2024-05-02T16:12:49.858Z

Aufreger der Woche
Das letzte Wort ist gesprochen: Ali Az Taifeh (Mitte) hört als Karadeniz-Coach auf, als Spieler bleibt er für den Klub am Ball.	Foto: Mario Luge
Das letzte Wort ist gesprochen: Ali Az Taifeh (Mitte) hört als Karadeniz-Coach auf, als Spieler bleibt er für den Klub am Ball. Foto: Mario Luge

Alles anders

KARADENIZ Nach dem Landesliga-Aus will der Klub einen Neustart – wie der aussehen soll, weiß noch keiner so genau

Bad Kreuznach. In der Stunde tiefster Depression schießen Yasin Senel Bilder aus einer anderen Zeit durch den Kopf. Es sind unvergessene Erinnerungen, die ihn mit Karadeniz Kreuznach verbinden und die sich in sein Gedächtnis gebrannt haben...

Rückblende. Es ist 22 Uhr und die Flutlichtanlage im Salinental ist bis auf eine Lampe runtergefahren. Senel steht mit dem harten Kern der „Goldenen Generation“, den Kurals, Ceylans und Az Taifehs, die fast jeden Aufstieg von Karadeniz miterlebt und mitgestaltet habern, auf dem Platz und übt Torabschlüsse. Standards. Volley. Fallrückzieher. Spaßfaktor 100. Sie würden bis in die Nacht kicken, wenn ihnen nicht der Platzwart auf die Füße treten würde...

„Mensch“, sagt Yasin Senel, zurück in der Gegenwart und ein bisschen sentimental, „wir haben schöne Zeiten erlebt. Wir waren leidenschaftlich und ambitioniert. Diese Erlebnisse kann uns niemand nehmen.“

Schon verständlich, dass man gerade in diesem schweren Moment etwas Positives sucht, an dem man sich festklammern kann. Der Herzensklub hat eigenmächtig sein dunkelstes Kapitel abgeschlossen, offiziell seinen Rückzug aus der Fußball-Landesliga vermeldet. In Erinnerung schwelgen, um den aktuellen Albtraum für einen Augenblick auszublenden. „Die Geschichte ist traurig genug“, sagt Senel, „aber es ist, ehrlich gesagt, auch keine große Überraschung mehr. Auch wenn es eine sehr schlechte Erfahrung ist, es ist eine Erfahrung, aus der wir nur lernen können.“

Sie wüssten jetzt, was es braucht, um auf diesem Niveau zu spielen. Um in der Landesliga mitzuhalten, müsse man mindestens eine Schippe drauflegen. Auf allen Ebenen, nicht nur auf dem Grün. „Das muss gewollt sein – von allen. Vom Verein, den Spielern und den Sponsoren. Und das war nicht der Fall. Wir haben es mit wenigen Mitteln bis in die Landesliga geschafft, das allein war eine große Leistung für diesen jungen Verein. Aber dann ist uns schnell die Puste ausgegangen. Wir sind in der Bezirksliga besser aufgehoben.“

Genau hier soll er ausgerufen werden: der Neustart. Wie er aussehen soll? Der neue Vorstand hält sich bedeckt, Yasin Senel hat ein paar Ideen. Der Verein müsse die kommenden Wochen nach „diesem schmerzhaften Rückschlag“ nutzen, um sich neu zu strukturieren, sagt er. Sein Trainerkompagnon Ali Az Taifeh ergänzt: „Wir müssen die richtigen Lehren ziehen und dürfen nicht wieder die gleichen Fehler machen. Wir brauchen ein Gerüst an Spielern, auf die man sich verlassen kann. Die immer da sind und die auf diesem Niveau spielen können.“

Gespräche mit Türkgücü über eine Zusammenarbeit

Für eine verantwortliche (Trainer-)Aufgabe stehen Yasin Senel und Ali Az Taifeh nicht mehr zur Verfügung, sie bleiben als Spieler. „Wir lassen unsere Jungs nicht im Stich“, sagt Senel, der in den vergangenen Jahren an die hundert Pflichtspieltore für Karadeniz erzielt hat und in der Bezirksliga eine wichtige Stütze wäre. Allerdings gibt es auch Skeptiker im Verein, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen und die vermuten, dass der Klub in der neuen Saison ähnliche Probleme kriegen könnte wie in dieser „schwarzen Saison“.

Alles soll anders, alles soll wieder besser werden. Dafür braucht Karadeniz Macher, die anpacken und Verbindlichkeiten schaffen. Und eine hohe Identifikation mit der gemeinsamen Sache.

Gut möglich, dass der neue Vorstand auch über eine Zusammenarbeit mit Türkgücü Ippesheim nachdenkt. Der aktuelle Bezirksligist scheint dem Vernehmen nach nicht abgeneigt zu sein – zumindest könnte man sich in Gesprächen ja mal beschnuppern und austauschen.

Erst mal wollen sie alles sacken lassen, heißt es aus Vorstandskreisen: „So einen harten Schlag verdaut man nicht einfach so. In einer Saison wurde die Aufbauarbeit von vielen Jahren zerstört.“ In solchen Momenten wünscht man sich zurück in die Vergangenheit. Yasin Senel sagt: „Wenn wir es schaffen, dass irgendwann wieder die Leidenschaft von früher zurückkehrt und eine neue, starke Generation wie unsere entsteht, dann haben wir vieles richtig gemacht.“ Selbstverständlich weiß er, dass es bis dahin noch ein langer, steiniger Weg ist. Sie müssen ja erst mal diesen finsteren Tunnel ohne Flutlicht verlassen.


DER RÜCKZUG UND DIE FOLGEN

Die Partien gegen Karadeniz werden ersatzlos gestrichen, die Landesliga-Tabelle auf 15 Teams reduziert, bestätigt Klassenleiter Udo Schöneberger (Münchweiler)- Karadeniz steht als erster Absteiger fest – und erhält einen Platz in der Bezirksliga (siehe Interview).

„Die Verbandsspruchkammer wird den Fall offiziell bereinigen und zudem eine Geldstrafe aussprechen“, sagt Schöneberger. „So ein Rückzug ist in der Landesliga ja nicht die Regel. Es ist auch schon längere Zeit her, dass wir einen ähnlichen Fall hatten.“ Zwei Jahrzehnte ist es her, dass Schwarz-Weiß Kreuznach nach der Saison 1998/99 freiwillig in die Bezirksliga ging.

Aufrufe: 05.4.2018, 23:25 Uhr
Henning KunzAutor