2024-04-30T13:48:59.170Z

Allgemeines
Überprüfung am Bildschirm: Der Videobeweis ist seit seiner Einführung umstritten. Nun plant die FIFA eine Ausweitung bis in die untersten Ligen
Überprüfung am Bildschirm: Der Videobeweis ist seit seiner Einführung umstritten. Nun plant die FIFA eine Ausweitung bis in die untersten Ligen – Foto: MIS

Videobeweis bis in die C-Klasse? - Skepsis aus Würmtal

Erneute Kritik für den VAR

Würmtal: Vereine äußern sich kritisch gegenüber dem Videobeweis im Amateurfußball. Es sei unrealistisch oder mit hohen Kosten verbunden oder raubt Emotionen.

Würmtal – Unterstützer des Videobeweises können ihm zugutehalten, dass Fans seit dessen Einführung doppelt so oft jubeln dürfen: erstmals, nachdem der Ball im Netz gelandet ist, ein weiteres Mal, nachdem der Treffer auch der minutenlangen Überprüfung des „Video Assistant Referee“ (VAR) standgehalten hat. Meint man es eher nicht so gut mit der Schiedsrichter-Hilfe, kann man dem Videobeweis vorwerfen, dem Sport die unmittelbaren Emotionen zu nehmen – und die Frage stellen, ob es den Fußball wirklich so viel gerechter macht, wenn nach minutenlanger Unterbrechung festgestellt wird, dass der große Zeh eines Stürmers vor dessen Torerfolg doch einen Zentimeter im Abseits war. Von den Diskussionen um den schmalen Grat zwischen klaren Fehlentscheidungen (VAR-Einsatz erlaubt) und weniger klaren Fehlentscheidungen (VAR-Einsatz verboten) mal abgesehen.

Inzwischen hat sich der Videobeweis trotz aller Diskussionen im Profifußball etabliert. Die FIFA ist mit der jüngsten Entwicklung offenbar so zufrieden, dass sie nun sogar angekündigt hat, die Einführung eines „VAR light“ im Amateurfußball zu prüfen. Kostengünstige Systeme sollten auch bis in die untersten Spielklassen eingesetzt werden. Die ersten Reaktionen darauf schwanken zwischen Unglauben und Spott. Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) äußert sich auf Anfrage des Online-Portals Fußball Vorort ebenfalls eher skeptisch. „Auch für uns sind viele Fragen offen. Beispielsweise die einer flächendeckenden Finanzierung. Auch macht eine Kamera noch längst keinen Videobeweis, das erfordert zusätzliche Manpower.“ Weiter heißt es vonseiten des BFV: „Um das alles überhaupt im Ansatz bewerten zu können, braucht es schlicht mehr Fakten.“

In Würmtal herrscht Skepsis gegenüber dem VAR

Und wie ist die Meinung im Würmtal? In Gesprächen mit Vereinsvertretern ergibt sich ein ziemlich eindeutiges Stimmungsbild. Im Profifußball finden die meisten den Einsatz des Videobeweises in Ordnung, auch wenn etwa Marco Gühl, Sportlicher Leiter beim TV Stockdorf, einwendet: „Er hat nicht gerade für weniger, sondern nur für andere Diskussionen gesorgt.“ In den unteren Spielklassen erscheint eine Einführung dagegen allen utopisch. „Das ist wieder ein neuer Blödsinn, der ihnen einfällt“, sagt Thomas Gollong, Fußballabteilungsleiter der DJK Würmtal. Sein Kollege vom TSV Pentenried, Michael Möhwald, findet ähnliche Worte: „Das hört sich für mich eher nach einem Aprilscherz an.“ Er plädiert dafür, mit Fehlern der Schiedsrichter zu leben. Ayhan Kurt kann sich auch keinen Reim auf den Plan der FIFA machen. „Prinzipiell sind wir offen für jeden technischen Fortschritt, aber mir fehlt die Idee, wie sich das in unteren Ligen umsetzen lässt“, so der Abteilungsleiter des SV Planegg-Krailling. Er kritisiert außerdem das Timing. „Wir haben aktuell mit Corona andere Probleme und werden 2021 vor völlig neuen Herausforderungen stehen.“

Jens Rindermann und Andreas Gries rechnen mit enormem Aufwand und hohen Kosten

Jens Rindermann, Spartenchef des Gautinger SC, stellt klar: „In den Sphären, in denen wir uns bewegen, steht der Nutzen in keinem Verhältnis zu den Kosten.“ Andreas Gries, 2. Abteilungsleiter beim TSV Gräfelfing, stellen sich ebenfalls viele Fragen: „Alleine die Infrastruktur zu schaffen, sehe ich mehr als skeptisch. Baut das der Verband auf, oder wälzt er es auf die Vereine ab?“ Damit rennt er bei Gollong offene Türen ein. „Wie stellen sie sich den Aufwand vor?“, fragt der DJK-Fußballvorstand. Auch Stefan Kriebel, Abteilungsleiter bei Bezirksligist TSV Neuried, hält die Pläne für unrealistisch und wenig zielführend: „Ich würde mich schon freuen, wenn man überall Linienrichter hätte.“ Sein Planegger Kollege Kurt geht sogar noch einen Schritt weiter: „Zurzeit wäre es toll, wenn wir überhaupt Fußball spielen dürften.“

In hohen Amateurligen hält Gühl den VAR für möglich

Im gehobenen Amateurbereich, also der Regionalliga, den Bayernligen sowie möglicherweise auch in Landes- und sogar Bezirksligen, halten viele eine Einführung mittelfristig dagegen für möglich. „Dort, wo es auch um gewisse Summen geht, ist es in den nächsten Jahren realistisch“, findet Stockdorfs Gühl. Der Gräfelfinger Gries, der bis zum Sommer für Landesligist SC Olching die Schuhe schnürte, verweist darauf, dass in den Landesligen bereits jetzt dank der Kooperation mit dem Anbieter „Sporttotal“ auf allen Plätzen Kameras installiert sind.

Bei einem Kreisligisten wie Gräfelfing hält Gries jedoch nichts von VAR-Experimenten: „Der Charme des Amateurbereichs lebt auch von Fehlentscheidungen und Emotionen.“ Gühl pflichtet bei: „In den unteren Spielklassen sollte der Fußball im Vordergrund stehen.“ Das sollte zwar eigentlich auch für den Profifußball gelten, aber das ist eine andere Diskussion. (Tobias Empl/Michael Grözinger)

Aufrufe: 027.11.2020, 08:28 Uhr
Münchner Merkur (Würmtal) / Tobias Michael Empl GrAutor