2024-06-17T07:46:28.129Z

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Glückliche Familie: Altin Rraklli mit Ehefrau Flutura und den Kindern Ansel und Alen beim Urlaub in Ägypten.
Glückliche Familie: Altin Rraklli mit Ehefrau Flutura und den Kindern Ansel und Alen beim Urlaub in Ägypten. – Foto: Rraklli

Altin Rraklli: „Haching war meine schönste Zeit im Fußball“

Nach dem 2:0 im Spitzenspiel gegen Verfolger SSV Ulm ist die SpVgg Unterhaching im März 1999 Tabellenführer der 2. Liga. „Haching in Aufstiegsgefahr“, ist zu lesen. Noch zwölf Spiele bis zur Bundesliga – „das wäre für uns wie eine Landung auf dem Mars“, sagte Trainer Lorenz Köstner (72). Für alle „Experten“ wär’s eine riesige Sensation. Nur für einen nicht.

Unterhaching – Nach dem 2:0 im Spitzenspiel gegen Verfolger SSV Ulm ist die SpVgg Unterhaching im März 1999 Tabellenführer der 2. Liga. „Haching in Aufstiegsgefahr“, ist zu lesen. Noch zwölf Spiele bis zur Bundesliga – „das wäre für uns wie eine Landung auf dem Mars“, sagte Trainer Lorenz Köstner (72). „Wie wenn San Marino Weltmeister wird“, ergänzte Markus Oberleitner (50). Die SpVgg im deutschen Fußball-Oberhaus: Für alle „Experten“ wär’s eine riesige Sensation. Nur für einen nicht: Für den ersten Albaner in der Bundesliga (17 Tore 1992/93 in seiner ersten Saison für den SC Freiburg), der auch der erste Albaner im Haching-Trikot war.

Jubel: Altin Rraklli feiert 1999 einen Treffer für die SpVgg Unterhaching.
Jubel: Altin Rraklli feiert 1999 einen Treffer für die SpVgg Unterhaching. – Foto: imago sportfotodienst

„Mein ganz klares Ziel hier ist die Bundesliga. Wir steigen auf“, prophezeite Altin Rraklli (heute 53), als er im Sommer 1997 von Hertha BSC in den Sportpark kam und Mannschaft und Trainer kennengelernt hatte. Selbstbewusste, klare Worte, für die der kleine Stürmer von vielen – auch von den eigenen Mitspielern – erst mal leicht mitleidig belächelt wurde.

Als die Rot-Blauen nicht zuletzt dank der Zweitliga-Tore von Rraklli (je neun in den Spielzeiten 1997/98 und 1998/99) tatsächlich in der Bundesliga spielten, bereitete es dem 63-fachen Nationalspieler (elf Tore, darunter eins 1994 beim 1:2 gegen Deutschland) eine diebische Freude, immer wieder mal zu nachfragen: „Und, wer hatte jetzt recht?“

Altin – das heißt übersetzt Gold. Und der quirlige 1,70-Meter-Mann war für die Truppe von Trainer Köstner, den Oberfranken, der ihn immer den „Aldin“ rief, tatsächlich Gold wert: Wenn Rraklli das 1:0 machte, verlor die SpVgg nicht. Umso erfreulicher, dass er Anfang März vor 25 Jahren seinen Vertrag um zwei Jahre, das hieß bis 2001, verlängerte.

Seit 2017 wohnt die albanische Fußball-„Legende“ (das bekam er sogar bei der Einreise an der Grenzkontrolle zu hören) in Sachsen, in Schwarzenberg bei Aue im Erzgebirgskreis, sichtet Talente und Immobilien. Wie kam’s? „Bekannte haben uns angeboten, hier zu leben.“ Privat hat „Goldjunge“ Altin längst sein Glück gefunden. Seit 13 Jahren ist er mit der in Amerika aufgewachsenen Albanerin Flutura verheiratet. „Das heißt auf Deutsch Schmetterling“, erklärt Rraklli. Gold und Schmetterling – was für eine wunderbare Verbindung. Kennengelernt haben sie sich: „Im Fußballstadion.“ Als Altin Trainer der albanischen Frauen-Nationalmannschaft war, die er von 2010 bis 2016 aus dem Nichts auf Platz 78 der FIFA-Rangliste führte, begleitete sie eine UEFA-Delegation als Dolmetscherin. Da kamen sie sich schnell näher.

Trauer: Der Reporter tröstet Rraklli nach dem Abstieg aus der Bundesliga auf dem Spielfeld.
Trauer: Der Reporter tröstet Rraklli nach dem Abstieg aus der Bundesliga auf dem Spielfeld. – Foto: Thomas Ernstberger

Zusammen haben sie zwei Kinder, Ansel (10) und Alen (9), die beide bei Erzgebirge Aue Fußball spielen, in der U11 und der U9. „Sie können es nicht erwarten, zum Training zu gehen. Sie wollen Fußballer werden, das macht mich stolz“, verrät der Papa, der die Kinder natürlich auch privat trainiert. Seinen beiden Buben zuliebe ist der ehemalige Haching-Stürmer auch in Sachsen „hängen geblieben“, wie er sagt: „Wegen der Schule und des Fußballs.“ Aber Sachsen soll für den Stürmer, der nach Haching noch bei Diyarbakirspor in der Türkei, bei Jahn Regensburg in Liga 2, in der Heimat bei Rekordmeister TK Tirana und seinen Jugendclub Besa Kavaja spielte sowie zuletzt mit 39 noch für Bayern Hof in der Bayernliga auflief („ein Missverständnis. Ich wollte als Trainer da hin, der Präsident wollte mich als Spieler“), keine Dauerlösung sein. „Ich will unbedingt einen Trainerjob im Herrenbereich, am liebsten in Bayern. Ich bin immer noch total ehrgeizig und bin mir sicher, dass ich das kann“, sagt der Fußball-Lehrer mit der UEFA-Pro-Lizenz. „Dafür bin ich bereit, umzuziehen“, erklärt er. „Ich gehe auch in die fünfte Liga, wenn die Ideen und das Konzept des Vereins passen.“ Und er stellt klar: „Der finanzielle Aspekt ist für mich nicht entscheidend.“

147 Mal trug Rraklli von 1997 bis 2002 das Haching-Trikot – „meine schönste Zeit im Fußball“, blickt er zurück. „Weil wir eine Mannschaft mit Herz waren. Wir hatten vielleicht nicht die besten Fußballer der Bundesliga. Aber das haben wir mit Zusammenhalt und Freundschaft wettgemacht. Der Umgang miteinander war überragend – wir waren fast jede Woche gemeinsam beim Essen. Und haben dann auch füreinander gespielt.“

Eine ganz wichtige Rolle spielte für den Albaner dabei Trainer Lorenz Köstner: „Ein harter Bursche mit einem weichen Herz. Ich kam als junger Kerl aus dem Kommunismus in eine neue Welt. Da brauchte ich jemand, der mich ein bisschen führt.“ Rraklli ist mit allen drei deutschen Vereinen aufgestiegen. „Aber weder zu Freiburg noch zu Hertha habe ich noch Kontakt.“ Aber noch zu vielen ehemaligen Hachingern – Spielern wie seinem späteren Regensburger Team-Kollegen Oli Straube oder Alex Strehmel genauso wie zu Köstner und zum Staff wie Doc Alois Englhard, Physiotherapeutin Nelly le Berre oder Betreuer Wolfi Binderberger.“ Und zum Schluss verrät Gold-Altin noch seinen Traum abseits des Fußballs: „Meine Heimat ist wunderschön. In Albanien ein Hotel zu bauen und zu betreiben, ist mein ganz großes Ziel.“ (THOMAS ERNSTBERGER)

Aufrufe: 06.3.2024, 16:30 Uhr
Thomas ErnstbergerAutor