2024-05-10T08:19:16.237Z

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Abstiegskrimi: Fällt am Wochenende in der Regionalliga die erste Entscheidung im Abstiegskampf? Christoph Schmitt (links) und der SV Heimstetten sind angeschlagen, Oliver Wargalla und der FC Pipinsried sind im Aufwind. Peter Neururer, Trainer-Guru und Abstiegsexperte (kleines Foto) gibt Tipps für die Kellerkinder. Foto: Sven Leifer /mis
Abstiegskrimi: Fällt am Wochenende in der Regionalliga die erste Entscheidung im Abstiegskampf? Christoph Schmitt (links) und der SV Heimstetten sind angeschlagen, Oliver Wargalla und der FC Pipinsried sind im Aufwind. Peter Neururer, Trainer-Guru und Abstiegsexperte (kleines Foto) gibt Tipps für die Kellerkinder. Foto: Sven Leifer /mis

Neururer gibt Tipps: So packt ihr den Nicht-Abstieg

Kult-Trainer spricht über Kampf um den Klassenerhalt

Im Abstiegskampf steht für einen Amateurspieler mehr auf dem Spiel als der Verein. Kann er im Dorf noch Semmeln holen, ohne blöd angesprochen zu werden? Worauf es in einem Alles-oder-nichts-Spiel ankommt, weiß niemand besser, als Trainer-Guru Peter Neururer.

Etliche Amateurkicker kämpfen im Saisonfinale um die Zukunft ihres Vereins. Doch für viele geht es um weit mehr: Der Abstieg des Heimatvereins ist Dorfklatsch. Am Wochenende steigt in der Regionalliga Bayern das Schicksalsspiel zwischen dem SV Heimstetten und dem FC Pipinsried. Für 1860 Rosenheim und den VfR Garching geht es ebenfalls um alles. Wenn ein Bundesliga-Klub einen Retter in der Not gesucht hat, klingelte das Telefon von Peter Neururer. Ihm gelang selbst in ausweglosen Situationen noch das Unmögliche. “Ich habe diese Situation so oft erlebt. Irgendwann hatte ich im Abstiegskampf keine Verlustängste mehr. Ich konnte vorleben, worauf es ankommt“, sagt Neururer. Für die Amateurfußballer aus Oberbayern verrät Trainer-Guru Neururer, wie er im Abstiegskampf als Trainer vorgeht.

Auf Sieg spielen

Vor Jahren war ein Trainerkollege mit seiner Mannschaft im Abstiegskampf fünf Mal in Folge ungeschlagen. Er hat sich gewundert, dass er trotz der tollen Serie nicht unten rauskommt. Wer im Abstiegskampf auf ein Unentschieden hofft, steigt ab. Die Mannschaft geht schon mit einer negativen Wahrnehmung ins Spiel. Eine Mannschaft muss auf Sieg spielen. Wenn das in die Hose geht, hat sie trotzdem noch einen Punkt geholt. Bei meinen Mannschaften ist in den letzten Minuten im Abstiegskampf bei einer Ecke auch der Torwart mit nach vorne. Auch beim Stand von 1:1. Wenn ein Team in solch einem Spiel noch gewinnt, wächst der Glaube an das Wunder.

Den Kampf annehmen

Das ist eine richtig blöde Floskel. Aber es heißt Abstiegskampf, weil die Mannschaft kämpfen muss. Spielerische Mittel haben bis zu dem Zeitpunkt nicht gereicht und dazu geführt, dass die Mannschaft in dieser Situation steckt.

Lockerheit und Spaß

Abstiegskampf macht keinen Spaß. Aber ohne Freude kann ich keine Höchstleistung bringen. Ein Trainer muss auf Übungen setzen, die Spaß machen und Verdrängungsprozesse einläuten. Kurzfristig hilft Angst als Methode. Wenn der Löwe hinter jemanden herläuft, der normalerweise auf 100 Metern 12,0 läuft, kann er aus Panik vielleicht 11,5 laufen. Langfristig ist Angst aber der schlimmste Berater.

Einfache Lösungen

Die Spieler brauchen einfache Aufgaben und Ziele, die sie erreichen können. Ich biete im Training Spielformen an, bei denen die Spieler gar nicht merken, dass wir gerade an ihren Problemen arbeiten. Die Übungen machen Spaß und die Leichtigkeit kommt zurück. Schwierige Aufgaben lösen schnell eine Frustration aus. So entsteht Angst, Fehler zu machen. Und so steigt ein Team ab.

An die Ehre appellieren

Wenn ich einem Profi im Abstiegskampf etwas über Existenzkampf erzähle, fragt er mich, ob ich nicht ganz dicht bin. Die verdienen genug und finden einen neuen Verein. Aber etliche Mitarbeiter des Vereins verlieren bei einem Abstieg den Job. Jedem Profi muss klar sein, dass er für die Putzfrau spielt, die um ihren Arbeitsplatz bangt. Das funktioniert im Amateurfußball nicht. Hier geht es um die Ehre und den Stolz der Spieler.

Die individuelle Klasse

Es gibt Fußball-Philosophen, die irgendeinen Mist erzählen. Zu denen gehöre ich nicht. Wenn zwei Teams im Abstiegskampf stecken, zählt am Ende die individuelle Klasse der Spieler. Da kann ein Trainer machen, was er will. Am Ende zählt, ob er Spieler auf dem Platz hat, die ihrem Gegenspieler überlegen sind. Dann bist du der große Retter. Hat ein Spieler, der den Unterschied ausmacht, schon bei einem neuen Verein unterschrieben, muss ein Trainer an die Ehre appellieren. Wenn ich einen wechselwilligen Leistungsträger ersetzen kann, mache ich das. Aber welche Mannschaft hat diese Möglichkeit? Rotation ist im Abstiegskampf nicht möglich. Kein Kader der Welt hat zwei ausgeglichene Mannschaften. Als Trainer muss ich deshalb auf die Leistungsträger setzen. Auch wenn sie nach der Saison weg sind. Ich muss sie stark reden und ihnen klar machen, welche Verantwortung sie haben. Ihnen muss klar sein, dass alles an ihnen hängt.

Die Kabinenansprache

Pauschale Ansprachen gegenüber einer Mannschaft sind eine Katastrophe. Wir müssen schneller spielen. Wir müssen draufgehen. Na herzlichen Glückwunsch. So steigt eine Mannschaft ab. Einzelne Spieler oder Gruppen innerhalb der Mannschaft brauchen individuelle Aufgaben. Die Typen innerhalb einer Mannschaft sind unterschiedlich gestrickt. Jeder braucht auch einen eigenen Ton.

Stoßtraining

Das ist eine gewagte Form und steht in keinem Buch über Trainingslehre. Stoßtraining ist eine übertrieben harte Gangart, mit der ich die Spieler körperlich pushe. In Wahrheit richte ich die Spieler zu Grunde. Ich mache mit der Mannschaft Lauf- oder Spielformen, die fast schon mörderisch sind. Aber es entsteht so eine Überschussreaktion. Psychisch, weil die Mannschaft etwas Unglaubliches geschafft hat. Es entsteht ein unglaublicher Zusammenhalt. Und muskulär legen die Spieler kurzfristig zu. Dafür muss man aber Sportwissenschaften studiert haben. Das haben leider die wenigsten Profitrainer.

Der Matchplan

Ein Spieler muss vor einem wichtigen Spiel in der Früh aufstehen, sich vor den Spiegel stellen und mit sich selbst sprechen. Ich habe heute Folgendes vor: Ich habe eine Aufgabe vom Trainer erhalten. Daran halte ich mich. Ich übernehme Verantwortung. Gebe ich alles für den Erfolg der Mannschaft? Gebe ich alles dafür, den nächsten Zweikampf zu gewinnen? Gebe ich alles dafür, das Spiel zu gewinnen? Ein Spieler muss in dieser Situation ehrlich zu sich selbst sein. Wenn er nur die geringsten Bedenken hat, wird die Mannschaft absteigen. Einer alleine kann das ganze System kaputt machen. Das gilt für jeden Spieler, nicht nur für die elf, die auf dem Platz stehen.

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Die Amateurfußballseite erscheint jeden Mittwoch. Autor ist Christoph Seidl, erreichbar unter christoph.seidl@ merkur.de

Aufrufe: 08.5.2019, 11:26 Uhr
Münchner Merkur (Nord) / Christoph SeidlAutor