität, die weit aus höher reichen würde“, sagt Tobias Busse.

Am Sonntag wird sich dann zeigen, welches „Schlauchboot" den Weg in Richtung Meuselwitz nimmt. Erfahrung auf wilden Gewässern haben dabei sowohl Jenas Trainer Steffen Geisendorf als auch Fahrers Leistungsträger Dimo Raffel. Letzter zieht vor allem aus dem 2:1-Erfolg gegen RWE im Viertelfinale viel Kraft: „Für den Verein FC An der Fahner Höhe war es der bisher größte Erfolg gegen einen Großen aus Thüringen zu gewinnen. Das Spiel hat gezeigt, dass wir als eingeschworene Mannschaft im fitten und frischen Zustand schwer zu bespielen sind. Das hinten raus nach dieser langen Pause die Körner fehlten ist selbstverständlich. Das gibt uns jedoch Selbstvertrauen für die nächsten Schritte, bestätigt unseren eingeschlagenen Weg und soll die Erfolgsgeschichte des Vereines fortführen. Wir wissen, dass es am Sonntag ein ganz anderes Spiel werden wird – wir freuen uns auf dieses Halbfinale! Mit Demut, Geschlossenheit und Weitblick stehen dem Verein hoffentlich noch weitere Tage und auch Jahre solcher Spiele zu Gesicht.“

Aufrufe: 026.6.2021, 12:00 Uhr
André HofmannAutor